Die RockShox Lyrik kommt für das Modelljahr 2023 in einer nahezu komplett überarbeiteten Version auf den Markt. Neben den sehr offensichtlichen äußeren Anpassungen am Casting hat sich auch einiges im Inneren der Gabel getan. Wir haben die Kombination aus Lyrik Ultimate und Super Deluxe, der ebenfalls runderneuert wurde und den wir in einem separaten Test beleuchten, seit einigen Wochen im Einsatz. Wie sich die neue RockShox Lyrik Ultimate bisher geschlagen hat, klärt unser Einzeltest.
RockShox Lyrik Ultimate – Daten und Fakten
Zwei Dinge fallen beim Betrachten der neuen Lyrik direkt ins Auge. Das ist zum einen das komplett überarbeitete Chassis, welches mehr Steifigkeit bei weniger Gewicht liefern soll und sich optisch an die ZEB angleicht. Wer sich jetzt denkt „Mensch, das habe ich doch schon an einem anderen Ort gesehen“ der liegt richtig, denn auch die Flight Attendant Lyrik verfügte bereits über das neue Casting.
Die andere Änderung betrifft die Farbwahl, denn Grün ist das neue Rot. Genau genommen ist es „Heavy Meadow“ und ist Olivgrün. Ich finde die Farbe genial und sie spricht mich deutlich mehr an als das alte Rot der Ultimate Versionen. Theoretisch passt sie so auch zu mehr Farbvarianten bei den Rahmen, ist aber immer noch als auffällig zu bezeichnen. Vor allem in Kombination mit dem sandfarbenen Rahmen unseres Stumpjumper EVO ergibt sich ein sehr stimmiges Gesamtbild. Wem das nicht zusagt, der kann natürlich weiterhin zu Gloss Black greifen.
Ebenfalls neu an der RockShox Lyrik sind die Pressure Relief Valves am Casting, welche für das Beseitigen von unerwünschtem Luftdruck zuständig sind. Das kommt vorwiegend dann vor, wenn viel Höhenmeter vernichtet werden. Ein Feature, was übrigens auch in Pike und ZEB des Modelljahres 2023 integriert wurde.
Ein an der Gabelbrücke verschraubbarer Fender ist auch für die neuen Modelljahre verfügbar. Zumindest in der Theorie, denn zum aktuellen Zeitpunkt ist er leider noch nicht lieferbar gewesen.
Ein auf den ersten Blick nicht direkt erkennbares, aber praktisches Feature sind die Torque Cap Adapter. Diese kommen an die Seitenflächen der Nabenaufnahme und sorgen dafür, dass Laufräder ohne Torque Caps ohne Fummelei direkt eingebaut werden können. Wer hier und da, so wie ich, schon beim Einbau mit der Steckachse geflucht hat, weil das Laufrad nicht richtig zentriert war, der hat in Zukunft direkt Ruhe.
Im Innenleben verstecken sich dann die wichtigsten Neuerungen der RockShox Lyrik. Die Charger Kartusche wurde umfangreich überarbeitet und trägt jetzt Versionsnummer 3. Der IFP (Internal Floating Piston) ist komplett neu und soll in Kombination mit der getrennten Einstellung von High- sowie Lowspeed-Druckstufe eine spürbare Verbesserung bringen. Getrennt bedeutet hier vor allem, dass sich beide Einstellungen so gut wie nicht mehr gegenseitig beeinflussen.
Auch die Materialwahl wurde verändert, um vor allem die Debonair + langlebiger und performanter zu machen. So wurde praktisch die komplette Einheit aus Aluminium gefertigt und verfügt über nahezu keine Kunststoffteile mehr. Kombiniert wird das mit neuem Dämpfungsöl und Fett.
Von außen ist die Charger 3 übrigens direkt als Neue zu erkennen, da auch die Versteller überarbeitet wurden. Auch die Bedienung respektive Einstellung hat sich verändert, dazu aber mehr im unteren Teil des Testberichtes.
Debonair+ wurde dahin gehend optimiert, dass die Gabel jetzt höher im Federweg steht und generell im gesamten Federweg mehr Support bietet. Das wurde unter anderem dadurch erreicht, dass man das Luftvolumen neu berechnet und Negativ- sowie Positivkammer neu abgestimmt hat.
Ein kleines, aber feines Feature, welches mir ebenfalls schon aus dem Flight Attendant Test bekannt ist, sind die Buttercups. Einfach ausgedrückt ist es ein spezielles Elastomer, welches feine Vibration herausfiltern soll, um die Hände des Fahrers so zusätzlich zu schonen. Vor allem im direkten Vergleich mit dem Vorgänger kann man hier eine Verbesserung spüren. Buttercups sind einzig den Ultimate Versionen spendiert worden. Bei den Select + und Select Modellen müsst ihr leider darauf verzichten.
Preislich liegt die Lyrik Ultimate bei 1.196 €, die Select bei 912 €. Die Select+ Gabeln sind nicht im Handel erhältlich und finden über Komplettbikes den Weg zu euch.
Rockshox Lyrik Ultimate – Einstellung
Ich bin jemand, der seine Gabeln gerne komfortabel, also mit recht wenig Druckstufe bzw. Dämpfung fährt. Das ist nicht unbedingt sinnvoll, hat aber den einfachen Grund, dass ich sonst vorwiegend in alpinem Gelände gerne mal Probleme mit Schultern und Nacken bekomme, wenn es so richtig rumpelt. Ein Nachteil einer so „weich“ eingestellten Gabel ist, dass man weniger Geschwindigkeit über den Trail trägt, da diese schlichtweg im Federweg verpufft.
Mit der neuen Charger 3 geht man bei Rockshox den gleichen Weg, wie beim Flight Attendant System auch. Man spricht vom sog. Bias, also dem Setting aus High- und Lowspeed-Druckstufe, welches laut Rockshox am besten mit dem Federweg und dem Einsatz der Gabel harmoniert. Das ist im Prinzip nichts Neues, da so ziemlich jeder andere Hersteller auch eine Empfehlung für seine Fahrwerke herausgibt, die man dann nur einstellen muss. Bei der neuen Lyrik (und auch allen anderen Gabeln der 23er-Generation) ist das voreingestellt und klar ersichtlich.
Möchtet ihr nun von dieser Empfehlung abweichen, dann könnt ihr das mit den gewohnten Klicks erledigen. Unterschied ist, dass ihr es jetzt entweder nach links oder rechts macht. Vorteil der Sache ist, dass ihr jetzt deutlich einfacher die Gabel „mal eben“ an einen neuen Trail angepasst habt und dabei immer die optische Kontrolle habt, wo sich Eure High- und Lowspeed-Druckstufe befindet. Das Zählen von Klicks ist damit nicht mehr notwendig. Flowtrail aka Waldautobahn mit wenig Gerumpel? Kein Problem, schnell mehr Druckstufe rein. Heftiger Naturtrail mit reichlich Wurzeln und Co? Einmal in die andere Richtung bitte.
Dadurch, dass der Bias, also die Ausgangsposition klar erkennbar ist, müsst ihr euch keine Einstellung der Gabel merken. Hier hat man jetzt nicht das Rad neu erfunden, aber die Nutzung der Gabel deutlich vereinfacht. Bei mir persönlich hat es dazu geführt, dass ich deutlich mehr mit den Einstellungen der Gabel experimentiert habe, um das für mich passende Optimum einzustellen. Regelmäßig habe ich dabei festgestellt, dass die Empfehlung von Rockshox bei mir hervorragend funktioniert, und ich immer wieder zum Bias, oder einfacher ausgedrückt, der Mittelstellung zurückgekehrt bin.
Apropos Einstellung! Auf den neuen Gabeln wird es keine Markierungen mehr für den SAG Wert geben. Der Grund dafür ist simpel, denn wenn ihr eure Daten in die Trailhead App von Rockshox eingegeben habt, dann bekommt ihr die für euer Gewicht passenden PSI Werte. Am neuen Super Deluxe ist die Skala weiterhin vorhanden. Ebenfalls bekommt ihr eine Empfehlung für die Zugstufe über die Trailhead App angeben.
Die neue RockShox Lyrik Ultimate auf dem Trail
Für die Vorstellung der neuen Produkte hatte RockShox uns für einen Tag in den Bikepark Beerfelden eingeladen. Da dies unter der Woche geschah, hatten wir den Tag komplett für uns und konnten uns komplett auf die neuen Produkte und Einstellungen konzentrieren.
Zum Warmup haben wir ein paar Runden mit dem alten Fahrwerk, welches aus einem Super Deluxe und einer ZEB Ultimate bestand, absolviert. Das hatte vor allem den Hintergrund, die neuen Komponenten Back-to-Back auf demselben Trail zu testen.
Die Black Viktor eignet sich dabei hervorragend, um ein Fahrwerk abzustimmen und zu testen. Der zügig fahrbare Naturtrail bietet mit reichlich Wurzeln, Drops und anderen Nettigkeiten so ziemlich alles, was ein performantes Fahrwerk meistern sollte.
Bereits die erste Abfahrt mit der neuen Rockshox Lyrik zeigte mir einen spürbaren Unterschied. Durch den Bias, also die „Standard“ Einstellung der Druckstufe hatte ich eine spürbar straffere Front mit dem Komfort, den ich so von der ZEB bei deutlich weniger Druckstufe gewohnt war. Dadurch war nicht nur der Federweg effizienter nutzbar, ich habe auch direkt spürbar mehr Geschwindigkeit über die Strecke transportieren können.
Um das nochmals zu unterstreichen, hätte ich das wohl auch mit einer erhöhten Druckstufe an der ZEB erreicht, was dann aber auf Kosten des Komforts gegangen wäre. Diesen Kompromiss muss ich nun nicht mehr eingehen.
Drops werden dadurch ebenfalls besser kompensiert, da die Lyrik so kontrollierter durch den Federweg geht.
Der Aha-Effekt stellte sich bei mir aber vor allem in Anliegern und schnellen Richtungswechseln ein. Anlieger gehen mit deutlich mehr Druck und daraus resultierender Geschwindigkeit. Die Lyrik arbeitet dabei spürbar besser im mittleren Federweg als meine „alte“ ZEB. Abschließend kann das Zusammenspiel zwischen Charger 3 und Debonair+ als deutliche Steigerung der Effizienz beschrieben werden.
Ebenfalls einwandfrei spürbar ist eine Bewegung weg vom Bias der Druckstufe. Gehst du zwei Klicks in die positive oder negative Richtung, dann spürst du das auch auf dem Trail. Insgesamt stehen 17 Klicks (7 pro Richtung) LSC und 4 HSC zur Verfügung, was ein völlig ausreichender Wert ist. So war der erste Tag auf dem neuen Fahrwerk bereits sehr positiv, sollte aber noch durch weitere Eindrücke gefestigt werden.
Diese erfolgten auf lokalen Trails im Taunus, Darmstadt, Alzenau und im alpinen Gelände rund um Riva del Garda. Vor allem Riva stellte uns umfangreiche Möglichkeiten in Form diverser Trails zur Verfügung. Wer das Gelände kennt, der weiß, dass Riva nicht unbedingt für Flow bekannt ist. Das Gelände ist überwiegend steil, verblockt, ruppig und sehr anspruchsvoll bei Nässe. Neben ein paar Riva Klassikern, haben wir uns auch eine Enduro Stage unter die Stollen genommen.
Vor allem schnelle, steinige Passagen meistert die neue RockShox Lyrik mit Bravour. Das Feedback der Front ist hoch, schafft eine hohe Kontrolle und dadurch ein hohes Maß an Sicherheit in die Gabel. Durch die erhöhte Steifigkeit des neuen Castings konnten auch überraschende Richtungswechsel sicher absolviert werden. Fairerweise sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass wir in Riva keinen Back-to-Back Test mit der ZEB absolviert haben.
RockShox stuft die Lyrik Reihe als „All-Mountain“ Gabel ein, was in meinen Augen schon fast etwas zurückhaltend ist. Mit 160mm Federweg ist sie in meinen Augen auch absolut im Enduro Segment positionierbar. Für die noch (deutlich) härtere Gangart bleiben dann immer noch ZEB oder Boxxer.
Rockshox hat mit der neuen Lyrik und ihrer Summe an Neuerungen die Messlatte für die Konkurrenz ein ganzes Stück höher gelegt. Wie hoch, kann am Ende nur ein Vergleichstest zeigen. Doch insbesondere bei Preis/Leistung hat man bei Rockshox mächtig abgeliefert.
Charger 3.0 Upgrade
Noch eine positive Nachricht an alle Besitzer der „alten“ ZEB. Es ist problemlos möglich, eure Gabel auf die neue Charger Kartusche aufzurüsten. Das geschieht am besten über den Fachhandel oder handwerkliche Kenntnisse vorausgesetzt, über euch selbst. Damit kann die wichtigste Komponente und dadurch die Performance auch in eure bisherige Gabel transferiert werden. Verzichten müsst ihr nur auf die Pressure Relief Valves, da diese zwingend das neue Casting voraussetzen. Ein Upgrade bestehender Pike oder Lyrik Gabeln kann aufgrund des alten Castings leider nicht erfolgen.
Fazit:
Die RockShox Lyrik Ultimate MJ 2023 ist ein großer Wurf geworden. Die Gesamtperformanz und Effizienz der Gabel wurde nicht nur optimiert, die Nutzung wurde auch vereinfacht. Verarbeitung und Design der Gabel sind auf einem ausgesprochen hohen Niveau. Das gilt außen wie auch im Inneren der neuen Lyrik.
Das Gesamtpaket wird abgerundet durch die neuen Pressure Relief Valves und die Buttercups. Letztere verrichten einen völlig unauffälligen, aber in meinen Augen spürbaren Job. Schade ist, dass man die Buttercups nur in den Ultimate Versionen bekommt, aber ein gewisses Alleinstellungsmerkmal ist nicht unüblich.
Text und Redaktion: Patrick Frech, Robin Krings
Fotos: Patrick Frech
Weitere Infos: RockShox Lyrik
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