Mitte 2019 vermehrten sich die Gerüchte, dass ein neues Specialized Enduro in den Startlöchern steht. Wie so oft tauchten unmittelbar die ersten Fotos von getarnten und teilweise abgeklebten Rahmen auf, die sehr deutlich zeigten, dass Specialized nicht nur an einem Facelift, sondern vielmehr an einem komplett neuen Rahmenkonzept gearbeitet hat. Selbst auf den etwas schlechteren Fotos ließ sich leicht erkennen, dass sich das neue Enduro stark an Specializeds Demo Downhill Bike orientiert und mit dem tief über dem Tretlager liegenden Dämpfer zumindest optisch nichts mehr mit dem erfolgreichen Vorgänger gemeinsam hatte.
Im August 2019 war es dann auch soweit und Specialized präsentierte ein vollkommen neues Enduro, was sich sehr stark von dem über viele Jahre bekannten X-Wing Design absetzte und auch in der Summe seiner Eigenschaften den Fokus noch einmal mehr auf den harten Enduroeinsatz legte.
Das neue Enduro rollt nach wie vor auf 29 Zoll Laufrädern und verfügt dank Specializeds SWAT Flaschenhalter über Stauraum im Unterrohr. Damit ist die Aufzählung der wesentlichen Gemeinsamkeiten dann auch bereits abgeschlossen. Ansonsten gilt: Alles neu, alles anders und im Vergleich zum Vorgänger „extremer“.
Der neuen Rahmen und der Hinterbau sind bei allen angebotenen Modellvarianten aus Kohlefaser gefertigt. Beim Link des Hinterbaus wird hingegen zwischen den normalen Varianten und dem S-Works Enduro unterschieden. Bei letzterem besteht dieser Link aus Kohlefaser und spart noch einmal 250 Gramm gegenüber seinem Aluminium Gegenstück ein.
Der Federweg wurde auf 170 mm an Front und Heck aufgebohrt, der Hinterbau besitzt eine neue Kinematik und die fast schon standesgemäße „länger und flacher Behandlung“ blieb nicht aus. Aber der Reihe nach…
Das leichte Plus an Federweg ist ein erstes Zeichen für die konsequente Ausrichtung auf extremere Einsätze. Während das letzte Enduro in diversen Tests großes Lob für seine guten Allroundeigenschaften absahnen konnte, nähert sich Specialized mit der neuen Generation einen kleinen Schritt weiter an waschechte Downhill Bikes an. Schließlich ist hier klar der Fokus auf maximale Geschwindigkeit gelegt worden.
Downhill Bikes sind auch das passende Stickwort, wenn es um den Hinterbau des Enduro bzw. dessen Kinematik geht. Hier hat sich Specialized beim großen Bruder – dem Demo – bedient und dessen Hinterbaukonstruktion auf das Enduro übertragen.
Dank der neuen Umlenkung befindet sich der Dämpfer jetzt weit unten im Rahmen, was für einen tieferen Schwerpunkt und somit auch ein besseres Handling sorgen soll.
Der Hauptdrehpunkt des Hinterbaus wanderte wie beim Demo weiter nach vorne, und führt damit dazu, dass das Hinterrad im ersten Teil der Radhebungskurve etwas mehr nach hinten „ausweichen“ kann bzw. der horizontale Abstand zwischen Hinterachse und Drehpunkt erst später und langsamer verringert wird und somit weniger Energie an Hindernissen verloren geht.
An der Progression wurde ebenfalls gearbeitet. Der neue Hinterbau ist im Vergleich zum alten Enduro progressiver ausgelegt, sodass neben den serienmäßig an allen Enduro Varianten verbauten Luftdämpfern auch Coil-Dämpfer problemlos gefahren werden können.
Auch die Racer – oder anders gesagt – alle Freunde des besseren Vortriebs hat Specialized ebenfalls nicht vergessen und dem Enduro zu höheren Anti Squat Werten verholfen. Trotz des leicht erhöhten Federwegs müsste das Enduro daher recht effizient die Kraft an den Pedalen in Vortrieb wandeln können, was eben nicht nur im Rennbetrieb, sondern auch im Alltagseinsatz wünschenswert ist.
Abschließend bleibt noch die Umstellung bei der Bezeichnung der Rahmengrößen zu erwähnen, da Specialized – wie bereits vom Stumpjumper Evo oder Demo bekannt – ab dem Modelljahr 2020 nun auch das Enduro in vier Rahmengrößen gemäß seines sogenannten Style Specific Sizing anbietet.
Hierbei steht laut Specialized nicht die eigentliche „Größe“ sondern vielmehr die „Länge“ bzw. der Reach der einzelnen Rahmen im Vordergrund. Dank der kurzen Sitzrohre kann der geneigte Käufer recht unabhängig von der Körpergröße zwischen den verschiedenen Rahmen wählen. Nach vielen Jahren, in denen die Sitzrohrlänge leider oft ein limitierender Faktor bei der Rahmenwahl war, definitiv der richtige Schritt.
Inhaltsverzeichnis
Die Geometrie des Specialized Enduro
Wie bereits eingangs erwähnt, gilt beim Enduro „lang und flach“. Zur Zeit, als das Enduro frisch vorgestellt wurde, hätte ich sogar gesagt: Sehr lang und ganz schön flach. Schließlich übertraf Specializeds zweitkleinste Größe S3 bereits einige Bikes der Konkurrenz in Größe Large. Kein Wunder, dass mit Größe S5 bei einem Reach von 511 mm sogar die magische Grenze von 1,3 Metern beim Radstand (1302 mm) geknackt wurde.
Zum Thema „flach“: Um ehrlich zu sein war mein erster Eindruck, dass das Enduro bereits im High-Setting über einen mit 64,3° recht flachen Lenkwinkel verfügt. Im Low Setting geht es dann mit 63,7° noch einmal flacher zur Sache. Nicht zuletzt aufgrund des flachen Lenkwinkels verbaut Specialized an allen Varianten des Enduros ausschließlich Federgabeln mit kürzerem Offset.
Rahmengröße | S2 | S3 | S4 | S5 | |
Sitzrohrlänge | 400 mm | 420 mm | 440 mm | 465 mm | |
Oberrohrlänge horizontal | 591 mm | 619 mm | 644 mm | 670 mm | |
Steuerrohrlänge | 95 mm | 100 mm | 110 mm | 120 mm | |
Lenkwinkel (low/high) | 63,7° / 64,7° | ||||
Sitzrohrwinkel (low/high) | 76° / 76,4° | ||||
Kettenstrebenlänge | 442 mm | ||||
Tretlagerabsenkung (low/high) | 28 mm / 21 mm | ||||
Radstand | 1217 mm | 1246 mm | 1274 mm | 1302 mm | |
Stack | 616 mm | 620 mm | 629 mm | 638 mm | |
Reach | 437 mm | 464 mm | 487 mm | 511 mm | |
Gabel Offset | 46 mm |
Quelle: Specialized
Die Sitzrohre bleiben über alle Rahmengrößen hinweg schön kurz, sodass durchweg langhubige Variostützen gefahren werden können. Ebenso fallen die Steuerrohre angenehm kurz aus und bremsen damit Freunde eines tiefen Cockpits nicht aus.
Mit 442 mm wurde die Kettenstreben ebenso wie der Sitzwinkel mit 76° über alle vier Rahmengrößen gleich ausgelegt. Während die Kettenstreben weder kurz noch übertrieben lang geraten sind, liegt der Sitzwinkel in einem durchaus aktuellen Bereich, wenngleich andere Hersteller – bei den immer länger werdenden Bikes – auch noch ein paar Grad steiler unterwegs sind.
Unser Test Bike: Specialized Enduro Expert
Specialized hat uns für diesen Test das Enduro in der Ausstattungsvariante Expert und der Größe S3 zur Verfügung gestellt. Für den empfohlenen Verkaufspreis von 6.999 Euro geht das Enduro Expert mit einer recht interessanten Ausstattung über den Ladentisch.
Mein persönliches Highlight – aber das ist natürlich Geschmackssache – ist der Rahmen in der Farbe „Gloss Red Tint / Dove Grey / Satin Black“. Bei dieser mit Klarlack überzogenen Farbvariante schimmern die Karbonmatten je nach Lichteinfall in einem intensiven Dunkelrot.
Nicht nur beim Rahmen des Enduro Expert, sondern auch bei den Laufrädern wird auf Carbon gesetzt. Im Gegensatz zum doch erheblich teureren S-Works Modell mit seinem Roval Traverse SL Laufradsatz, wird im Enduro Expert auf den „Einstiegs“-Carbonlaufradsatz – den Roval Traverse Carbon – gesetzt.
Die Felgen sind mit einer Innenbreite von 30 mm identisch mit denen des Top-Laufradsatzes, während bei den Naben auf ein etwas einfacheres Modell mit 10° Auslösewinkel am Freilauf und weniger aufwändig gestalteten Speichenflanschen gesetzt wird.
Serienmäßig wird das Enduro mit Specialized Butcher Reifen in der Breite 2,6″ am Vorderrad und 2,3″ am Hinterrad ausgeliefert. Beide Reifen verfügen über eine GRID TRAIL 2Bliss Karkasse und die GRIPTON Mischung. (Die auf den Bildern zu sehenden Michelin Reifen gehören daher NICHT zur Serienausstattung beim Enduro. Diese wurden lediglich aufgrund eines Schadens am Specialized Hinterreifen kurz vor dem Shooting als Ersatz aufgezogen.)
In Sachen Fahrwerk war ich anfangs in der Tat ein wenig überrascht, da Specialized bei Fox 36 und DPX2 Dämpfer auf die Performance Serie von Fox und nicht auf die in diesem Preissegment eher üblichen Performance ELITE Modelle setzt. Vermutlich ein kleiner Abstrich bedingt durch die Traverse SL Carbonlaufräder.
Bei der Schaltung und bei den Bremsen ist man beim Expert keine Kompromisse eingegangen. SRAMs X01 Eagle Schaltung und Schalthebel sowie die Code RSC Scheibenbremsen mit 200 mm Scheibe am Vorder- und 180 mm Scheibe am Hinterrad gelten als sichere Bank wenn es um Vortrieb und Verzögerung geht.
Specialized-typisch und durchaus praktisch sind die SWAT-Lösungen am Enduro. Neben dem Stauraum im Unterrohr, der sich unter dem Flaschenhalter verbirgt, gehört auch das SWAT Multitool im Steuerrohr zur Serienausstattung.
Die restliche Ausstattung verdient mit Aluminium Vorbau und Lenker von Specialized, einer Descendant Aluminium Kurbel und der X-Fusion Manic Variostütze das Prädikat: funktionell und robust.
Die Ausstattung des Specialized Enduro Expert im Überblick:
Rahmen: | Specialized Enduro |
Dämpfer: | FOX FLOAT DPX2 Performance, Rx Trail Tune, EVOL Air sleeve, 3-position adjustment, Trunnion mount, 205×60 mm |
Gabel: | FOX FLOAT Performance 36, Grip Damper, 44 OS, Kabolt 110, 170 mm |
Schaltwerk: | SRAM X01 Eagle, 12-speed |
Schaltgriffe: | SRAM X01 Eagle, trigger, 12-speed |
Bremsen: | SRAM Code RSC, 4-piston caliper, hydraulic Disc (f: 200 mm / r: 180 mm) |
Kurbel: | SRAM Descendant, Boost™, DUB, 170 mm |
Innenlager: | SRAM DUB, BSA 73 mm, Threaded |
Lenker: | Specialized, 7050 alloy, 6-degree upsweep, 8-degree backsweep, 27 mm rise, 800 mm |
Griffe: | Specialized Sip grip, half-waffle, S/M: regular thickness, L/XL: XL thickness |
Vorbau: | Specialized Trail, forged alloy, 4-bolt, 5mm rise, 40mm |
Sattelstütze: | X-Fusion Manic, infinite adjustable, two-bolt head, bottom mount cable routing, remote |
Sattel: | Body Geometry Myth 155 S2, Body Geometry Henge 143 S3/S4/S5 |
Kassette: | SRAM XG-1275 Eagle, 12-speed, 10-50t |
Laufräder: | Roval Traverse Carbon 29 |
Reifen: | Specialized Butcher, GRID TRAIL casing, GRIPTON® compound (f: 29×2,6″ / r: 29×2,3″) |
Pedale: | wird ohne Pedale ausgeliefert |
Quelle: Specialized
Das Specialized Enduro Expert auf dem Trail
170 mm Federweg, 29er, rund 15 kg ohne Pedale und ein Lenkwinkel von 63,7°. Als das neue Enduro im vergangenen Jahr mit diesen Eckdaten vorgestellt wurde, war ich doch sehr skeptisch, ob Specialized es nicht mit diesem Bike für meinen Geschmack „übertrieben“ hat. Für den Renneinsatz war ich mir schon ohne das Bike gefahren zu sein recht sicher, dass die Änderungen am neuen Enduro sich positiv auf Geschwindigkeit und die Sicherheit bergab auswirken sollten. Bezüglich der berühmten „Alltagstauglichkeit“ war ich dann aber leicht besorgt, dass die Kompromisse für meinen Geschmack auf gemäßigten Trails oder auf dem Weg berghoch zu groß sein könnten.
Nach einem kurzen Setup mit rund 30 Prozent Negativfederweg am Dämpfer und 20 Prozent an der Fox 36 ging es zum ersten Kennenlernen auf die lokalen und nicht zu extremen Trails. Der erste Aha-Effekt stellte sich schnell ein. Dafür, dass man mit dem Enduro nicht gerade wenig Fahrrad bewegt, geht das Bike doch verhältnismäßig gut voran. Sicherlich ist bei 170 mm Federweg am Heck ein klein wenig Bewegung im Fahrwerk zu spüren, was sich aber im Vergleich zu anderen Bikes dieser Federwegsklasse in Grenzen hält. Dank der höheren Anti-Squat Werte, lässt sich das Enduro somit auch ohne den berühmten Griff zum blauen Low-Speed-Compression Hebel des Fox DPX2 erstaunlich gut pedalieren.
Dennoch ist schnell klar, wo die Reise mit dem Enduro hingehen sollte: Im besten Fall nach bergab. Der lange Radstand, der flache Lenkwinkel und das tiefe Tretlager vermitteln sofort ein Fahrgefühl, was stark an ein Downhill Bike erinnert.
Man steht sehr zentral und gefühlt auch tief im Bike ohne dabei zu viel Last auf entweder das Vorder- oder Hinterrad zu bringen. Insgesamt vermittelt das Enduro den Eindruck, dass man das Bike einfach laufen lassen kann und es nicht schnell aus der Ruhe gebracht werden kann. Dass ein solch sicheres Fahrgefühl ein wenig zu Lasten der Verspieltheit geht, steht außer Frage. Mit entsprechendem Krafteinsatz ist hier aber auch einiges möglich.
Krafteinsatz ist ein gutes Stichwort… denn dieser ist auch berghoch verhältnismäßig in Ordnung für ein solches Kaliber an Bike. Und um ehrlich zu sein, war ich sogar positiv überrascht wie gut sich das Enduro den Berg hinauf pedalieren lässt. Wie schon auf flacheren Trails zeigt sich der Hinterbau recht ruhig und sinkt auch nicht stark unter dem Gewicht des Fahrers am Berg zusammen.
Eng verwinkelte und technische Anstiege sind natürlich nicht die Paradedisziplin dieses Bikes. Dafür ist es dann doch zu viel Fahrrad und insbesondere im Low Setting sind regelmäßige Pedalaufsetzer an der Tagesordnung. Das High Setting schafft hier ein klein wenig Abhilfe wobei sich, dank des etwas steileren Lenkwinkels, zudem die Agilität verbessert.
Rekorde auf dem Weg zum Gipfel wird man mit dem Enduro selbstverständlich nicht aufstellen, da dies schließlich Bikes mit weniger Federweg, weniger Gewicht und geeigneteren Geometriewerten vorbehalten bleibt.
Doch bei einer Körpergröße von 182 cm kann ich unterschreiben, dass ich die Sitzposition auf dem S3 Rahmen als ausgewogen und komfortabel empfinde.
Die nicht zu kurzen Kettenstreben in Verbindung mit dem 76° steilen Sitzwinkel sorgen effektiv dafür, dass man nicht zu weit über dem Hinterrad sitzt und das Vorderrad trotz angenehm aufrechter Sitzposition erst recht spät steigt. Wenn ich das Kletterverhalten des Enduros mit einem Wort beschreiben müsste, wäre „angenehm“ der für mich treffendste Begriff. Denn mit ein wenig Geduld, bin ich selten mit viel Federweg bei so einer guten Sitzposition zum Traileinstieg gerollt und muss dabei klar sagen, dass ich nach den ersten richtigen Anstiegen durchweg positiv von den Klettereigenschaften überrascht war.
Apropos überrascht… Bergab sollte man mit dem Enduro nahezu keine Überraschungen erleben. Um es vorweg zu nehmen, bin ich noch kein Bike gefahren, was so nah an ein Downhill Bike herankommt. Einmal in Fahrt liegt das Enduro extrem satt auf dem Trail und überzeugt mit einer stoischen Ruhe und Gelassenheit auch in wirklich groben Gelände. Die großen Laufräder in Verbindung mit den 170 mm Federweg laden förmlich dazu ein, einfach mal draufzuhalten und das Bike die Arbeit machen zu lassen. Reserven bietet das Enduro dabei mehr als ausreichend.
So kommt das Enduro Expert ab Werk mit einem montierten 0.4 in³ Volumenspacer im Float DPX2, der auch nach unsauberen Landungen und sportlicher Fahrweise immer einige Millimeter an Dämpferhub als Notreserve bereithält. Selbst bei der Verwendung der kleineren Volumenspacer sind Durchschläge bei rund 30 Prozent Negativfederweg eine Seltenheit. Und für schwerere Fahrer ist somit dank der Möglichkeit noch größere Spacer zu verbauen auch noch ausreichend Spielraum vorhanden.
Insgesamt lässt sich der größte Anteil des Federwegs gut nutzen. Kleine bis mittlere Schläge bügelt der Hinterbau souverän weg ohne dabei zu viel Federweg freizugeben. Inwieweit neben den 29er Laufrädern auch die zuvor erwähnte – etwas weiter nach hinten verlaufende – Radhebungskurve hier Einfluss nimmt, kann ich nicht beurteilen. Einen gewissen Anteil hat sie bestimmt. Fakt ist aber, dass das Enduro insbesondere auf schnellen und unruhigen Streckenabschnitten sehr gut seine Geschwindigkeit hält.
Bergab und in technisch anspruchsvollen Abschnitten ist der Rahmen extrem gut beherrschbar. Specialized ist meiner Meinung nach ein wirklich guter Kompromiss aus Steifigkeit bei immer noch ausreichend „fehlerverzeihender“ Nachgiebigkeit des Hinterbaus gelungen. Ein nervös seitlich verspringendes Hinterrad konnte ich zu keiner Zeit beim Enduro feststellen.
Gleiches gilt für unnötigen Krach! Kettenschlagen oder ungeliebtes Klappern von Zügen sucht man beim Enduro vergeblich.
Kommen wir zum allgemeinen Handling. Länge läuft! Und der flache Lenkwinkel sowie der tiefe Schwerpunkt tragen zu einem sehr stabilen Geradeauslauf und zu einem richtig souveränen Fahrgefühl bei. Dennoch würde ich es auch dem tiefen Schwerpunkt und der geringen Überstandshöhe zuschreiben, dass sich das Enduro willig in die Kurven legen lässt. Einen entsprechenden Nachdruck vorausgesetzt natürlich. Auch in der Luft fühlt sich das Enduro wohl und lässt sich dank seines progressiv ausgelegten Hinterbaus angemessen gut an Kanten abziehen. Trotz des üppigen Federwegs vermittelt das Bike ausreichend Feedback vom Untergrund. Diese beiden letzten Aussagen sind aber bitte immer im Verhältnis zum Federweg zu sehen. Mit „Pop“ über den Flowtrail fliegen können kleinere Bikes besser.
Länge läuft aber nicht nur, sondern erfordert auch etwas mehr Krafteinsatz, wenn es in langsamere und verwinkelte Streckenabschnitte geht. Im Renneinsatz meiner Meinung nach weniger ein Problem. Im Alltag auf Touren und vielleicht nicht immer extrem gebauten Trails vielleicht doch. Daher sollte bei der Entscheidung für ein aktuelles Specialized Enduro sehr viel Wert auf die korrekte Rahmengröße gelegt werden.
Mit einer Größe von 182 cm würde ich nach meinen Erfahrungen mit dem Enduro für den Renneinsatz und dem Kampf um jede Sekunde auf Größe S4 setzen. Der größere Radstand und Reach sollten noch einmal ein Plus bei dem ohnehin schon hohen Sicherheitsgefühl und der Kontrolle bei hohen Geschwindigkeiten bringen. Für den Einsatz außerhalb der Rennstrecke würde ich die Größe S4 in der Tat für mich ausschließen, da ich am Ende des Tages nicht immer mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs bin und mir persönlich die Sitzposition bergauf bei einem Sitzwinkels von 76° und dem im Vergleich zum S3 noch einmal um 23 mm längeren Reach etwas zu gestreckt wäre. S3 passt mir da einfach besser und somit fällt meine Wahl außerhalb der Rennstrecke auf die kleinere Größe. Zudem ist das Enduro in S3 auch dann kein wirklich kleines Bike. Für den „zivilen“ Einsatz ist es mehr als schnell genug und dabei doch noch ein klein wenig verspielter und agiler zu fahren als ein echter Rennhobel mit der für mich absolut maximalen Länge.
Ein letztes Feedback zur Ausstattung des Enduro Expert:
Diese ist meiner Meinung nach sehr funktionell gewählt. SRAM’s Schaltkomponenten und Bremsen haben Ihren Dienst ebenso zuverlässig verrichtet, wie die X-Fusion Manic Variostütze. Der Laufradsatz von Roval hat die letzten Monate klaglos weggesteckt, auch wenn er insbesondere nach der „Corona“-bedingten Vernunftpause wieder standesgemäß bewegt wurde. Kohlefaser sei Dank, laufen die Felgen so rund wie am ersten Tag. Und hier sehe ich in der Tat den größten Vorteil dieses Laufradsatzes. Klar spart er auch ein paar Gramm Gewicht gegenüber der Aluminiumvariante ein. Diese paar Gramm alleine wären mir jedoch den Aufpreis nicht wert. Die höhere Widerstandsfähigkeit gegen Dellen und jegliche Art der Verformung allerdings schon eher.
Ebenso kann ich ein positives Fazit zum Fox Performance Fahrwerk mit der 36 und dem DPX2 ziehen. Der von Specialized gewählte RX-Tune des Dämpfers hat bei mir nicht den Wunsch nach größeren Veränderungen geweckt. Einzig mit den Volumenspacern habe ich das Bike an mich und meinen Fahrstil etwas anpassen müssen. Klar… mehr geht immer, was jedoch dann noch einmal eine größere Lücke ins Portemonnaie reißen würde, sobald Specialized beim Fahrwerk noch mal einen drauflegen würde.
Einen Kritikpunkt bzw. eine Unstimmigkeit gibt es dann für mich aber doch bei der Ausstattung: Die Reifen. Dabei geht es mir nicht um den Butcher an sich, da insbesondere bei Reifen immer ein wenig der persönliche Geschmack ins Spiel kommt. Lediglich die Wahl der GRID TRAIL Karkasse finde ich für ein solches Vollgas-Bike ein wenig unterdimensioniert. Und so hat es auch nicht lange gedauert, bis ein steiniger Trail die Seitenwand des Hinterreifens zerstörte und kurzer Hand ein Satz Michelin Wild Enduro Reifen von einem anderen Bike geborgt werden musste. Unbestritten ist es ein schöner Nebeneffekt, dass „Trail-Karkassen“ nicht zu sehr auf das Gewicht drücken. Aber zumindest am Hinterrad wäre der Butcher mit der robusteren BLCK DMND Karkasse die passendere Lösung für das Enduro.
Fazit:
Specialized Enduro: Ein absolutes Vollgas-Bike! Ein Mini-DH Bike? Nein! Denn für ein Mini-DH Bike klettert das Enduro einfach viel zu gut den Berg auch wieder nach oben und bietet seinem Fahrer eine wirklich komfortable Sitzposition, um möglichst effizient in die Pedale zu treten. Der Fokus des Enduro liegt auf dem Weg nach unten und dies hat Specialized sehr überzeugend umgesetzt. Die Sicherheit und Kontrolle, die das Enduro seinem Piloten vermittelt sind auf ganz hohem Niveau. Trotz der konsequenten Ausrichtung auf maximales Tempo, kann das Enduro aber auch gemäßigt bewegt werden. Hier besteht nur die Gefahr, dass ein wenig Fahrspaß dabei auf der Strecke bleibt, da man auf vielen Trails mit „zu“ viel Fahrrad unterwegs ist. Bleibt noch der Preis: Mit einer UVP von 6.999 Euro ist dieser nicht gerade niedrig. In Anbetracht des durchdachten und hochwertig verarbeiteten Rahmens, der Carbonlaufräder und der Tatsache, dass bei Specialized ein breit aufgestelltes Händlernetz mit Rat und Tat zur Seite steht, wird das Enduro Expert im Vergleich zur Konkurrenz noch angemessen angeboten.
Taugt das Enduro als „ein Bike für alles“? Bestimmt nicht für jeden von uns. Für diejenigen, die es regelmäßig auf entsprechenden Trails fordern können, bekommt es jedoch eine klare Empfehlung.
Text: Robin Krings
Bilder: Patrick Frech
weitere Informationen: specialized.com
[…] dem Specialized Enduro durften wir im Juli die zweite Jahreshälfte mit einem echten Traumbike […]
Hi George,
besten Dank für Dein Feedback.
Freut uns, wenn Dir der Artikel gefallen hat!
Beste Grüße
Robin
Ich kann den Bericht selber so bestätigen, nur meine Fox 36 an meinem ENDURO kommt mit schnellen Schlägen nicht mehr mit.
Wie gesagt, ansonsten kann ich dem geschriebenen nur beipflichten
Gruß George