Der Name Reign steht bei GIANT Bicycles seit vielen Jahren für potente Enduro Mountainbikes, die seit dem Modelljahr 2020 auch in Form des Reign E+ mit elektrischer Unterstützung, 160 mm Federweg und 27,5″ großen Laufrädern angeboten wurden. Im August 2021 folgte dann die Überarbeitung oder vielleicht besser die „Neuauflage“ des Reign E+, denn schließlich wurden nicht nur Kleinigkeiten verändert, sondern ein komplett neues Bike entwickelt, dass außer der GIANT MAESTRO Federung nicht mehr viel mit dem Vorgänger gemein hat.
GIANT Reign E+ 2022 – Die Eckdaten und Neuerungen
Mountainbikes haben seit vielen Jahren einen sehr guten technisch Stand erreicht, sodaß ein neuer Jahrgang oft nur mit kleinen Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahresmodell aufwartet. Richtig gute E-Bikes sind erst seit einigen Jahren auf dem Markt und so ist es nicht verwunderlich, dass das Potenzial für Verbesserungen in vielen Bereichen noch deutlich größer ist. Der aktuelle Jahrgang des neu aufgelegten GIANT Reign E+ macht hier keine Ausnahme. Kurz zusammengefasst: Neuer Motor, neue Bedieneinheit, größerer Akku, neuer Rahmen, neue Geometrie und Mullet Laufräder. GIANT hat damit viele der aktuellen E-Bike Trends für die Neuauflage des Reign E+ berücksichtigt.
Der neue SyncDrive Pro-Motor wurde gemeinsam mit Yamaha entwickelt. Er liefert jetzt ein maximales Drehmoment von bis zu 85 Nm. Viel wichtiger ist jedoch, dass der neue Antrieb mit 2,7 kg deutlich leichter als das alte Modell geworden ist und dank der kompakteren Bauweise dem neuen Reign zu insgesamt 37 mm mehr Bodenfreiheit verhilft.
Versorgt wird der Motor mit dem neuen EnergyPak Akku, der je nach Modell über 625 Wh oder 750 Wh verfügt. Für den Ladevorgang hat man als Reign E+ Besitzer die Möglichkeit, den Akku im Bike zu belassen und die Ladebuchse direkt über den Motor zu nutzen oder den Akku zu entnehmen und dann in der Wohnung zu laden. Hierzu kann die Kunststoffabdeckung unter dem Unterrohr werkzeuglos entfernt werden, dann mit einem kleinen Torx Schlüssel auf der linken Seite des Unterrohrs der Akku gelöst und per Hand entriegelt werden.
Die Steuerung des Antriebs kann wahlweise über fünf manuelle Unterstützungstufen (Eco, Basic, Active, Sport, Power) oder über GIANTs SmartAssist-Modus erfolgen. SmartAssist steht für einen Automatikmodus, bei dem insgesamt sechs Sensoren darüber entscheiden, wieviel Unterstützung der Antrieb liefert. Dabei nutzt SmartAssist abhängig von der eingebrachten Pedalkraft die gesamte Bandbreite der Motorunterstützung ohne zwischen den manuellen Stufen hin und her wechseln zu müssen.
Die RideControl Go-Einheit ist ebenfalls eine Neuentwicklung. Formschlüssig in das Oberrohr eingefasst, beinhaltet sie den Ein/Aus-Knopf sowie fünf LEDs für den Akkustand (rechts) und fünf LEDs für den Unterstützungs- bzw. SmartAssist-Modus (links)
Ebenfalls neu ist RideControl Ergo 3 Lenkereinheit, die dank passender Griffe für ein sehr cleanes Cockpit sorgt. Die drei Tasten können über die RideControl App einzeln konfiguriert werden.
GIANT RideControl App
Über die RideControl App lassen sich nicht nur Touren planen und aufzeichnen, sondern insbesondere einige Einstellungen des GIANT Reign E+ anpassen. So kann in den SyncDrive Motor Einstellungen direkt Einfluss auf die einzelnen Unterstützungsstufen genommen werden. Für jede Stufe stehen drei prozentuale Unterstützungswerte zur Wahl.
Ebenso lässt sich die RideControl Ergo 3 Lenkereinheit anpassen. Hier kann bspw. die Laufunterstützung (Schiebehilfe) auf Taste 2 gegen die Aktivierung des SmartAssist-Modus getauscht werden.
Die Geometrie des GIANT Reign E+ und „Mixed Wheels“
Mit dem Update bei der Laufradgröße geht GIANT einem weiteren aktuellen Trend nach. Nachdem das erste Reign E+ auf 27,5″ Laufrädern an Front und Heck rollte, gehört das neue Modell jetzt zur immer stärker wachsenden Gruppe der sogenannten Mullet Bikes. Das Vorderrad ist auf 29″ angewachsen und soll damit für mehr Grip an der Front und ein besseres Überrollverhalten sorgen. Das Hinterrad ist mit einem Durchmesser von 27,5″ im Vergleich zum Vorgänger unverändert geblieben. Dank des kompakter bauenden Motors konnte jedoch der Hinterbau des Reign E+ um satte 19 mm verkürzt werden, was sich positiv auf die Wendigkeit und Agilität des Reign auswirken sollte.
Keine Veränderung gibt es beim Hinterbausystem. Hier setzt GIANT auf das bekannte und bewährte MAESTRO System, bei dem der Hinterbau über zwei rotierende Umlenkungen mit dem Hauptrahmen verbunden ist. Am Aluminium Rahmen des Reign E+ werden damit 160 mm Federweg generiert.
Die Geometrie des neuen GIANT Reign E+ wurde grundlegend überarbeitet. Zudem kann sie dank Flip-Chips in der oberen Dämpferanlenkung schnell und unkompliziert verstellt werden. Im standardmäßig eingestellten Low-Setting wurde das neue Reign E+ sportlicher und konsequenter auf höhere Geschwindigkeiten ausgerichtet. Der Lenkwinkel beträgt jetzt flache 63,7° und das Tretlager sitzt mit einer Absenkung von 25 mm insgesamt 10 mm tiefer als beim alten Modell. Auch die kürzeren Sitzrohre verleihen dem Reign ein insgesamt „flacheres“ Erscheinungsbild.
Die Reach-Werte sind über alle Rahmengrößen gewachsen und der Sitzwinkel ist mit 76,7° selbst in der flachen Einstellung steiler geworden. In der hohen Geometrieeinstellung kann der Sitzwinkel sogar auf steile 77,5° erhöht werden.
Eine weitere Verbesserung zeigt sich bei den Kettenstreben. Waren diese beim Vorgänger des Reign E+ mit 470 mm (ja… richtig gelesen… 470 mm) sehr lang, konnten Sie dank des kompakteren Motors verkürzt werden. Der Radstand ist daher im direkten Vergleich sogar bei jeder Rahmengröße – insbesondere bei den kleineren Rahmen – kürzer geworden.
GIANT Reign E+ 1 – Geometrie
Rahmengröße | S low | high |
M low | high |
L low | high |
XL low | high |
Sitzrohrlänge [mm] | 400 | 425 | 450 | 475 |
Sitzwinkel | 76,7° | 77,5° | 76,7° | 77,5° | 76,7° | 77,5° | 76,7° | 77,5° |
Oberrohrlänge [mm] | 569 | 568 | 595 | 594 | 622 | 621 | 649 | 648 |
Steuerrohrlänge [mm] | 100 | 100 | 110 | 120 |
Lenkwinkel | 63,7° | 64,5° | 63,7° | 64,5° | 63,7° | 64,5° | 63,7° | 64,5° |
Gabel Offset [mm] | 44 | 44 | 44 | 44 |
Radstand [mm] | 1209 | 1210 | 1236 | 1237 | 1265 | 1266 | 1295 | 1296 |
Kettenstrebenlänge [mm] | 454 | 454 | 454 | 454 |
Tretlagerabsenkung [mm] | 25 | 15 | 25 | 15 | 25 | 15 | 25 | 15 |
Stack [mm] | 636 | 632 | 635 | 632 | 645 | 641 | 654 | 650 |
Reach [mm] | 425 | 430 | 450 | 455 | 475 | 480 | 500 | 505 |
Überstandshöhe [mm] | 785 | 789 | 772 | 776 | 771 | 775 | 768 | 772 |
Lenkerbreite [mm] | 800 | 800 | 800 | 800 |
Vorbaulänge [mm] | 40 | 40 | 50 | 50 |
Kurbelarmlänge [mm] | 160 | 160 | 165 | 165 |
Raddurchmesser [mm] | F29″ / R27.5″ | F29″ / R27.5″ | F29″ / R27.5″ | F29″ / R27.5″ |
Quelle: GIANT
GIANT Reign E+ 1 – Das Bike für den Test
Für unseren Test hat uns GIANT Deutschland das Reign E+ 1 mit dem 625 Wh Akku in der Farbe Good Grey und Rahmengröße L zur Verfügung gestellt. Die UVP für das Reign E+ 1 liegt bei 6.399,- EUR. Für alle, die mehr Reichweite wünschen wird das Reign E+ 1 alternativ mit dem 750 Wh Akku angeboten, den es sonst nur im Topmodell Reign E+ 0 gibt. Die UVP liegt in diesem Fall bei 6.749,- EUR.
Die Highlights des GIANT Reign E+ 1 bestehen zweifelsohne in der konsequent auf Funktion ausgerichteten Ausstattung. Die wuchtige Fox 38 Performance Elite Federgabel mit 170 mm Federweg verfügt über eine Grip2 Dämpfungseinheit mit der Möglichkeit High- und Low-Speed für die Druck- und auch die Zugstufendämpfung anzupassen. Am Heck arbeitet ein Fox X2 Performance Elite Dämpfer mit einfacher Low-Speed Zug- und Druckstufenanpassung sowie einem Hebel zur Schnellverstellung der Druckstufe, um auf flachen Wegen und langen Kletterpassagen mehr Ruhe ins Heck zu bringen.
Für Vortrieb und Verzögerung wird auf Komponenten von Shimano gesetzt. Schaltwerk, Schalthebel und die Bremsen mit 203 mm großen Bremsscheiben kommen aus der aktuellen XT M8100 Gruppe. Lediglich beim 12-Gang Ritzelpaket mit einer Bandbreite von 10-51 Zähnen wird auf die SLX Gruppe zurückgegriffen.
Für ordentlichen Grip sollen Maxxis Reifen in der 3C MaxxTerra Mischung sorgen. Hier ist besonders erfreulich, dass Giant zumindest am Hinterrad einen 2.5er Maxxis High Roller II mit der robusten DD – DoubleDown Karkasse verbaut, was bei dieser Kategorie Bike absolut Sinn ergibt. Am Vorderrad wird es mit einem 2.6er Minion DHF ein wenig voluminöser und mit der EXO+ Karkasse etwas leichter.
Bei der restlichen Ausstattung greift Giant auf hauseigene Komponenten mit dem Label Contact zurück. Auffällig ist dabei nur die Sattelstütze die bei Rahmengröße L mit „nur“ 150 mm Hub auskommen muss. Platz genug wäre da, denn dank des durchgehenden Sitzrohrs, könnten auch Sattelstützen mit deutlich mehr Hub verbaut werden. Insgesamt stehen knapp 370 mm Einschubtiefe im Sitzrohr zur Verfügung.
GIANT Reign E+ 1 – Ausstattung
Rahmen: | AluxX SL Hauptrahmen, Maestro Hinterbau mit Geometrie Flip-Chip, Carbon Umlenkwippe, Integrierter Speed Sensor, EnergyPak Plus kompatibel, 160 mm Federweg, 12 x 148 mm |
Dämpfer: | FOX Float X2 Performance Elite EVOL, 205×62.5mm Trunnion mount, custom tuned |
Gabel: | FOX 38 Float Performance Elite, GRIP2 VVC Dämpfung, 170mm Federweg, Boost 15x110mm, e-Bike optimized |
Motor: | SyncDrive Pro2, 85Nm, powered by Yamaha |
Bedieneinheit: | RideControl GO + / RideControl Ergo 3 |
Displayeinheit: | SG Display kompatibel, RideDash Plus kompatibel |
Akku: | EnergyPak Smart Integrated 625 Wh / EnergyPak Plus kompatibel |
Ladegerät: | EnergyPak Smart Charger, 6A |
Schaltwerk: | Shimano Deore XT M8100 Shadow+, 12-fach |
Schalthebel: | Shimano Deore XT M8100, I-spec EV |
Kettenführung: | MRP 1X HD2Custom Kettenführung |
Bremsen: | Shimano Deore XT, BR-M8120 (4-Kolben), 203mm |
Bremshebel: | Shimano Deore XT BL-M8100, I-spec EV |
Kassette: | Shimano SLX CS-M7100, 10-51T |
Felgen: | GIANT e-TR1 29″/27.5″, Tubeless Ready, 30mm Innenweite |
Naben: | GIANT e-TR1 |
Speichen: | GIANT e-TR1 |
Reifen: | Maxxis Minion DHF 29 x 2.6″ faltbar, Tubeless, EXO+,3c MaxxTerra / Maxxis Highroller II 27.5 x 2.5″ faltbar, Tubeless, DoubleDown, 3C MaxxTerra Auslieferung mit Schlauch |
Kurbel: | Praxis e-Cadet+ |
Kettenblatt: | Praxis Wave 36T Kettenblatt |
Kette: | KMC e.12 Turbo, EcoProteq, e-bike optimized |
Vorbau: | GIANT Contact SL 35 |
Lenker: | GIANT Contact 35 Trail, 20mm rise |
Griffe: | GIANT Tactal single lock-on |
Sattel: | GIANT Romero |
Sattelstütze: | GIANT Contact Switch Vario-Stütze, 30.9mm (S:100mm, M:125mm, L:150mm, XL:170mm) |
Pedale: | Flatpedal |
Zubehör: | Tubeless Kit |
Max. zulässiges Gesamtgewicht: | 156 kg |
Quelle: GIANT
Auf dem Trail mit dem Reign E+ und dem neuen Antrieb
Das Bike vermittelt schon kurz nach dem ersten Aufsitzen ein sehr souveränes Gefühl. Bei einer Größe von 182 cm und einer Innenbeinlänge von 86 cm fühlt sich das Testbike in Größe L genau richtig an. Insbesondere im Low Setting steht man schön mittig „im“ Bike. Entsprechend läuft das Reign sehr sicher geradeaus und lässt sich durch den tiefen Schwerpunkt auch gut in die Kurve legen. Einmal gewählte Linien lassen sich jederzeit mühelos halten. Der 800 mm breite Lenker und der 50 mm langen Vorbau tragen ebenfalls zu diesem sicheren und spurtreuen Fahrgefühl bei, da man mehr oder weniger von selbst immer ausreichend Druck auf das Vorderrad bringt und dieses sehr sicher dem Trail folgt.
Die Sitzpostion auf gemäßigten Trails und flachen Verbindungsstücken fühlt sich sich selbst im Low-Setting mit dem gemäßigteren Sitzwinkel sehr kompakt und aufrecht an. Das ändert sich auch nicht, wenn man den Sattel möglichst weit nach hinten schiebt. Für ein potentes Enduro Bike ist diese Position aber auch nicht untypisch. Sobald es bergauf geht, sitzt man schön weit vor dem Hinterrad und die Front bleibt lange am Boden.
Im High-Setting geht das Giant Reign E+ noch besser den Berg hoch, da es den Fahrer noch ein kleines Stück weiter vorne über den Pedalen positioniert und ein Zentimeter mehr Bodenfreiheit vorhanden ist. Bei technischen Passagen spart man sich somit den ein oder anderen ungewünschten Bodenkontakt. Auch der steilere Lenkwinkel verhilft dazu, das Reign etwas leichter um enge Kehren zu manövrieren. Allerdings sollte man nie vergessen, dass man ein knapp 25 kg schweres E-Mtb mit immer noch abfahrtslastig ausgelegter Geometrie den Berg hinauf bewegt. Dafür geht das Handling absolut in Ordnung. Leichtere Trail E-Mountainbikes können das aber schlichtweg besser.
Kommen wir an dieser Stelle zu einem nicht unwichtigen Teil des GIANT Reign E+: Dem neuen SyncDrive Pro Antrieb.
Der neue Motor zeigt direkt, dass ausreichend Kraft in allen Lebenslagen bereitgestellt werden kann. Mit seinen insgesamt fünf Leistungsstufen ist die maximal gewünschte Unterstützung gut zu dosieren und die 25 km/h Marke auf flachen Abschnitten schnell erreicht. Akustisch macht der Motor mit einem leicht mechanischen Surren auf sich aufmerksam, welches ich als nicht störend bewerten kann. Ebenfalls recht mechanisch klingt der Motorfreilauf. Sobald sich die Kurbel rückwärts dreht, hört man ein satt einrastendes Klicken des Freilaufs. Das war es dann aber auch mit den Geräuschen, denn das bei anderen Herstellern teilweise recht nervige Motor-Klackern tritt beim GIANT SyncDrive Pro nicht wahrnehmbar auf. Sehr schön!
Der SmartAssist-Modus lässt sich, ohne weitere Anpassungen in der RideControl App, über zweimaliges Drücken des Ein/Aus-Knopfs aktivieren. Soll es flott durch anspruchsvolles Gelände gehen, hat sich der Automatikmodus schnell als das Mittel der Wahl erwiesen. Einmal aktiviert muss man sich keine Sorgen mehr über die Auswahl einer geeigneten Fahrstufe machen. Zumindest in der Theorie… Denn mir ist es in den letzten Wochen bei kühlen Temperaturen und dickeren Handschuhen des öfteren passiert, dass ich im Eifer des Gefechts an einen der Taster der RideControl Ergo 3 gekommen bin und der Automatikmodus deaktiviert wurde. Kein Beinbruch, aber manchmal etwas überraschend, da die Tasten an der Lenkereinheit recht leichtgängig sind.
Diese Leichtgängigkeit und das etwas geringe Feedback der einzelnen Taster macht sich auch bemerkbar wenn es berghoch nicht mehr ausreicht und die Laufunterstützung zum Einsatz kommt. Diese ist nach einem Doppelklick auf die mittlere Taste der RideControl Ergo 3 aktiviert und es kann vorangehen, sobald die obere Taste gehalten wird. Eben dieses permanente Festhalten der oberen Taste ist mir auf schwierigeren Schiebestücken nicht immer gelungen. Meine dickeren Winterhandschuhe spielten hierbei definitiv eine Rolle, wobei auch die Position der Taste nicht perfekt mit dem linken Daumen zu erreichen ist, wenn man gleichzeitig das Vorderrad über Wurzeln heben möchte.
Die Leistungsentfaltung des Antriebs fühlt sich angenehm und gleichmäßig an. Bereits im Stand mit dem Fuß auf dem Pedal spürt man, dass der Motor unmittelbar Kraft aufbaut und an der Kette zieht. Möchte man im steilen Gelände anfahren, profitiert man entsprechend direkt von der Motorunterstützung. Unabhängig von der Unterstützungsstufe haut der Motor aber nicht direkt die volle Kraft auf die Kette, sondern baut diese gleichmäßig bis zum maximal vorgegebenen Wert auf. Für mich persönlich eine sehr gute Eigenschaft, da ich grundsätzlich ein natürliches Fahrgefühl bei E-Bikes bevorzuge. GIANT hat dies mit dem neuen Antrieb gut umgesetzt. Wird die Pedalkraft reduziert, lässt auch die Motorunterstützung schnell nach. Schaltvorgänge lassen sich damit auch am Berg gut timen auf schwierigen Trailabschnitten lässt sich die Kraft gut dosieren.
Der SmartAssist-Modus ist für sehr viele Trails die geeignete Lösung. Im Gegensatz zu den manuelen Stufen, ist mir während des Tests im SmartAssist-Mode aufgefallen, dass der Antrieb sich bei langsamer Trittfrequenz teilweise etwas mehr Zeit gönnt, um so richtig anzuziehen. Dies trat jedoch sehr selten auf und störte daher nicht sonderlich.
Ausnahmen, in denen ich die einzelnen Unterstützungsstufen bevorzuge gibt es dennoch. Hierzu zählen Forstwege und leichte Anstiege, da mir persönlich der Automatikmodus für solche Abschnitte zu viel Unterstützung bietet und das Bike unmittelbar an der 25 km/h Grenze „hängen bleibt“. Und gerade an dieser 25 km/h Grenze ist je nach Gelände und Pedalkraft ein kurzes Nachschieben des Antriebs spürbar. In diesem Bereich wäre weniger Kraft des Antriebs wünschenswert, um dieses Phänomen (wenn auch wirklich nur minimal im direkte Vergleich zu anderen Motoren spürbar) zu unterbinden und das bike etwas gleichmäßiger voranzutreiben. Aber genau für diesen Fall, hat GIANT mit den insgesamt 5 anpassbaren manuellen Stufen eine passende Lösung parat. Denn mit diesen lässt sich schnell eine Stufe wählen, bei der man mit angenehm runden Tritt knapp unter den 25 km/h verbleiben kann.
Ich habe beispielsweise nach den ersten Ausfahrten die Unterstützung in den drei kleineren Stufen auf den kleinsten Wert gestellt, um auf längeren Verbindungsstücken gleichmäßig im Tritt zu bleiben. Die Stufen Active und Power hingegen habe ich nur recht selten aktiviert und stattdessen SmartAssist genutzt.
Einen Wunsch hätte ich dann aber doch noch für die Zukunft des SyncDrive Pro: Einen „anpassbaren“ Automatikmodus. Dieser kommt mir (und es gibt deutlich fittere Leute als mich) etwas zu schnell bei der vollen Unterstützung an. Für mich wäre es ein echter Mehrwert, wenn ich über die RideControl App konfigurieren könnte, in welchem Verhältnis der Motor meine Pedalkraft auch im Automatikmodus unterstützt.
Es geht den Berg hinunter
Das ist jetzt keine Überraschung: Das Reign läuft extrem gut den Berg hinunter. Dabei bevorzugt es direkte Linien und gleichmäßige Kurven, denn das Gewicht des Reign lässt sich nicht wegdiskutieren. Dennoch war ich positiv beeindruckt, wie gut sich das Reign dank des kürzer gewordenen Hecks durch Kurven zirkeln lässt. Selbst in den durchweg kalten und nassen Wochen letzten Wochen, hatte ich sehr wenig mit Vorderrad-Rutschern zu kämpfen, was ich erneut der zentralen Position auf dem Bike in Verbindung dem dem 29″ Vorderrad zuschreiben möchte. Einmal in Schräglage liegt das Reign sehr ruhig und nahezu gelassen auf dem Trail. Die Verspieltheit eines All-Mountain E-Bikes sucht man beim Reign jedoch vergebens. Das merkt man bereits beim Versuch das Vorderrad über längere Passagen anzuheben, was deutlich mehr Einsatz als bei kürzeren oder leichteren Bikes erfordet. Ein Preis, den Freunde von hohem Tempo und sattem Fahrgefühl sicherlich gerne in Kauf nehmen.
Selbstverständlich trägt auch das Fahrwerk des Reign E+ einen entscheidenden Teil zur Abfahrtsperformance bei. Entsprechend verrichten die Fox 38 und der Fox Float X2 einen hervorragenden Job. Das aus meiner Sicht etwas straffere Grundsetup des Fox Fahrwerks führt selbst bei 20 % Negativfederweg an der Front und 30 % am Heck zu einem schön direkten Fahrverhalten, sodass man trotz viel Federweg ausreichend Feedback vom Untergrund erhält. Der progressive Hinterbau trägt seinen Teil dazu bei und bietet ordentlichen Gegenhalt in Kompressionen sowie ausreichend Reserven für härtere Einschläge. Selbst im Auslieferzustand des GIANT Reign E+ mit nur einem vorinstallierten Volumen Spacer im Fox Float X2 hatte ich bei einem fahrfertigen Gewicht von rund 88 kg in kaum Probleme mit Durchschlägen am Heck. Die fehlende Verstellmöglichkeit der High-Speed Druckstufe habe ich daher überhaupt nicht vermisst.
Dank des guten Gegenhalts kann man mit dem Reign E+ zumindest einigermaßen an kleinen Bodenwellen abziehen. Knapp 25 Kilogramm (ohne Pedale) und 170/160 mm Federweg erfordern eben einen gewissen Nachdruck. Geht es über Wellen oder Kicker ermöglicht das Gewicht und die gute Balance des Reign E+, dass man kontrolliert abspringt und sich das Bike in der Luft sehr stabil anfühlt. Gelandet wird äußerst satt, ohne dabei zu viel Federweg freizugeben, was insgesamt auch zu dem hohen Sicherheitsgefühl des Bikes passt, wenn man es bergab laufen lässt.
Was taugen die Komponenten des Reign E+ 1?
Ist das Reign E+ 1 jetzt ein guter Deal? Für mich ein eindeutiges „Ja“.
Für eine UVP von 6.399,- EUR gibt es einen soliden Aluminium Rahmen mit Fox Performance Elite Fahrwerk, was nur minimale Funktionsunterschiede im Vergleich zu den teureren Factory Modellen mit sich bringt. Die Fox 38 kommt mit der vollen Anpassbarkeit der Grip2 Dämpfung und es fehlt lediglich die Kashima Beschichtung der Standrohre. Dem Fox Float X2 fehlt die High-Speed Verstellung für die Druck- und Zugstufe, die mir während des Tests nicht gefehlt hat. Wer dieses Upgrade haben möchte kann zum Topmodell Reign E+ 0 greifen.
Die Shimano XT Schaltung und die SLX Kassette gelten schon lange als eine sehr zuverlässige Kombination und haben in den letzten Wochen entsprechend abgeliefert. Saubere Schaltvorgänge und eine gut funktionierend Dämpfung am Schaltwerk sprechen für sich.
Das gilt auch für die XT Bremsen. Die 203 Millimeter großen Bremsscheiben an Vorder- und Hinterrad bieten in Kombination mit der Vierkolben XT Bremse eine gute Verzögerung. Bremsleistung, kann man jedoch nie genug haben. Daher würde eine größere Bremsscheibe vorne dem Reign bestimmt gut stehen.
Die Wahl der Reifen ist in gewissem Maße immer eine Geschmacksache und von vielen Faktoren abhängig. Dennoch möchte ich Giant für die Wahl eines Reifens mit DoubleDown Karkasse am Hinterrad in der 2.5 Zoll Ausführung loben. Der Reifen bietet einen ordentlichen Pannenschutz und meiner Meinung nach ein direkteres Fahrverhalten als vergleichbare 2.6 Zoll Reifen, die meist nur mit leichteren Karkassen angeboten werden. Im Gegensatz zum High Roller II, würde dem Reign ein Hinterreifen mit aggresiverem Profil noch besser stehen. Am Vorderrad geht die Wahl des 2.6″ Minion DHF für mich in Ordnung, wenngleich ich ein Freund der weicheren MaxxGrip Mischung von Maxxis bin.
Zu den hauseigenen GIANT Contact Komponenten fällt mein Feedback unspektakulär aus: Sie funktionieren und sehen gut aus. Einzig bei der Wahl der Sattelstütze bin ich mit 150 mm Hub an einem Bike in Größe L nicht zufrieden. Insbesondere durch den steilen Sitzwinkel, müsste der Sattel für mich weiter absenkbar sein. Und wie es auf den Bildern zuvor zu sehen ist, bietet das jetzt kürzere Sitzrohr genug Platz um mindestens eine Sattelstütze mit 170 oder 180 mm Hub installieren zu können.
Das Fazit zum GIANT Reign E+ 1
Die Neuauflage des GIANT Reign E+ ist verdammt gut gelungen. Der neue SyncDrive Pro Antrieb und die dazugehörigen Bedieneinheiten sind ein großer Schritt nach vorne. Der Motor verfügt über ein gutes Fahrgefühl, hat ausreichend Kraft, reagiert direkt auf den Input des Fahrers und er klappert nicht störend. Die RideControl Ergo 3 Lenkereinheit ist klein, unauffällig, auf die wesentlichen Funktionen reduziert und somit sehr weit vorne im Vergleich zu Bedieneinheiten anderer Hersteller. Die Komponenten des Reign E+ 1 passen hervorragend zum Einsatzgebiet des Bikes und der Rahmen hinterlässt nicht zuletzt dank eines maximal zulässigen Gesamtgewichts von 156 kg für das Reign einen sehr zuverlässigen Eindruck. Lediglich der Sattelstütze würden ein paar Millimeter mehr Hub gut stehen. Ungeachtet dessen geht das Giant Reign nicht nur sehr schnell und sicher den Berg runter sondern auch gut den Berg hinauf. Bei allem dazwischen geht man im Vergleich zu Trail- und All-Mountainbikes kleine Kompromisse ein, welche echte Enduro- und Gravity-Freunde nicht interessieren sollten. Die UVP von 6.399,- EUR geht gemessen am Fahrspaß, der guten Komponentenauswahl und eines gut aufgestellten Händlernetzes mit entsprechendem Support vor Ort vollkommen in Ordnung.
Text und Redaktion: Robin Krings
Fotos: Michael Klasen, Robin Krings
Weitere Infos: giant-bicycles.com
Danke für die kompetente Auskunft 😏
Sehr schöner Bericht,für mich eine Kaufentscheidung!Bike wurde beim örtlichen Händler bestellt! Eine Frage hätte ich dennoch,ist das Sitzrohr durchgehend und somit mit einer Bikeyoke 213 verbaut werden?
Rahmengröße wäre L !
Hallo Lemme,
schön, dass Dir der Test gefällt.
Das Sattelrohr ist durchgehend.
Die Sattelstütze kann bei Rahmengröße L bis zu 370 mm tief (selbst nachgemessen) in das Sitzrohr geschoben werden. Erst dann folgt ein Anschlag. Ich habe diese Info auch noch im Test nachtragen. Zur Revive: Die untere Rohreinheit einer Revive mit 213 mm Hub hat laut der BikeYoke Website eine Länge von maximal 327 mm (inklusive der Mechanik unter der Stütze). Das sollte also ganz entspannt passen.
Viele Grüße
Robin