High-end meets High Voltage… oder so ähnlich. Immer nach dem Besten strebend hat sich Pivot entschlossen ein E-Mountainbike zu erschaffen, welches sich wie ein normales Mountainbike pedalieren lässt, aber dennoch die Unterstützung eines Motors bietet. Dies soll uns an Orte bringen, die wir sonst nur zu Fuß erreichen können. Um herauszufinden ob das gelungen ist, sind wir ins wunderschöne Montafon gefahren. Dort konnten wir unsere ersten Eindrücke über das Shuttle sammeln.
Quickcheck
- Gewicht für das Komplettbike 19,95 kg (Größe M)
- 140 mm Federweg am Heck über angepassten DW-Link
- 150 mm Fox 36 Factory Federgabel
- kompletter Carbonrahmen mit integriertem Akku
- Shimano Steps E8000 Motor und BT-E8010 Akku (504 Wh)
- 27,5“ Reifen mit bis zu 3“ Breite oder 29“ Reifen bis 2,5“ Breite
Produktvorstellung
Gleich beim ersten Anblick erkennt man: Das ist ein Pivot! Geschwungene Rohre und in der Sonne funkelndes Carbon haben einfach seinen Charme und mit genau diesem weiß Pivot immer wieder zu begeistern. Auf dicken 2,8“ Schlappen stehend und mit dem ins Unterrohr integrierten Akku und Motor wirkt es dabei schon sehr mächtig. Doch beim Anheben gab es die erste große Überraschung, knapp unter 20 kg! Dem nicht motorisierten Trailbiker mag das viel erscheinen, doch bei traillastigen E-Bikes ist das Shuttle damit aktuell Klassenbester.
Bei Antrieb und Bremse wird nichts dem Zufall überlassen und so verwundert es nicht, dass alles aus der Hand von Shimano kommt. So soll der Shimano Steps E8000 Motor für ein bisher nicht dagewesenes E-Bike Erlebnis sorgen, indem er das Kurbeln ohne ruckeln oder verzögern unterstützt wie man es teilweise von anderen Systemen kennt. Der dazugehörige Shimano BT-E8010 Akku mit 504 Wh Kapazität ist dank seiner schlanken Bauweise vollkommen im Unterrohr integriert und ermöglicht dadurch eine kompakte Bauweise des Rahmens. Durch die volle Integration des Akkus ist er zusätzlich gegen Schläge geschützt.
Für schnelle und knackige Gangwechsel soll die Shimano XT Di2 Schaltung sorgen, die die Kette mit höchster Präzision über die 11 Ritzel der 11/46 Shimano XT Kassette schubst. Als Stopper kommen die Shimano XT Bremsen mit einer 203 mm Bremsscheibe an der Front und 180 mm am Heck zum Einsatz.
Beim Fahrwerk wurde auf das Beste aus dem Hause Fox vertraut. So werkelt an der Front eine Fox 36 Factory Federgabel die 150 mm Federweg bereitstellt und am Heck der Fox Float DPX2 Factory Dämpfer der 140 mm Federweg aus dem für das Shuttle angepassten DW-Link generiert. Für den direkten Kontakt zum Untergrund sorgen die 35 mm breiten DT Swiss EB1550 Laufräder mit fetten 2,8“ breiten Maxxis Rekon+ Reifen.
Ihr wollt mehr Federweg oder ein 29er E-Bike? Auch kein Problem. Das Shuttle erlaubt an der Front bis zu 160 mm Federweg beziehungsweise den Einbau von 29“ Laufrädern mit bis zu 2,5″ breite.
So viel High-end hat natürlich seinen Preis und so schlägt das Pivot Shuttle mit satten 9.999,00 € zu Buche. Natürlich haben wir hier einen Preis vor Augen für den man sich einen neuen Kleinwagen leisten kann, betrachtet man die Konkurrenz im High-end Bereich kann man aber durchaus noch mehr Geld ausgeben. Wer auf eine günstigere Version hofft wird zunächst enttäuscht werden, doch schließt Pivot nicht aus eine günstigere Version nachzureichen.
Auch beim Shuttle wird auf das DW-Link Design vertraut. Ein logischer Schritt, da Pivot mit dem sehr antriebsneutralem DW-Link bisher sehr erfolgreich war. Die hohen Antriebskräfte des Motors erfordern allerdings ein besonderes Augenmerk und so wurde das DW-Link und der Dämpfer speziell für das E-Bike angepasst.
Geometrie
Draufsetzen, wohlfühlen! So lässt sich die Geometrie am schnellsten beschreiben. Etwas genauer ausgedrückt, erinnern Werte wie der flache 65,8° Lenkwinkel und ein Reach von 425 mm bei Rahmengröße „S“ an die Modelle Mach 5.5 und Firebird. Durchaus Bikes die einiges an Bergabpotential besitzen und uns neugierig auf die erste Abfahrt machen. Der 74° Sitzwinkel verspricht eine angenehme und effiziente Sitzposition für lange Tagestouren. Die für ein E-Bike 437 mm sehr kurzen Kettenstreben lassen auf eine gute Wendigkeit hoffen.
Fahreindrücke
Uphill
Früher die Pflicht, heute die Kür. Abseits der Forststraßen findet man mit dem Shuttle nicht nur bergab sein Glück, sondern auch vor allem bergauf. Was eigentlich ein gemütliches bergauf gleiten werden sollte wurde immer wieder zu einem Versuch was wir alles dank Motorunterstützung erreichen können. Je mehr Unterstützung wir hatten, desto schneller wollten wir dem Gipfel entgegen Sprinten. Dafür stehen uns mit dem ECO, Trail und Boost Modus 3 Stufen zur Auswahl.
Den ECO Modus könnte man auch als „Eisdielen – Modus“ bezeichnen. Gemütlich lässt es sich bis zu sechs Stunden in diesem Modus in der Ebene oder bei seichter Steigung dahingleiten und ist der ideale Begleiter, wenn man es nicht sonderlich eilig hat.
Ging es steiler und technischer zur Sache wurde es Zeit für den Trail Modus, der sich selbst in brenzligen Situationen, dank des gut erreichbaren Hebels, jederzeit zuschalten lies. Dank der sehr gut kontrollierbaren Power des Trail Modus lassen sich kleinere Absätze schier mühelos überfliegen. Das ging insgesamt soweit, dass wir uns mit Absicht „Uphill Challenges“ gesetzt haben, um zu schauen wie weit wir es treiben können und wir konnten es verdammt weit treiben! Das 348 mm hohe Tretlager hat sicherlich auch seinen Teil dazu beigetragen dass wir sehr selten in technischen Anstiegen mit den Pedalen aufgesetzt sind.
Dabei ist es überraschend, dass man seine normale Kletterposition beibehalten kann. Dank der ausgewogenen Geometrie wurden wir nur an steilsten Rampen dazu gezwungen uns weit nach vorne zu lehnen, damit das Vorderrad nicht steigt.
„Ich will Spaß, ich geb Gas!“ Genau so fühlt sich der Boost Modus an. Jede noch so leichte Pedalumdrehung wird mit brutalem Vortrieb belohnt. Das heißt aber nicht, dass man direkt nach hinten vom Rad abgeworfen wird.
Wer in den Boost Modus geht sollte aber möglichst vorher den richtigen Gang eingelegt haben, da der Motor in diesem Modus noch ca. eine halbe Sekunde nachläuft, was beim Schaltvorgang zu recht unschönen Geräuschen des Antriebsstrangs führt. Der Boost Modus eignet sich am besten für schier unüberwindliche Rampen, die nicht so technisch sind. Gerade in Spitzkehren haben wir uns mehr als einmal dabei ertappt, dass wir nur auf dem Hinterrad ums Eck gefahren sind.
Auf unserer „kleinen“ Runde sind wir aus Sorge nicht irgendwann ohne Strom dazustehen sehr viel im ECO und Trail Modus gefahren, was ausgereicht hat, um gemütlich 1000 Höhenmeter zu treten. Das wir am Ende noch 3 von 5 Balken Ladung hatten, hat uns schon ein wenig verblüfft und zeigt, dass wir viel Luft nach oben haben.
Downhill
Bergab ließ sich das Shuttle kaum aus der Ruhe bringen. Wie gewohnt arbeitet die Fox 36 auf allerhöchstem Niveau. Das Update für die 2018er Gabel lässt sie butterweich ansprechen sowie sehr plüschig und angenehm erscheinen. Gegen die Performance des DW-Link sah sie aber fast alt aus, so satt liegt der Hinterbau auf dem Trail. Kleinere Steine werden generell von den dicken Maxxis Reckon überrollt und man musste sich schon etwas dickeres suchen, um das Fahrwerk zum Arbeiten zu bringen. Lässt man das Gas einmal etwas mehr stehen fängt der Spaß erst so richtig an. Die Kombination aus Dämpfer, Plus Reifen und dem DW-Link saugt sich förmlich an den Boden. Schon beim Parkplatztest waren wir von der Federung begeistert, was sich auf dem Trail absolut bestätigt hat. Das spezielle Dämpfertune des Float DPX2 zahlt sich hier komplett aus. Wir hatten nie das Gefühl, dass der Hinterbau überdämpft wäre und das obwohl er gegen die starken Antriebskräfte des Motors gegenhalten muss.
Sehr zu unserer Freude war das Shuttle in allen Fahrsituationen extrem leise und unauffällig. Dank interner Zugverlegung und der Klemmung an den Rahmenausgängen haben wir kein klappern der Züge wahrnehmen können. Auch der Motor hat im Betrieb nur ein seichtes Brummen von sich gegeben. Positiv überrascht hat uns auch der sehr steife Rahmen und die Laufräder, die weder im Boost Modus noch bei Schräglage in Kurven nachgegeben haben.
Das Shuttle lässt sich für ein E-Bike überraschend spielerisch fahren und geht auch mit angehobenem Hinterrad gut ums Eck. Dabei spürt man aber deutlich den Gewichtsunterschied zu seinen nicht motorisierten Brüdern, was sich in einem leichten Schieben des Rades bemerkbar macht. Die an unserem Testbike verbaute 180 mm Bremsscheibe an der Front kam uns dabei ein wenig unterdimensioniert vor. Für die Serie wurde hier nachgebessert und zukünftig eine 203 mm Bremsscheibe verbaut.
Für wen ist nun dieses Bike interessant und für welchen Einsatzzweck ist es gedacht? Die Geometrie geht eindeutig in die Trail bis Enduro Kategorie und nach unserer Erfahrung gehört es auch genau dort hin. In den zwei Tagen, die wir das Shuttle testen durften wurde es primär in steilem und sehr technischen, alpinen Gelände bewegt und hat sich dabei hervorragend geschlagen. Auf flowigen und tretlastigen Passagen haben wir uns mit dem Boost Modus regelrecht aus den Kurven katapultiert. Den typischen verblockten und schnellen Enduro Trail haben wir leider nicht testen können, doch sind wir nach unserer Erfahrung guter Dinge, dass das Shuttle auch dieses Terrain sehr gut meistern wird.
Pivot hat sein Ziel unserer Meinung nach voll und ganz erreicht und ein E-Bike auf die Beine gestellt, welches sich nahezu identisch wie ein normales MTB pedalieren lässt und bergab sehr viel Sicherheit vermittelt.
Fazit
Bergauf fahren hat noch nie so viel Spaß gemacht. Der neue Shimano E8000 Motor hält absolut was er verspricht und erlaubt ein sehr natürliches Gefühl beim Pedalieren. Gepaart mit dem von Pivot gewohnt satten Fahrwerk stellt man sich freiwillig jeder Uphill Challenge und kommt schon mit einem Grinsen im Gesicht auf dem Berg an, bevor man mit noch mehr Spaß wieder bergab sticht.
Fazit eines E-Bike Neulings: „Leider Geil!“
Text: Thomas Kappel
Bilder: Stephan Peters Design
weitere Informationen: Pivot Cycles