Sciu Aspen – Zum Debüt und Launch der Marke Sciu haben wir bereits deren Gravelbike, das Sciu Juniper ausführlich in einem Einzeltest vorgestellt. Endlich hatten wir im Spätherbst auch die Chance, dem bei der Vorstellung hoch diskutierte Endurobike, das Aspen, in einem mehrwöchigen Einzeltest auf den Zahn zu fühlen. Wir haben uns dabei wie gewohnt im Detail angesehen, was das Bike kann und uns aber weniger Gedanken um Open-Mold, Start-ups und all den anderen Diskussionspunkten aus den Internetplattformen gemacht. Was das Aspen also in unseren Augen hat und kann, lest ihr in diesem Artikel.

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Slate Grey ist eine von zwei möglichen Farben des Aspen.

Sciu Aspen – Übersicht

Laut Aussage von Sciu waren die Anforderungen an das Aspen bei dessen Produktentwicklung klar: ein vollwertiges und zuverlässiges Endurobike, das einfach im Handling und flexibel in seiner Anwendung ist. Es soll sich ebenso geschmeidig auf den Hometrails als auch im Bikepark fahren lassen und dabei gelegentliche Renneinsätze ermöglichen.

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Aufgeräumtes, analoges Cockpit.

Dafür hat Sciu dem Aspen eine Ausstattung verpasst, die mittlerweile ganz typisch für Enduros im mittleren und oberen Preissegment ist. Das Aspen selbst geht als Komplettbike für satte 5.999 € und als Rahmenkit für 3.399 € über die Boutique-Theke. Das Testbike, das wir zur Verfügung gestellt bekommen haben, zeigt kleinere Abweichungen von der Standardausstattung. Zum Beispiel wird das Aspen laut Sciu mit einem hochwertigen Sattel der Marke SQ-Lab serienmäßig bestückt. Gewogen haben wir das Testbike inklusive Pedale mit 15,1 kg.

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Das Aspen kommt vor allem in Slate Grey optisch recht dezent rüber.

Geometrie und Rahmen

Sciu hat bei der Produktentwicklung des Aspen darauf geachtet, dass der Rahmen sehr individuell genutzt werden kann. Es ist möglich in das Sciu sowohl Federgabeln mit 160 mm Federweg als auch 170 mm Federweg zu verbauen, je nach gewünschtem Lenkwinkel und bevorzugtem Anwendungsgebiet. Ebenso kann der Fahrer dem Aspen mit dem Einbau eines kleineren 27,5-Zoll-Hinterrads das Bike abfahrtsorientierter trimmen, zum Beispiel für die intensive Nutzung im Park. Sciu bietet das Komplettbike dennoch nicht in Mullet- sondern in der reinen 29-Zoll-Konfigurationen an. Bei der Rahmenfarbe kann man zwischen den beiden Farben „Moss Yellow“ und „Slate Grey“ und jeweils drei Rahmengrößen wählen.

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Die Geometrie des Sciu Aspen im Überblick. Quelle: Sciu-Bikes

Ein detaillierter Blick in die Geometriedaten der drei Größen (M, L und XL) mit der standardmäßig verbauten 170 mm Federgabel führt zu keinen großen Überraschungen. Ein flacher Lenkwinkel von 64,4° gepaart mit einem Sitzwinkel von 76,4° verspricht schon auf dem Papier das Wort „Enduro“ und ich würde es als das aktuelle „Enduro-Rezept“ bezeichnen. Ebenso sieht es da bei Reach und Stack aus. Die 434,6 mm langen Kettenstreben fallen genauso wenig auf, da sie kurz genug für eine gute Wendigkeit erscheinen. Sciu scheint hier also mit der Geometrie bewusst auf Bewährtes zu setzen. Hier wurde laut Sciu viel Aufwand in die Konstruktion des Hinterbaulinks gelegt, um Lenk- und Sitzwinkel sowie die Kinematik des Hinterbaus auf die Anforderungen des Aspen anzupassen.

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Aktuelle Ausstattung des Aspen. Quelle: Sciu-Bikes

Eine Besonderheit bei Sciu dürfte die bedingungslose Garantie von 6 Jahren auf den Rahmen sein. Diese ist unabhängig, ob man Erst-, Zweit- oder Drittbesitzer ist. Ausschlaggebend ist hier lediglich das Datum auf der Rechnung. Der Rahmen selbst besitzt ein paar kleine nette Details. So ist auf der Unterseite des Oberrohrs ein Kabelauslass zur möglichen Ansteuerung der Dämpfungseinheit des Dämpfers vorgesehen. Um den Dämpfer vor dem direkten Dreck-Beschuss des Hinterrads zu schützen, befindet sich an der Hinterseite des Sitzrohrs eine abschraubbare Carbonplatte. Die antriebsseitige Kettenstrebe ist mit einem Kettenstrebenschutz ausgestattet, der besonders lautes Kettenschlagen mit seinen großen Gummistollen unterbinden soll.

Sciu Aspen – Ausstattung des Testbikes

Bei der Ausstattung des Aspen stechen als erstes die Laufräder aus dem Hause Syntace ins Auge. Die leichten und zugleich stabilen Laufräder sollen in Verbindung mit dem steifen Carbonrahmen das Aspen gutmütig und komfortabel, mit ausreichend Flex machen. Ebenso stechen die großen MDR-P Scheiben der Magura Bremsanlage ins Auge. Die 220er Scheibe vorne und die 200er Scheibe hinten versprechen dabei einen sehr zuverlässigen Job ohne Überhitzen und mit ordentlich Power.

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Die aktuelle Rockshox ZEB erledigt einen hervorragenden Job.

Das Rockshox-Fahrwerk mit der ZEB Ultimate und dem Super Deluxe RC2T versprechen ebenfalls ordentliche Performance und ausreichend Einstellmöglichkeiten, um das Fahrwerk des Aspen auf das Gelände und seine eigenen Vorlieben abzustimmen.

Der SRAM-Antrieb mit reinen GX-Eagle-Komponenten stell eine bewährte 12-fach-Schaltung am Aspen bereit. Auch wenn hier keine zu erwartende X01-Komponente verbaut ist, werden die meisten Fahrer damit sicherlich zufrieden sein.

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Das Cockpit ist ordentlich verkabelt. Hier zeigt sich durchaus Liebe beim Aufbau.

Das Alu-Cockpit aus dem Hause Spank ist nicht sonderlich aufregend, dafür funktionell und passend zum Aspen. Bei der Sattelstütze wird dem Aspen eine Reverb mit 150 mm Verstellweg bei M- und L- Bikes sowie 175 mm Verstellweg bei XL-Bikes verbaut. Auch hier könnte man gemäß dem erwähnten „Enduro-Rezept“ etwas mehr erwarten, dazu jedoch später mehr.

Die beliebten Schwalbe-Reifen der „Magic Mary“ hingegen setzen wieder auf Bewährtes und versprechend viel Grip im Down- und Uphill.

Aspen in Action

Ich habe es bereits mehrfach erwähnt, dass Sciu beim Aspen nicht nur auf bewährte Komponenten bei der Ausstattung setzt, sondern auch die Geometriedaten stark an das derzeit gültige „Enduro-Rezept“ angelehnt sind. Umso weniger ist es verwunderlich, dass sich auch bei mir in kürzester Zeit nach dem erstmaligen Aufsitzen auf das Aspen und den ersten Kurbelumdrehungen ein angenehmes Wohlgefühl eingestellt hat und ich sofort das Aspen zu allerhand Spielerein auf dem Trail ermutigen konnte.

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Bevor es auf den Trail geht, sollte man aber besonders beim Aspen dem Grundsetup des Fahrwerks ein wenig Beachtung schenken. Hier habe ich früh die sehr progressive Kennlinie des Hinterbaus wahrgenommen. In meinem Fall bin ich sukzessive von initial gewählten 25 % SAG am Dämpfer zu letztendlich 35 % SAG fortgeschritten, um das volle Potenzial des Hinterbaus auch nutzen zu können. Den relativ hohen SAG hat mir Sciu ebenso bestätigt, und diesen im Zweifel etwas zu hoch als zu niedrig zu wählen. Die Federgabel habe ich auf übliche 25 % SAG eingestellt. Zug- und Druckstufendämpfung habe ich jeweils moderat geöffnet, um ein zufriedenstellendes Verhalten auf den ersten Trailmetern zu erreichen.

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Bergauf lässt sich das Aspen zu meiner Überraschung sehr effizient, zügig und relativ kräfteschonend nach oben pedalieren, obwohl ich erwartet hätte, dass sich die 15 Kilo Eigengewicht hier stärker bemerkbar gemacht hätten. Der steile Sitzwinkel entfaltet hier aber das volle Uphill-Potential des Aspen. Der Hinterbau zeigt trotz offener Dämpfung kein starkes Wippen während des Pedalierens im Sitzen. Möchte man aber im Wiegetritt dem Aspen kurzzeitig die Sporen geben, empfiehlt es sich, die Druckstufendämpfung über den blauen Hebel am Super Deluxe kurzzeitig zu schließen. Leider musste ich hier bei eingeschobener Flasche im Flaschenhalter immer etwas herumfummeln, um den Hebel zu betätigen, da der Dämpfer genau an dieser Stelle dem Flaschenboden sehr nahekommt.

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Über unebenes Gelände wie Wurzeln und grobe Steine macht das Fahrwerk mit offener Dämpfung das was es soll und der sensible progressive Hinterbau fühlt sich dabei besonders bei kleineren Schlägen Federweg sehr komfortabel an. Steile Passagen bergauf lassen sich relativ gut mit dem Aspen meistern. Lediglich in engen Spitzkehren bergauf hatte ich bei dem relativ hohen SAG und dem daraus resultierenden flacheren Lenkwinkel etwas Kraft und Gleichgewichtsausdauer benötigt, um das gefühlte lange und kippelige Flagschiff durch die Kurve zu zirkeln ohne einen Fuß dabei absetzen zu müssen.

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Bewegt man sich mit dem Aspen mit der Schwerkraft den Trail hinunter entfalten sich die Vorteile des sensiblen Hinterbaus, des Radstands und des flachen Lenkwinkels zu ihrer Gänze: man muss nicht viel machen außer Bremsen auf, Lenker fest und Beine locker. Das Aspen tut, was die Macher beabsichtigt hatten und erfordert wenig kraftvolle Eingriffe beim Hinunterballern über Wurzeln und Steine. Lediglich bei größeren Schlägen von unten als auch bei den Landungen nach kurzer Airtime habe ich den deutlich progressiven Hinterbau gemerkt und die restliche Energie durch die Beine absorbiert. Für jemanden wie mich, der eine deutlich lineare Kinematik des Hinterbaus gewohnt ist, ist dies durchaus eine Umstellung.

Ebenso der Fakt, dass der sehr weiche Hinterbau im unteren Federwegsbereich aufgrund des hohen SAGs unverkennbar weniger Rückmeldung über den Untergrund gibt und sich das Bike aus Anliegern und Bodenwellen nicht wie gewohnt herauspushen lassen will. Dennoch hinterlässt das Fahrwerk bergab insgesamt einen sehr harmonischen Eindruck und ist in meinen Augen ideal für all diejenigen Endurofahrer, die ein kräfteschonendes und effizientes Bike unter sich haben wollen. Die moderate Geometrie ermöglicht es zudem – wie anfangs angedeutet – das Aspen einfach und mühelos durch die Kurven des Hometrails zu führen.

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Hier ist es sinnvoll sich zu Beginn bewusst die Zeit zu nehmen den richtigen Schwerpunkt bzw. die richtige Position auf dem Bike zu suchen. Ich persönlich hatte den Eindruck, die Hüfte etwas mehr nach vorne schieben zu müssen, um den SAG auszugleichen und nicht zu hecklastig mit ausreichend Druck auf dem Vorderrad bergab unterwegs zu sein. Das muss aber jeder für sich selbst herausfinden.

Das Aspen hinterlässt ebenso im Bikepark ein sehr stimmiges und unspektakuläres Bild: Es macht, was es soll, ohne dem Fahrer viel Kraft zu rauben. Besonders hervorzuheben sind hier die kraftvollen Bremsen, die sich dann auch hier bei langen Abfahrten bemerkbar haben und gemeinsam mit der Zeb Ultimate die Unterarme auch deutlich entlasten. Ein Fakt, der mir erst im Bikepark deutlich geworden ist, betrifft die Sattelstütze bzw. das Sattelrohr des Aspen: Wegen der Achse des Hinterbaulinks durch das Sattelrohr ist die maximale Einstecktiefe der Sattelstütze je nach Rahmengröße beschränkt.

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Daher ist zum Beispiel in der Rahmengröße L eine Sattelstütze mit „nur“ 150 mm Hub verbaut. Für mich mit 183 cm Körpergröße und 82 cm Schrittlänge war es zum Pedalieren notwendig, die Sattelstütze nochmals gut 50 mm herauszuziehen, um effizienter die Kraft aufs Pedal zu bringen. Bergab auf den naturbelassenen Hometrails hat mich die herausstehende Sattelstütze bzw. die höhere eingefahrene Sattelposition nicht merklich gestört außer in kurzen Steilpassagen. Dagegen habe ich im Bikepark sofort nach dem ersten Sprung die Sattelstütze komplett eingeschoben, um nicht dauerhaft den Sattel zwischen den Beinen zu spüren. Kurzes Bergauf Pedalieren am Parkplatz mit ausgefahrener, aber eingeschobener Stütze ist für kurze Uphills akzeptabel, wenn auch nicht ideal. Für die nächste Generation des Aspen sehe ich hier ein klares Verbesserungspotenzial.

Ansonsten hat es mich persönlich bergab besonders gefreut, dass man abgesehen vom Freilauf keinerlei Geräusche vom Bike wahrnimmt, auch wenn es ordentlich von unten scheppert. Hier macht der Kettenstrebenschutz einen hervorragenden Dienst und auch sonst scheint nichts durch das Gerüttel am Bike sich mit nervigen Geräuschen zu beschweren.

Abschließend noch die kurze Erwähnung, dass wider Erwarten, ich während des mehrwöchigen Testzeitraums mehrmals das Lagerspiel des Syntace-Laufradsatzes nachstellen musste. Laut Sciu ein Thema, das bekannt und bereits an Syntace kommuniziert worden ist.

Fazit

Das Aspen hält definitiv was Sciu dem Endurobiker verspricht und bereitet viel Spaß berghoch und mega viel Spaß bergab. Ein Bike für alle, die ein simpel zu fahrendes und effizientes Bike suchen. Die starke Orientierung an bewährten Geometriedaten des Rahmens sowie guten und hochwertigen Komponenten aus dem Endurobereich lassen hier für die meisten wahrscheinlich keine bzw. nur wenige Wünsche offen. Verbesserungspotenzial zeigt sich bei der Zugänglichkeit des Dämpfers und der Einschränkung bei der Sattelstützenlänge.

Grundsätzlich bleibt dann  nur noch für jeden persönlich die Frage zu klären, ob man sich dieses Newcomer-Bike auch für den Boutique-Preis holen möchte. Man bekommt dafür ein schickes Endurobike, das einfach zu handhaben ist und mit dem man (fast) überall problemlos den Berg hinauf sowie sehr spaßig den Berg damit hinunterkommt.


Text und Redaktion: Martin Riedle, Robin Krings, Patrick Frech
Fotos: Martin Riedle, Flo Jäger
Weitere Infos: Sciu Bikes

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