Rock Shox Flight Attendant gegen Fox Live Valve – Wir lassen zwei absolute Schwergewichte gegeneinander antreten. Die Königsklasse im Bereich der Fahrwerke mit vollelektronischer Unterstützung lässt theoretisch keine Wünsche offen. Doch ist das in der Praxis ebenso? Für wen ist welches System am besten geeignet? Ist das jetzt der heilige Gral der Fahrwerke? Beide Systeme wurden umfangreich getestet, um diese Fragen zu beantworten.
Inhaltsverzeichnis
- Fox Live Valve – Daten und Fakten
- Rock Shox Flight Attendant – Daten und Fakten
- Die Unterschiede auf dem Papier und ein erster Vergleich
- Die Testkandidaten – Giant Trance X Advanced 0 und YT Jeffsy Uncaged 6
- Einstellungen – Möglichkeiten und Zugriff
- Butter bei die Fische – Ab auf den Trail
- Ok, was ist jetzt das bessere System und wem bringt es etwas?
- Fazit
Fox Live Valve – Daten und Fakten
Als man Ende 2018 die Bombe im Hause Fox platzen ließ, wurde die Vorfreude bereits im Vorfeld geschürt. Prototypen wurden hier und da gesichtet und auch erste Informationen über die nächste Evolution im Bereich der Fahrwerke sickerten durch. Und so waren dann auch die ersten echten Erfahrungen und Tests zurecht positiv, teils euphorisch. Aber die Entwicklung steht nicht still und seit der Veröffentlichung hat sich am System Fox Live Valve nicht wirklich viel geändert.
Live Valve besteht aus mehreren Komponenten, welche Gabel und Dämpfer unterstützen. Das sind primär die wichtigen Sensoren an der Gabel, dem Hinterbau und im Controller selbst, welche Neigung, Beschleunigung und Fall-Phasen erkennen. Dazu kommen noch weitere Faktoren, bei denen sich Fox aber nicht wirklich in die Karten schauen lässt. Gabel und Dämpfer sind mit magnetisch angesteuerten Ventilen versehen, die beide Komponenten nach Bedarf auf oder zu machen.
Gesteuert wird dies über einen Algorithmus auf dem angesprochenen Controller, welcher alle Daten auswertet und innerhalb von 3 Millisekunden die passende Entscheidung trifft. Der Controller selbst lässt sich dabei in 5 Stufen einstellen, welche einfach ausgedrückt dafür sorgen, wie lange euer Fahrwerk nach einem Impuls offen bleibt. Dabei ist Fox Live Valve durchaus in der Lage, die Impulse zu unterscheiden. Sprich es merkt, wann ihr einen Bunnyhop ansetzen wollt, oder wann ihr einen amtlichen Drop in Angriff nehmt.
Live Valve nimmt euch dabei die Arbeit nicht vollständig ab, denn ihr müsst SAG, Rebound und Lowspeed-Compression nach eurer Vorliebe einstellen. An Gabel sowie Dämpfer wird dies per Innensechskant erledigt. Den Rest erledigt dann der Controller und ihr müsst „einfach“ nur fahren.
Das komplette Fox Live Valve System ist kabelgebunden und wird in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Hersteller auf genau das Modell eingestellt, an welchem es verbaut wird. Zudem muss der Rahmen selbst für die Sensoren und den Controller vorbereitet sein. Der Controller bietet keine Möglichkeit für den Bluetooth-Zugriff per App.
Der Akku ist im Controller verbaut und reicht für gute 20 Stunden Trailspaß aus. Das ist übrigens so lange, dass man durchaus mal vergessen kann ihn zu laden. Sollte während einer Ausfahrt der Strom ausgehen, schaltet der Controller das Fahrwerk auf dauerhaft offen.
Rock Shox Flight Attendant – Daten und Fakten
Bei Rock Shox ließ man die Bombe jüngst in diesem Jahr platzen und geht einen etwas anderen Weg. Der offensichtlichste Unterschied ist, dass Rockshox Flight Attendant auf das AXS Protokoll setzt und dadurch keinerlei Kabel benötigt, was für einen sehr integrierten und aufgeräumten Look sorgt. Das sorgt auf der anderen Seite dafür, dass es rein technisch nicht an die extrem schnelle Reaktionszeit von 3 ms des Live Valve Systems herankommt. Kleiner Spoiler vorab – ist in der Praxis völlig irrelevant.
Die Sensoren des Flight Attendant Systems sind in den Steuereinheiten von Gabel und Dämpfer verbaut. Dazu kommt ein weiterer Sensor in der Kurbel. In der Theorie sorgt das dafür, dass man die Komponenten auch in jedes andere passende Bike stecken könnte. Abstriche müsste man wohl nur beim Dämpfertune machen, da dieses spezifisch auf den Hinterbau abgestimmt wird. Angesteuert werden die Komponenten übrigens über kleine Servomotoren, welche im Gegensatz zu Live Valve hörbar sind. Während der Fahrt gehen diese Geräusche allerdings komplett unter.
Eingestellt ist Flight Attendant noch schneller als Live Valve. SAG und Rebound, das war’s. Den Rest regelt die Elektronik und gibt euch dabei, wie von anderen AXS Komponenten gewohnt, den vollen Zugriff auf das System über die bekannte AXS-App. Grundsätzlich arbeitet das System in den Modi „Open“, „Pedal“ und „Lock“ und nach dem Prinzip „Allways Open„. Oder mit anderen Worten „Wenn du nicht kurbelst, ist das Fahrwerk aktiv“. Diese Modi können entweder direkt an der Gabel eingestellt werden, oder je nach Belegung über die AXS Trigger am Lenker.
Rockshox Flight Attendant benötigt keine speziellen Vorbereitungen am Rahmen, die Komponenten passen wie gesagt in der Theorie in jedes Bike. In der Praxis ist es aktuell nicht vorgesehen, die Komponenten einzeln zu kaufen, man bekommt sie nur in Kombination mit einem Komplettbike. Wie bei Live Valve ist die Anzahl an Herstellern, welche ihre Modelle mit Flight Attendant versehen überschaubar. Es ist aber durchaus denkbar, dass Rock Shox die Flight Attendant Komponenten in Zukunft auch einzeln anbietet.
Die Unterschiede auf dem Papier und ein erster Vergleich
Weiter in der Theorie. Vergleicht man jetzt beide Systeme, stellt man abgesehen von den offensichtlichen Dingen weitere Punkte fest. Fox Live Valve gibt es aktuell für Scott, Pivot, Rocky Mountain und Giant. Rockshox Flight Attendant für Trek, Specialized, YT und Canyon.
Eine Stromversorgung benötigen beide Systeme. Live Valve kommt dank Verkabelung mit einem Akku aus, Flight Attendant benötigt jeweils einen AXS Akku für Gabel und Dämpfer. Dazu kommen Knopfzellen für die AXS Trigger und eine AAA-Batterie für den Pedalsensor. Verbaut man wie aktuell von RockShox vorgesehen alle AXS Komponenten, dann kommen eine Menge Akkus und Batterien zusammen, die man aber dank App gut im Auge behalten kann.
Die AXS-Akkus sind dazu mehr oder weniger an jeder Ecke zu finden, falls man vergessen hat sie für den Bikeurlaub einzupacken. Da der Akku bei Fox im Controller steckt, dürfte das durchaus problematischer werden. Beide Systeme liefern ausreichend kapazität für einen längeren Zeitraum.
Live Valve kann separat gekauft werden, bringt aber nur am passende Bike etwas. Flight Attendant passt in der Theorie an jedes Bike, kann aber nicht separat gekauft werden. Beides irgendwie so befriedigend wie eine Pascha Flatrate im ersten Lockdown.
Zugriff per App auf das komplette AXS System und die Einstellungen. Keinerlei externer Zugriff bei Live Valve. Das ist sehr schade, aber warum genau das so ist, klären wir weiter unten.
Optisch trennen die beiden Systeme Welten. Live Valve wirkt mit seinen vielen Kabeln und dem zentralen Controller, der egal wo er am Rahmen sitzt, immer etwas deplatziert, wie eine Beta-Lösung. Das hat exakt Null Einfluss auf die sehr gute Funktionsweise, dürfte Freunden von „cleanen“ Aufbauten aber eher keine Freude bereiten.
Flight Attendant hingegen wirkt perfekt integriert und wie aus einem Guss. So bleiben am Ende noch exakt zwei Bremsleitungen übrig, welche wohl in absehbarer Zeit nicht digitalisiert werden.
Abschließend kann man einfach ausgedrückt sagen, dass Live Valve immer zu ist und bei Bedarf aufmacht. Flight Attendant macht es genau umgekehrt, was vor allem Freunde des gepflegten Bergab-Tiefflugs erfreuen dürfte. Beide Systeme haben einen klaren Fokus. Dieser steht für mich bei Fox im XC/All-Mountain—Bereich und bei RockShox im Trail/Enduro-Bereich.
Die Testkandidaten – Giant Trance X Advanced 0 und YT Jeffsy Uncaged 6
Um es direkt vorwegzunehmen, die zwei Kandidaten lassen sich nicht zu 100 % miteinander vergleichen. Zwar gehören beide in die Kategorie Trailbike, das Giant hat im Vergleich zum Jeffsy allerdings „nur“ 135 mm Federweg am Heck. Das „analoge“ Trance haben wir übrigens bereits im Test gehabt.
Das Jeffsy kommt vorne sowie auch hinten auf 150 mm und ist generell noch näher an einem Enduro als es das Trance X Advanced schon ist. Mir geht es aber eher um den direkten Vergleich der beiden Systeme, die Funktionen, die Bedienung und das „Look-and-Feel“.
Das Fahrwerk bietet bei beiden Kandidaten beste Trail/All-Mountain Komponenten. Das bedeutet beim Giant eine Fox 36 Factory und beim YT eine RockShox Lyrik Ultimate. Beide mit 150 mm Federweg, Fox in der Factory und RockShox in der Ultimate Version. Beim Innenleben wird es interessant, denn Fox verbaut in Kombination mit Live Valve eine Fit4 Kartusche. Die Lyrik kommt mit einer Kartusche, die auf der aktuellen Charger 2.1 RCT3 basiert, aber für Flight Attendant angepasst wurde. Die Highspeed Druckstufe kann also bei beiden Systemen nicht extern eingestellt werden.
Am Heck tendieren die Unterschiede abgesehen vom Federweg wieder Richtung Null, denn beide Kandidaten setzen auf das Maximum in Form eines Float DPX2 Factory beim Giant und einem Super Deluxe Ultimate beim YT. Mehr geht im Bereich der Luftfahrwerke aktuell weder bei Fox, noch bei RockShox.
Abgesehen vom Fahrwerk gehen beide Hersteller mit ihren Modellen „All-in“ und verbauen nur edelste Komponenten. Bei Giant ist es ein Mix aus XT und XTR und hochwertigen Carbon-Komponenten aus dem eigenen Hause. Bei YT kommen, wer hätte es gedacht, ausschließlich Komponenten von Sram zum Einsatz. Und zwar alles, was aktuell mit AXS zu haben ist. Kombiniert wird es mir edlen Crankbrothers Synthesis Laufrädern aus Carbon.
Unter dem Strich sorgt das dafür, dass man für das Giant 8.600 Euro und für das YT knappe 9.000 Euro auf den Tisch legen muss. Eine Menge Geld für die technologische Speerspitze im Bereich der Fahrwerke. Für das Modelljahr 22 ist das Trance x Advanced 0 allerdings nicht mehr in dieser Konfiguration zu haben.
Einstellungen – Möglichkeiten und Zugriff
Beide Systeme müssen vor der ersten Benutzung kalibriert werden. In beiden Fällen geht das schnell von der Hand. Bei Fox beschreibt es die Anleitung und bei RockShox steht die App zur Seite. Ist die Kalibrierung abgeschlossen müssen SAG und Rebound eingestellt werden. Also absolut kein Unterschied zu regulären Gabel und Dämpfern.
Damit könnt ihr eigentlich schon direkt auf den Trail. Beide Systeme können bei Bedarf noch in der Lowspeed-Druckstufe angepasst werden. Im Fall der Fox 36 liegt meine Empfehlung ganz klar auf „soft“, denn sonst gibt es recht viel Feedback an der Front. Dazu aber später mehr.
Das Flight Attendant System schaltet sich automatisch an, wenn das Bike bewegt wird. Es befindet sich quasi dauerhaft im Standby und ist eigentlich nur aus, wenn die Akkus entfernt wurden. Fox Live muss vor der ersten Fahrt angeschaltet werden, was mittels Drucktaste am Controller läuft. Da dieser sich unter dem Oberrohr befindet, muss man sich entweder herunterbeugen, um die LEDs zu sehen, oder man vertraut seinen Ohren. Denn Fox Live macht sich beim Einschalten durch ein leichtes klacken an der Gabel bemerkbar.
Flight Attendant hat ebenfalls eine akustische Komponente, welche aber eher ein surrendes Geräusch der Servomotoren ist. Abgesehen davon ist aber auch jederzeit klar ersichtlich in welchem Modus man sich befindet und ob das System aktiv ist. Der Controller an der rechten Gabelseite ist jederzeit im Blickfeld.
Modi und Einstellungen sind die wichtigsten Stichwörter, denn hier kommt der größte Unterschied beider Systeme zum Vorschein. Bei Live Valve kann ich die Sensitivität des Systems ins 5 Schritten einstellen. Auch das läuft über einen Drucktaster am Controller, geht mit ein wenig Übung auch blind von der Hand, ist aber dennoch irgendwie fummelig. Diese 5 Schritte sorgen dafür wann das System öffnet und wie lange es offen bleibt.
Mit anderen Worten gesagt, passt das Grundsetup welches Giant in Verbindung mit Fox für das spezifische Modell geschaffen hat nicht für mich, dann habe ich keine weitere Möglichkeit darauf zuzugreifen bzw. es zu ändern.
Flight Attendant geht hier einige Schritte weiter und setzt generell auf drei Grundmodi. Diese sind „Open“, „Pedal“ sowie „Lock“. Sie werden regulär im Automodus angesteuert, können bei Bedarf aber natürlich auch manuell gesetzt werden. Letzteres kann über die App, den Controller an der Gabel, oder den AXS Trigger am Lenker erfolgen. Zusätzlich dazu kann ich Einstellungen an der Druckstufe vornehmen oder mittels „Bias-Adjust“ die Tendenz des Systems anpassen. Also ob ich eher offene Fahrwerke bevorzuge oder straffe überwiegend geschlossene. Die Werkseinstellung ist neutral eingestellt, bietet also eine ausgewogene Mischung der drei Modi.
Ich habe mit Flight Attendant also vollen Zugriff auf mein Fahrwerk und dessen Verhalten, was für mich ein wichtiger Punkt ist. Denn wenn ich diese Summe für eine Technologie ausgebe, dann möchte ich auch den Zugriff darauf haben. Sram hat diesen Gedanken wunderbar umgesetzt und setzt obendrein nicht einmal zwingend die App dafür voraus. Alle genannten Einstellungen sind über den Controller an der Gabel möglich.
Butter bei die Fische – Ab auf den Trail
So, nachdem wir jetzt einen großen, theoretischen Exkurs hatten, kommen wir zur Praxis. Beide Systeme sind eingestellt und es kann losgehen. Beide Kandidaten wurden überwiegend auf lokalen Trails am Feldberg im Taunus und Burg Frankenstein nähe Darmstadt getestet. Hier bot sich alles, was das Herz begehrt und dank regelmäßiger Änderungen am Untergrund konnten beide Systeme zeigen, was in ihnen steckt.
Bergauf spielen Live Valve sowie Flight Attendant die ersten Stärken aus. Wobei Live Valve konsequent am Heck dicht macht, der Gabel aber noch Luft lässt, um auch bergauf noch etwas Komfort zu generieren. In diesem Zustand bleibt das System bis man den Gipfel erreicht hat. Das funktioniert derart gut, das ich im Fall des Giant den ohnehin schon kletterfreudigen Hinterbau noch einmal mehr schätze. Dabei ist Live Valve natürlich jederzeit in der Lage auch bergauf zu reagieren und bei Bedarf aufzumachen.
Das kommt dann zum Tragen, wenn es bergauf über Wurzeln oder verbocktes Gelände fährt. Einen „geschlossenen“ Dämpfer kann man hier nicht gebrauchen, denn er würde Traktion kosten. Dennoch hatte ich stets genug Gegenhalt, um die Kraft aus den Beinen auf den Boden zu bringen. Dieses reaktive verhalten bekomme ich mit einem analogen Dämpfer so nicht hin, es sei denn ich bediene ständig eine Fernbedienung am Lenker.
Flight Attendant wechselt je nach Steigung und Untergrund zwischen „Pedal“ und „Lock“, wobei der Fokus bergauf meist auf dem geschlossenen Modus liegt. Überraschend war für mich, wie ein Bike wie das Jeffsy so den Berg hochkommt. Es ist kein potentes Enduro, aber eben auch kein leichtfüßiges Trailbike. Unter Einsatz des Flight Attendant Systems klettert es aber erstaunlich agil den Berg hoch.
Das hat mich persönlich durchaus überrascht, da ich klar davon ausgegangen bin, dass man mit dem Giant die Hosen anhat. Aber das Jeffsy muss sich auf keinen Fall hinter den Klettereigenschaften des Trance verstecken, obwohl es über mehr Federweg verfügt. Verblocktes Gelände meistert es ebenso gut wie das Giant, generiert vielleicht sogar noch einen Tick mehr Traktion in kniffeligen Abschnitten.
Live Valve sowie Flight Attendant bringen also den Punkt der Bergauf-Effizienz auf ein neues Niveau. Dabei zeigen beide keine wirkliche Schwäche und sind sich ebenbürtig.
Bergab sieht die Welt anders aus, denn hier trennen sich Fox und RockShox in meinen Augen spürbar. Selbst wenn die 36 komplett auf „soft“ gestellt ist, ist sie weiterhin recht straff abgestimmt und wirkt vor allem in wurzeligen Situationen leicht überfordert. Es kommt zu viel Feedback beim Fahrer an, was für mich persönlich eine gewisse Unsicherheit bedeutet. Vor allem aber ist es ein Umstand, den ich von einer 36 so nicht gewohnt bin. Etwas Abhilfe schaffte ein SAG-Wert, welcher für meine Erfahrung mit knapp 30 % für eine 36 zu viel ist.
Die Lyrik ging hier spürbar komfortabler über den Trail, was sich vor allem in einer besseren Traktion zeigte. Das komplette Fahrwerk vermittelt das Gefühl von „Halt voll rein, ich bin bei dir„. Ob das jetzt an der speziellen Kartusche, den Buttercups oder den anderen Anpassungen im Vergleich zu einer analogen Lyrik liegt, kann ich nicht beurteilen. Warum? Weil es dieses Innenleben schlichtweg noch in keiner aktuellen Lyrik gibt. Aber alleine das erste Losbrechmoment der Gabel ist herrlich sensibel, was ich durchaus den Buttercups zuschreiben würde.
Die sind am Ende nicht mehr als ein Elastomer und eigentlich wusste man auch schon in den 90er, dass so etwas funktioniert. Aber da war der Rest der Fahrwerke irgendwie noch nicht so weit. Generell hat mich Flight Attendant am Ende des Trails weniger geschüttelt ausgespuckt als Live Valve. Mag das am Heck noch am unterschiedlichen Federweg liegen, ist dieses Argument an der Front nicht mehr anwendbar, wenn es also ordentlich rumpelt hat Flight Attendant in Kombination mit der angepassten Charger Kartusche für mich aktuell die Nase vorne.
Gleichauf sind beide wieder, wenn es in schnelle Anlieger oder flache Sektionen geht. Hier ist Flight Attendant meisten im „Pedal“ Mode, um ausreichend Popp zu generieren. Live Valve irgendwie auch, zeigt es mir aber nicht an. Ist in diesem Fall aber zu verschmerzen, weil es funktioniert. Anlieger sind mit beiden Systemen die Kirsche auf der Torte.
Mit der Ruhe eines Kettengetriebenen Allradfahrzeuges zieht man durch jeden Anlieger als gäbe es kein morgen. Beide Fahrwerke liefern hier einen sehr guten Support, welchen Flight Attendant ebenfalls mit „Pedal“ signalisiert. Ein Umstand der so ebenfalls mit analogen Fahrwerken nicht ohne weiteres umzusetzen ist, es sei denn ich bin generell recht straff auf dem Trail unterwegs.
Flugphasen und kleine Kicker können noch extra erwähnt werden. Vor allem, wenn man in leichten Anstiegen mit einem eigentlich geschlossenen Fahrwerk über kleine Sprünge zieht, machen beide Kandidaten in Bruchteilen auf und man landet sanft am Ende des Sprungs. Das Quäntchen mehr Popp bietet aber auch hier Flight Attendant.
Besondere Freude haben mir mit beiden Kandidaten kurze Gegenanstiege gemacht. Im Wiegetritt machen Live Valve sowie Flight Attendant zu und geben maximalen Support. Und zwar in einer Art und Weise wie man sie mit potenten Trailbikes so nur schwer erreichen kann.
Ok, was ist jetzt das bessere System und wem bringt es etwas?
Flight Attendant und Live Valve trennen drei Jahre. In drei Jahren tut sich viel in technologischer Hinsicht, weshalb man hier auch versuchen muss fair zu bleiben, was den Vergleich angeht. Bezüglich Funktion und vor allem Integration hat mich Flight Attendant spürbar mehr überzeugt. Das liegt zum einen an der nahezu perfekten Integration in den bestehenden AXS Mikrokosmos und zum anderen an der Performance bergab.
Live Valve arbeitet auf einem sehr hohen Niveau und es muss jetzt sicher kein Besitzer hastig sein Bike verbrennen oder verkaufen, aber Flight Attendant macht es einfach besser. Mehr Komfort, mehr Traktion, mehr Erlebnis und weniger Gedanken machen. Kombiniert mit dem Punkt des Zugriffs, auch wenn ich zu 95 % im „Auto“ Modus unterwegs gewesen bin.
Aber, und da wiederhole ich mich gerne, ich möchte bei einem so teuren Hobbyspaßgerät einfach den vollen Zugriff auf mein Fahrwerk haben. Ein Umstand den mir Fox nicht gewährt, was bei mir auf Unverständnis trifft.
Ja, Flight Attendant ist aktuell das bessere System. Mindestens so lange bis Fox ein Update für sein Live Valve System bringt. Und da der Markt ja nicht wirklich schläft, ist es durchaus denkbar, dass es nicht mehr lange dauern wird.
Allerdings kann zumindest dieser Punkt wohl bald zu den Akten gelegt werden. Meine Erfahrungen beruhen noch auf Version 1 des Live Valve Systems. Fox hat jüngst die Version 1.5 verabschiedet, welche in verschiedenen Modellen unterstützer Hersteller für 2022 integriert sein wird. Dabei gab es unter anderem Änderungen an Dämpfer sowie Gabel und, *Paukenschlag Bluetooth Unterstützung nebst passender App (welche bisher den Ebikes mit Live Valve vorenthalten war).
Dazu kommen unterschiedliche, wählbare Setups für das Bike. Sobald die Möglichkeit besteht die neue Version auf Herz und Nieren zu testen, kann sich das Ergebnis also ändern.
Wenn du jetzt im Herzen Nerd bist und immer den neusten Shizzel haben willst, dann ist das dein System. Stell SAG und Rebound ein, überlass den Rest der Elektronik und fühl dich als wärst du der Gott der Fahrwerke, auch wenn du bis heute nicht wirklich zwischen Rebound und Compression unterscheiden kannst.
Wenn du dich gerne mit deinem Fahrwerk auseinandersetzt, der Meinung bist, dass unterschiedliches Terrain auch unterschiedliche Einstellungen benötigt, aber keine Lust hast ständig Anpassungen vorzunehmen, dann solltest du in Erwägung ziehen in ein solches System zu investieren.
Wenn du einfach nur Spaß auf dem Trail haben willst, ohne dich überhaupt groß mit dem Thema Fahrwerk zu beschäftigen, dann bist auch du ein heißer Kandidat. Denn genau das liefern beide Systeme.
Ist mein analoges Fahrwerk jetzt Kernschrott und ich kann es nur noch an die Wand hängen? Auf keinen Fall, du musst dich nur einfach damit auseinandersetzen und es vernünftig einstellen. Aber das galt eigentlich schon immer. Reaktive Fahrwerke wie Live Valve oder Flight Attendant nehmen dir die Arbeit ab und du kannst dich auf das wesentliche konzentrieren. Maximalen Spaß auf dem Trail.
Ist ein elektronisches, reaktives Fahrwerk also besser als seine analogen Geschwister? Auf jeden Fall!
Fazit
Fortschritt ist klasse, Fortschritt macht Dinge in der Regel besser. Live Valve und Flight Attendant sind perfekte Beispiele für Fortschritt, da vor allem RockShox zeigt was drei Jahre mehr Entwicklung ausmachen. Elektronische Fahrwerke sind als Evolution gekommen um zu bleiben und sie verbessern das Erlebnis Mountainbiken spürbar. Dabei ist Live Valve als Pionier im breiten Markt nach wie vor sehr gut, schränkt den Nutzer aber gleichzeitig ein.
Mit Flight Attendant bietet RockShox hier das modernere, offene und ausgereiftere System für den ambitionierten Biker der durch modernstes Equipment ein neues Fahrerlebnis erhalten möchte.
Text und Redaktion: Patrick Frech, Robin Krings
Fotos: Thomas Kappel, Patrick Frech
Weitere Infos: Live Valve
Weitere Infos: Flight Attendant
[…] Unseren ausführlichen Vergleichtest zu Flight Attendant Vs. Live Valve gibt es hier […]