160 mm Federweg vorn, 150 mm Federweg hinten – das sind die Merkmale, welche die Kanadier der Marke NORCO als passend für ein All-Mountain erachten. Zugegeben, die Spezifikationen des Bikes und die Geometrie ließen auf dem Papier wenig Wünsche offen – Gründe, das Bike in einem Einzeltest auf den Zahn zu fühlen.

Norco Sight
Das Norco Sight C2 Shimano im Einzeltest beim Cycleholix Magazin

Das Norco Sight C2 Shimano im Test

Ein Merkmal welches es inzwischen recht selten zu findet ist, dass das Sight in zwei grundlegenden Versionen erhältlich ist – einmal mit 27.5″ Laufrädern und einmal mit 29″. Bei meiner Körpergröße von 1,78 m entschied ich mich für die Rahmengröße L, was genau den Vorschlägen des Herstellers entspricht. Da ich meine eigenen Fahrräder mit 29″ Laufrädern fahre, fiel auch beim Norco die Wahl auf diese Laufradgröße. Das Testbike mit einem empfohlenen Verkaufspreis von rund 6.800 € kommt mit einer tollen Ausstattung daher, welche auf solide Komponenten mit erfahrungsgemäß sehr guter Performance setzt. „Fancy Bling-Bling“ Parts wie Fox Factory Federelemente fehlen dem Bike, aber dafür hält sich der Preis meiner Meinung nach auf einem akzeptablen Niveau. Wem das zu teuer ist, der kann aus verschiedenen anderen Ausstattungstufen wählen und bekommt die günstigste Variante mit Aluminium Rahmen bereits für ca. 3.500 €. Das Norco Sight ist mit innenverlegten Zügen versehen und sorgt somit für eine saubere Erscheinung. Die Montage eines Flaschenhalters ist ebenso möglich, wie die Befestigung von Werkzeug etc. an dem Gewindehalter unterhalb des Oberrohrs. Genial finde ich, dass die Hinterbaulänge des Sight in der Rahmengröße mitwächst.

Norco Sight
Das Norco Sight C2 Shimano

Geometrietabelle

Norco Sight Geometrie Cycleholix
Norco Sight – Geometrie für 27,5″ und 29″
Norco Sight
Das Norco Sight C2 Shimano

Fahrwerk

FOX liefert das Fahrwerk für das Sight C2. Anstatt auf die teuren, aber edelen Federelemente aus der Factory Serie zu setzen, kommt vorn eine FOX Performance Elite 36 mit 160 mm Federweg zum Einsatz. Ich müsste jetzt wohl schreiben, dass die Factory Gabel um Welten besser ist – aber das vermag ich nicht zu beurteilen. Die 36 Performance Elite verfügt über die gleichen Dämpfungseinstellungen, wie das Edelmodell, lediglich die Standrohre mit reibungsoptimierter Kashima Beschichtung „fehlen“. Lowspeed und Highspeed Druck- und Zugstufe lassen sich wie beim Profimodell getrennt von einander einstellen und sorgen dafür, dass erfahrene Piloten ihr perfektes Setup finden können.

Norco Sight
Das Norco Sight C2 Shimano kommt mit einer FOX 36 Performance Elite Gabel mit 160 mm Federweg

Auch im Heck setzt der Hersteller auf einen FOX Dämpfer aus der Performance Serie, welcher aus dem Hinterbau des Sight 150 mm Federweg kitzelt. Dieser lässt sich, ebenfalls wie die Gabel, in vier Dämpfungsoptionen einstellen und steht dem Produkt aus der Factory Serie um nichts nach. So schaut für mich ein sinnvoll ausgestattes Bike aus!

Norco Sight
Im Heck werkelt ein FOX Float X2 Performance mit vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten

Antrieb und Bremse

Das Norco Sight C2 Shimano kommt mit einer Shimano XT Schaltung, welche mit einer SLX Kassette mit 10-51 Zähnen kombiniert wird – 12-fach, versteht sich. Die Shimano XT Kurbel in einer Länge von 170 mm ist mit einem 32er Kettenblatt ausgestattet, was für die meisten Anstiege reichen sollte. Ich selbst bin bergauf eher Kategorie „Lauch“ und wechsle gern auf ein 30er Blatt. Die Kettenführung von e*thirteen ist ein gutes Mittel zum Zweck – einen Design Award verdient das Teil jedoch nicht.

Norco Sight
Das Bike ist mit einer Shimano XT- 12-fach Gruppe ausgestattet.

Eine überaus solide und teils unterbewertete Bremse ist die Shimano SLX Vierkolbenbremse, welche am Norco montiert ist. Kombiniert mit einer 203 mm Scheibe vorn und einer mit 180 mm hinten, ist sie eine Bank und steht der XT Bremse um nichts nach. Sinnvoll ausgestattet – ich erwähnte es bereits.

Norco Sight
Vorn eine 203 mm Scheibe, hinten reichen 180 mm

Sitzen und halten

Ein richtiger Fan bin ich von der e*thirteen Infinite Sattelstütze geworden, bei welcher sich der gewünschte Sattelhub mit einfachen Schritten vordefinieren lässt. In „unserem“ Sight steckt die Sattelstütze mit einem maximalen Auszug von 180 mm, welche sich jedoch in der Kombination mit dem Rahmen und meiner Beinlänge nicht weit genug in den Rahmen stecken ließ. Innerhalb 5 Minuten habe ich die Stütze auf 160 mm Hub reduziert und konnte so ohne gestreckter Beine auf dem Sattel Platz nehmen. Der SDG Bel Air V3 ist kein Sattel den ich persönlich wählen würde, aber erfüllt seinen Zweck allemal ganz gut.

Norco Sight
Der Lenker von Deity liegt passt super zum Sight

Der Deity Ridgeline Lenker kommt in einer Breite von 800 mm (ich erinnere: All Mountain) und 25 mm Rise. Kombiniert wird er mit einem namenlosen, aber schicken Vorbau in 40 mm Länge. Die DMR DeathGrip Griffe kommen bei den Rahmengrößen L und XL in „Thick“.

Bodenkontakt

Norco kombiniert Shimano SLX Centerlock Naben mit e*thirteen LG1 Felgen. Auf diesen sitzt vorne der überragenden Maxxis Assegai 2.5″ Reifen mit 3C Maxx Terra Gummimischung und EXO+ Pannenschutz. Im Heck setzt man auf einen Maxxis Dissector 2.4″, ebenfalls mit 3C, Maxx Terra und EXO+.

Norco Sight
Maxxis liefert die Reifen

Setup

Bevor es mit solch einem Kaliber wie dem Norco Sight auf den Trail geht, muss das Fahrwerk natürlich erst einmal ein grundlegendes Setup erfahren. Der Hersteller bietet online nicht nur einen „Setup Guide“ an, welcher mit verschiedenen Abstimmungsvorschlägen für die Federung aufwartet, sondern gibt auf der Ride Aligned Seite umfangreiche Abstimmungstips von der Lenkerbreite, über den Reifendruck bis zum Fahrwerkssetup.

Ride Aligned CycleholixIch dachte mir, „fängste mal klein an“ und wählte mittels Schieberegler aus, dass ich über „Advanced“ Riding Skills“ verfüge:

„Advanced: Comfortable carrying speed in technical terrain. Drops off of ledges into rough sections of trail easily. Imperfect run-in / run-outs are negotiated without trauma. Increased speed in corners from the previous level, with the occasional drift. Can competently ride the entire trail network both at home and in places travelled to.“

Am Ende war diese Einstellung nicht das Optimum für mich, dazu aber später mehr….

Auf dem Trail

Auf dem Norco habe ich mich in Sachen Geometrie sofort sehr wohl gefühlt. Die Rahmengröße passte recht gut zu meiner Anatomie und Vorliebe, sodass ich schön zentriert im Sight platznahm. Die Sitzposition fühlte sich sehr effektiv an, was an dem vergleichsweise steilen Sitzwinkel und dem 485 mm langen Reach liegt. Mit dem vom Hersteller vorgeschlagenen Fahrwerkssetup sollte ich eigentlich den Berg gut hoch kommen – wenn nicht der Hinterbau, selbst bei aktivierter Dämpferplattform, vergleichsweise auffällig und rythmisch wippen würde. Auch beim Rollwiderstand der Reifen muss ich feststellen, dass Norco den Begriff „All Mountain“ doch etwas weitläufiger definiert. Lässt man es also etwas gemütlicher angehen, kommt man mit dem Sight dennoch gut die Berge hoch. Technische Anstiege ließen sich hervorragend bewältigen, und auch das Vorderrad blieb selbst bei steilen Anstiegen satt am Boden.

Norco Sight
Das Norco Sight C2 Shimano auf dem Trail

Auf dem Trail musste ich schnell feststellen, dass das vorgeschlagene Setup nicht ganz zu mir passte. Mir kam die Federung unewartet hart vor, was jedoch nicht aus zu hohem Luftdruck oder zu harter Dämpfung resultierte, sondern dem Gegenteil: Mir ist vor allem der Hinterbau bei vielen schnellen Schlägen auf dem Trail schnell bis auf die Endprogression durchgerauscht und ließ dort keine wirklichen Glücksgefühle aufkommen. Der Weg führte schließlich zur „Semi-Professional“- Einstellung. Was ein Kompliment :-D Im Grunde jedoch, war die Änderung gar nicht so groß: Die Highspeed Druckstufe und auch der Luftdruck in Reifen und Federung wurden leicht erhöht. Zusätzlich zum vorgeschlagenen Setup ergänzte ich einen Volumenspacer im Dämpfer.

Norco Sight
Bei sehr hochfrequenten Schlägen verhärtet das Heck leicht

So abgestimmt, wurde das Norco Sight zu einer echten Waffe auf schnellen und rauen Trails. Die Geometrie vermittelte einen sehr ausgewogenen Eindruck zwischen verspielt und „volle Attacke“. Der Hinterbau verhielt sich dabei sehr poppig an Absprüngen und gab genug Feedback über den Untergrund an den Fahrer weiter, um Speed und Position auf dem Rad anpassen zu können. Wenn es hart auf hart ging (z.B. am Bunkertrail oder Schöneben in Nauders) hatte das Fahrwerk genug Reserven aufzuweisen. Oftmals erwartete ich vom Hinterbau einen heftigen Durchschlag, vor allem wenn die Steine mal etwas größer waren. Unbegründet – der Hinterbau stellte den Federweg dann zur Verfügung wenn er benötigt wurde und verschenkte ihn nicht sinnlos. Auch auf kleine Unebenheiten reagierte das Heck schnell und aktiv. Lediglich auf hochfrequente Schlagfolgen von rasant gefahrenen Wurzelteppichen oder Steinfeldern reagierte das Heck mit leichtem Verhärten. Ich bin mir allerdings sicher, das dies mit penibler Abstimmung des FOX Float X2 verbessert werden kann.

Norco Sight
In Kurven passt die Geometrie sehr gut. Durch den zentralen Schwerpunkt lässt sich viel Grip generieren.

Das Norco gab allerdings auch den Ohren genug Feedback von der Streckenbeschaffung, denn das Rad war eines nicht: Leise! Obwohl die Züge Im Rahmen geführt und fixiert werden, klapperten Sie im massiven Unterrohr gut hörbar herum. Meiner Meinung nach sollten sich die Hersteller (Norco sind da nicht die einzigen) etwas mehr Mühe beim Verlegen und Fixieren der Züge geben. Überrascht hat mich leider auch die SLX Bremse in Punkto Geräuschentwicklung. Obwohl eigentlich lediglich die Ice-Tech Beläge der höherwertigen Bremsen ab der XT-Serie gerne einmal laut klappern, rappelten die herkömmlichen Beläge der SLX Bremse sehr laut im Bremssattel herum. Nachdem ich die Klammern der Beläge etwas aufgespreizt hatte wurde es besser, aber ganz leise wurden sie nicht. Dennoch überzeugte und die SLX Bremse einmal mehr durch ihre enorme Standfestigkeit auch im steilen alpinen Gelände.

Norco Sight
Das Norco Sight geht super in die Luft und verhält sich berechenbar.

Fazit

Wer den Uphill gerne gemütlich erklimmt um dann bergab die Kuh fliegen zu lassen, liegt mit dem Norco Sight C2 Shimano goldrichtig. Das Bike ist ein Spaßpartner wenn man es verspielt auf dem Trail krachen lassen möchte, ohne dabei auf Reserven verzichten zu wollen. Der Hinterbau arbeitet sehr gut, wippt bergauf aber selbst bei aktivierter Plattform etwas mehr als Konkurrenzprodukte. Das Sight fühlt sich im technischen Gelände, aber auch bei Highspeed pudelwohl und verleiht viel Sicherheit. Die Ausstattung ist vorbildlich gewählt, ohne große Schnitzer und Mogelpackungen. Wenig Bling Bling, dafür grundsolide und dem Zweck absolut angemessen.


Text und Fotos: Thorsten Illhardt
Mehr Infos: www.norco.com

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