Die jenigen von euch die schon seit mehr als 10 Jahren Mountainbike fahren kennen das Thema: Federgabeln die viel versprechen, aber ihrem Ruf oft nicht gerecht werden. Ich selbst erinnere mich ans Jahr 2010, in welchem ich meine erste Boxxer R2C2 erhielt. Nach anfänglicher Begeisterung machte sich nüchtern das Gefühl von Enttäuschung breit: Die Gabel konnte durch mein Zutun den Federweg kaum nutzen, da sie auf der einen Seite zu unsensibel war, und auf der anderen Seite zu spiken begann, wenn sie doch einmal schnell die 200 mm freigeben sollte. Auch Gabeln eines anderen Herstellers konnten damals mit den Float oder gar Talas Modellen nur begrenzt überzeugen. Was haben wir mit verschiedenen Schmierölen und Shimstacks experimentiert, Buchsen kalibrieren lassen und Tuning verbaut…

Chickadeehill AWK im Test

 

AWK Aktion 3 Cycleholix
Foto: https://anatolkowalewski.com/

Diese Zeiten sind längst vorbei. Nahezu jeder Hersteller hat extrem gut funktionierende Produkte im Portfolio, wobei Gabeln mit Stahlfederung den Modellen mit Luftvolumen gewichen sind. Stahlfedern verhalfen den damaligen Modellen zu einem sensiblen Ansprechverhalten und einem annähernd linearen Kennlinienverlauf. Ersteres konnte bei modernen Luftgabeln mittels technischer Rafinesse wie Negativluftkammern und geringeren Toleranzen ausgeglichen werden. Der naturgemäß progressive Kennlinienverlauf von Luftgabeln hingegen blieb erhalten.

Prinzipiell ist ein progressiver Kennlinienverlauf auch nichts schlechtes, denn dieser sorgt für ausreichend Reserven im Fahrwerk, wenn es wirklich einmal zur Sache geht. Insbesonders moderne Fahrräder und Fahrstile mit viel Druck auf der Front benötigen ein gewisses Maß an Gegenhalt, um selbstbewusst und mit Nachdruck pushen zu können. So kommen wir zum Nachteil von Luftgabeln:

Das progressive Verhalten von Luftfederelementen beinhaltet, dass sich das Luftvolumen mit zunehmendem Druck weniger komprimieren lässt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nach dem Überwinden einer Initialkraft (Losbrechmoment) vergleichsweise wenig Kraft benötigt wird, bis zu einem Punkt, an welchem die Kennlinie stark ansteigt und der gewünschte Gegenhalt erzeugt wird. Federungshersteller stimmen somit Luftkammergrößen und andere Faktoren darauf hin ab, dass diese Rampe in der Kennlinie an der richtigen Stelle im Federwegsverlauf entsteht (Hinweis: Darum ist der vom Hersteller empfohlene Negativfederweg, beinflusst durch den Luftdruck, so wichtig einzuhalten). Ein großer Beeinflussungsfaktor dieser Kennlinie ist der Betriebsdruck der Gabel, welcher maßgeblich auf das Körpergewicht des Fahrers oder der Fahrerin abgestimmt wird. Bei einer FOX 38 hat die Luftdrucktabelle eine Bandbreite von 72 bis 127 PSI, welches ein Biker Gewicht von 54 bis 113 Kg abdeckt. Um innerhalb dieser Spreizung, verschiedenen Fahrstilen und weiteren Faktoren eine ideale, individuell passende Progression erreichen zu können, haben sich die gängigen Gabelhersteller einer einfachen Methodik bedient: Das Verkleinern der Primärluftkammer mittels Volumenspacern oder sogenannter Token. Wie sich die Verkleinerung der Luftkammer mitstarren Volumenspacern auf die Kennlinie auswirkt, sieht man in folgender Darstellung:

FOX 38 Kennlinie Cycleholix
Quelle: FOX Racing Shock

Hier kommen wir zu einem Nachteil: Je mehr die Luftkammer verkleinert wird, umso progressiver steigt die Kennlinie zum Ende hin an – wobei der Anfangsbereich der Kennlinie, den gleichen Luftdruck und Negativfederweg vorrausgesetzt, eher nachgiebig bleibt. Es entsteht dadurch die Tendenz, also bis zu einem gewissen Punkt durch den Federweg zu sacken, um dann im letzten Viertel in die harte Progession zu gelangen. Den Gabeln fehlt somit Support im mittleren Federwegsbereich, was folgendes Diagramm mit dem Vergleich einer progressiven Luftgabel und einer Stahlfedergabel verdeutlicht:

Chickadeehill AWK
Quelle: Chickadeehill

Was benötigen diese Gabeln also um möglichst früh eine steuerbare Progression zu erreichen? Die Antwort ist: Kompressible Volumenspacer. Hersteller haben diverse Ideen auf den Markt gebracht, wie beispielsweise Formular mit den komprimierbaren Neopos Spacern. Kurz nach deren Vorstellung wurde es bereits ruhig um diese Teile. Zu kaufen gibt es sie noch immer. Eine weitere Innovation ist die Vorsprung Luftkappe, welcher sich einer anderen Systematik bedient: Die Negativluftkammer wird vergrößert, wodurch die anfängliche Federrate reduziert wird. Dadurch kann wieder mehr Luftdruck in der Gabel gefahren werden, was einen besseren Support im mittleren Federweg zur Folge hat. Um nun die Kurve zum eigentlichern Thema, der Chickadeehill AWK zu bekommen, muss noch zwingend die EXT ERA Federgabel erwähnt werden, welche Serienmäßig das Prinzip der AWK aufweist und dadurch deutliche Vorzüge zu bieten hat.

AWK Action 1 Cycleholix
Foto: https://anatolkowalewski.com/

Das Prinzip der Chickadeehill AWK

AWK steht für AusWeichKammer, was nicht mehr bedeutet, als dass es eine zweite (sekundäre) positive Luftkammer gibt, welche mit einem beweglichen Trennkolben innerhalb der primären Luftkammer sitzt. Diese zweite Luftkammer wird mit deutlich mehr Luftdruck beaufschlagt als die erste. Die Funktion ist, dass ab einem gewissen Innendruck in der Positivkammer der Trennkolben der AWK in Bewegung gesetzt wird, und dieser nach oben hin ausweicht.
Um es einfach auszudrücken: Die AWK ist ein dynamischer Volumenspacer, welcher mittels Luftdruck justiert wird.
Das Volumen der AWK ist dabei so gewählt, dass dieser Crossover zwischen beiden Luftkammern ab circa der Hälfte des Federweges einsetzt, und somit ein spürbarer Support bereits im mittleren Federweg generiert werden soll. Chickadeehill haben die Idee hinter der AWK, einen Stahlfeder ähnlichen Federungsverlauf zu generieren, und geben folgende Kennlinie an:

AWK Coil Cycleholix
Quelle: Chickadeehill

Dies bedeutet, dass die Kennlinie der AWK bis zu einem sehr späten Punkt annähernd linear abgestimmt werden kann, und die nötige Endprogression sehr spät einsetzt. Ein Garant für sensibles Ansprechen, Support im mittleren Federweg und Endprogression gegen Durchschläge. Nur ob das funktioniert?

AWK Chickadeehill 1817 scaled Cycleholix

Die Chiackedeehill AWK

Zugegeben, an einer FOX 38 herumzumeckern ist nicht nur überheblich, sondern auch schon ein Wenig vermessen. Um es vorweg klarzustellen, ist für mich die 38 eine der besten Federgabeln auf dem Markt, wenn es um üppigere Federwege zwischen 160 und 180 mm gehen soll. Da ich allerdings zuvor eine EXT ERA V2 gefahren bin und mich aus anderen Gründen gegen diese Gabel entschieden habe, konnte ich mich sehr gut von der Funktion des Prinzips von zwei Luftkammern überzeugen. Für mich war es also eine Art logische Konsequenz, auch in der überragenden FOX 38 dieses Prinzip in Form der Chickadeehill AWK zu testen.

AWK Action 2 Cycleholix
Foto: https://anatolkowalewski.com/

Montage

Die Montage der AWK ist für Personen die ihre Gabeln selbstständig mit Volumenspacern versehen, sehr einfach. Wichtig ist, dass vor der Montage sämtliche Luft aus der Gabel abgelassen wird! Mit einer passenden Stecknuss ist die originale Kappe der Federgabel schnell entfernt. Um Kratzer und Macken zu vermeiden, sollte man penibel darauf achten nicht abzurutschen. Nachdem die Kappe entfernt ist, wird das Gewinde der AWK mit Gabelfett wie beispielsweise Slick-Kick benetzt und anschließend auf gleichem Wege eingeschraubt. Bevor nun die Gabelpumpe gezückt wird, sollten noch die Ventile der AWK ausgerichtet werden. Wichtig ist ausserdem, Rahmen und AWK Ventile auf Kollision zu überprüfen! Im Anschluss werden beide Luftkammern befüllt, wobei ich an der Stelle auf die detallierte Anleitung auf der Herstellerwebseite verweisen möchte.

AWK Chickadeehill 1833 scaled Cycleholix
AWK für FOX 38 im Vergleich zur herkömmlichen Luftkappe von FOX mit drei Volumenspacern
AWK Chickadeehill 1834 scaled Cycleholix
Mit passendem Maulschlüssel (Abhängig vom Gabelmodell) wir die originale Luftkappe im Handumdrehen gegen die AWK getauscht

Praxistest und Fazit

Ich persönlich bin mit fahrfertigen 86 Kg bei folgenden Luftdrücken gelandet:
Hauptkammer: 70 PSI
AWK: 135 PSI
Mit diesen Luftdrücken erreiche ich rund 20% Sag an meiner FOX38 Factory mit 170 mm Federweg. Das Ansprechen der Gabel ist nach wie vor überragend, sodass man meinen Könnte, die 38 saugt sich am Boden sprichwörtlich fest und ein Unterschied zur Serienversion ist nicht wahrnehmbar. Wo für mich die Vorteile zum Tragen kommen ist wenn es auf dem Trail schneller, und vor allem steiler wird. Um in diesen Situationen genügend Support zu erhalten, musste ich in ursprünglich mehr Luftdruck oder einige Volumenspacer fahren. Erstgenanntes ging zulasten der Sensibilität, doch auch eine höhere Anzahl Volumenspacer machten die Gabel nicht besser: Ich hatte oft das Gefühl, dass die Gabel oft zu schnell in die Endprogression lief. Mit der verbauten AWK konnte ich nun alles haben: Anfangssensibilität, bei gleichzeitigem Gegenhalt im mittleren Federwegsbereich und eine fein abgestimmte Endprogression. Somit gingen meine Anforderungen voll und ganz in Erfüllung.

AWK Chickadeehill 1828 scaled Cycleholix

AWK Chickadeehill 1824 scaled Cycleholix
Die AWK – im oberen Bild mit unkomprimierter Luftkammer, im unteren Bild komplett komprimiert

Wem würde ich zu diesem Tuning raten? Wie schon beschrieben, sind die FOX 38 und auch andere Produkte auf einem extrem guten Niveau und bedürfen wenig Verbesserung. Wer das allerletzte aus seinem Fahrwerk herauskitzeln möchte, oder vielleicht schon Erfahrungen mit Doppelluftkammersystemen sammeln konnte, findet mit der Chickadeehill AWK das bekannte Tüpfelchen auf dem i.
Fakt ist: Wer einmal eine Gabel mit Doppelluftkammer gefahren ist, möchte nicht mehr zurück. Allerdings sollte man sich mit der Funktionaliät auseinandersetzen – Plug & Play lautet hier nicht die Devise.


Herstellerwebseite: chickadeehill.de
Fotos: Anatol Kowalewski, Thorsten Illhardt
Text: Thorsten Illhardt

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