Vor knapp sechs Monaten war es endlich so weit, und die langersehnte Gabel Era von EXT Racing Shox kam für einen ausführlichen Test zu uns. Im Erstkontakt hatten wir euch euch alle wichtigen Daten und Fakten und einen ersten Eindruck zur Edel-Italienerin zusammengestellt haben.  Daran anknüpfend möchten wir euch nun weitere Eindrücke vermitteln, die wir im Laufe der knapp sechs Monate Dauertest mit der Era sammeln konnten und ein Abschlussfazit ziehen. Im Testzeitraum stand neben dem Einsatz auf verschiedensten Bikepark-Strecken auch der breit gefächerte Gebrauch auf Trails im Mittelgebirgs- sowie Alpenraum auf der Agenda.

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Unter dieser schraubbaren Kappe verstecken sich die beiden Luftventile der zwei Positivkammern des HS3-Systems.

EXT Era im Überblick

Dass italienische Produkte wie die EXT Era nicht nur edel aussehen, sondern auch wie viele der italienischen Spezialitäten etwas ganz besonderes im Inneren verbergen, haben wir euch bei der Vorstellung der technischen Besonderheiten mitgeteilt: Neben den Einstellungen für High-Speed- und Low-Speed-Compression sowie Rebound, besitzt die EXT Era eine sekundäre Positiv-Luftkammer, welche in der zweiten Hälfte des Federwegs je nach eingestelltem Luftdruck mehr oder weniger Gegendruck bereitstellt.

Kurzum, die Charakteristik der Era kann nahezu beliebig und anders als bei den meisten Federgabeln von anderen Herstellern im mittleren Federwegsbereich angepasst werden. Dies sorgt in Kombination mit den anderen Einstellungen nicht unbedingt für eine „Plug&Play“-Gabel für die breite Masse, aber bietet für den Enduro-Racer und den Technik-Fetischisten eine breite Palette an Möglichkeiten.

Dank der wiederum simplen Einstellung der sekundären Positivluftkammer ist die stufenlose Anpassung dieser Besonderheit ohne weiteres auf dem Trail möglich. Ein weiteres herkömmliches Ventil neben dem der Haupt-Positivluftkammer, kann einfach mit der mitgelieferten Dämpferpumpe befüllt werden. Wichtig ist hier die Reihenfolge zu beachten, denn die sekundäre Luftkammer (++) muss stets mehr Luftdruck als die Primäre (+) besitzen, entsprechend muss diese als erstes befüllt werden.

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EXT’s HS3-System ermöglicht eine gezielte Progression im mittleren Federwegsbereich. (Quelle: www.extremeshox.com)

Wer generell noch nicht so viel Fahrwerks-Erfahrung hat, dem kann ich empfehlen zur Dämpferpumpe auch Zettel und Stift einzupacken, um ein Gefühl für die einzelnen Einstellungen zu entwickeln. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Luftdruck der sekundären Luftkammer und der primären Luftkammer sowie den anderen Einstellungen benötigt ein wenig Eingewöhnung.

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Stets dabei: Die empfohlenen Luftdruck-Werte und der wichtige Hinweis zuerst die ++-Kammer zu befüllen.

Die von EXT empfohlenen Luftdruckwerte in Abhängigkeit des Fahrergewichts sind dabei sicherlich eine gute Hilfestellung, wenn auch mir persönlich das für meine fahrfertigen knapp über 70 kg empfohlene Setup mit 55 psi in der +-Kammer und 85 psi in der ++-Kammer auf Natur-Trails im Mittel- und Hochgebirge zu straff gewesen ist. Ich sollte aber dabei erwähnen, dass ich mein Fahrwerk tendenziell gerne etwas weicher fahre. Dagegen kam mein erarbeitetes Setup für den Bikepark sehr nahe an die von EXT empfohlenen Werte heran.

Die Era auf dem Trail

Wie schon im Erstkontakt beschrieben, hat man nach Einbau und erstem einfachen Setup erstaunlich viel Spaß auf dem Trail. Bei kleineren Unebenheiten, selbst bergauf, fällt sofort das feine Ansprechverhalten auf, welches durch die in EXT‘s HS3-System verbaute Coil-Feder sowie die reibungsarmen DU-Gleitbuchsen begünstigt wird.

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Besonders reibungsarme DU-Gleitbuchsen basierend auf EXT Technologie des Motorsportbereichs

Geht man mit der Gabel in die Vollen und lässt es bergab krachen, so habe ich ungewohnt viel Grip am Vorderrad und ein besonders breites Grinsen auf dem Gesicht verspürt. Dieses Grinsen wurde besonders bei längeren ruppigen Trailabschnitten nochmals ein wenig breiter, nachdem ich die High-Speed-Compression nach und nach um 3 Klicks in Richtung „Closed“ gedreht habe. Die damit erhöhte Druckstufendämpfung hat mir nochmals spürbar mehr Kontrolle auf dem Vorderrad in den schnellen Passagen mit fiesen Gegenschlägen vermittelt.

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Stabil, schluckfreudig und feinfühlig zeigt sich die Era stets von ihrer besten Seite

Bei Stufen und anderen gröberen Schlägen von unten bin ich es gewohnt gewesen hier und da an das Limit des Fahrwerks zu kommen, insbesondere wenn es tendenziell feinfühliger und weicher abgestimmt gewesen ist. Bei der Era wurde ich sofort eines Besseren belehrt, denn die sekundäre Positiv-Luftkammer hält ihr Versprechen ausreichend Gegendruck im mittleren Federweg bis zu dessen Ende bereitzustellen. Mit dem von EXT bereitgestellten Diagramm vor Augen kann man sich dann auch daran machen diese Charakteristik im mittleren Federweg zu verändern. Hierbei habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist bei minimaler Erhöhung des sekundären Luftdrucks auch die High-Speed- und Low-Speed-Compression zu öffnen, um der Gabel nicht zu viel Nervosität zu verleihen und damit den Grip auf hohem Niveau zu halten. Am Ende ist das Setup von den persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten ab, wofür die Era mit Sicherheit jedem die Möglichkeiten bereitstellt, das perfekte Setup zu finden.

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Beim Abziehen unterstützt das richtige Setup der Era mit ausreichend Gegendruck.

Bei Sprüngen hilft die EXT Era dem Fahrer förmlich abzuziehen, wenn der Rebound und die Low-Speed-Compression richtig auf den Fahrer abgestimmt sind.

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Gegendruck iin der zweiten Hälfte des Federwegs und kein Durchschlagen zeichnet die Era aus.

Im Bikepark, wo große Sprünge und auch Dauerfeuer von unten auf die Gabel das Programm bestimmen, bin ich ein etwas strafferes Setup gefahren, dessen Luftdruckeinstellungen ziemlich genau denen von EXTs Empfehlung entsprochen haben. Hier hat mich der Gegendruck der Gabel in Anliegern und welligen Streckenabschnitten begeistert.

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Ebenso hervorragend generiert die Gabel schön Druck ohne wegzusacken in Anliegern

Wählt man auf geeigneten Strecken die direkte und kompromisslose Linie, wie ich es aus Rennen gewohnt bin, macht auch hier die Era mit ihren Rally-Genen hervorragend mit und kitzelt subjektiv aus meinem Commencal Meta alles raus, was ich mir an Grip und Spurtreue an der Front nur wünschen kann. Man merkt dabei eine hohe Steifigkeit der Gabel, die sich weder beim Einfedern noch in Kurven spürbar verwindet.

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Made in Italy – made for Racing: Die edle Italienerin hält ihr Versprechen auch bei hohem Tempo

Schickt man die Era ins alpine technische und verblockte Terrain, so konnte ich auch hier das typische Wegsacken bei Felsstufen im Steilgelände durch die Erhöhung des Luftdrucks in der sekundären Positivluftkammer sehr stark reduzieren, ohne dabei das feine Ansprechverhalten insbesondere bei Schrittgeschwindigkeit im Felsgelände zu verlieren.

Irgendwann bin ich an einen Punkt gekommen, mir keine weiteren Gedanken über ein weiteres Feintuning der Gabel zu machen. In verschiedenen Terrains wie Bikepark oder auch in den Alpen habe ich natürlich den einen oder anderen Klick an High-Speed-, Low-Speed-Compression und auch Rebound verändert, aber das hat dann auch schon gereicht, um ein angenehmes Gefühl am Lenker und ein breites Grinsen im Gesicht zu haben.

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EXT’s Era macht einfach nur Spaß in jedem Terrain

Die Dämpferpumpe im Rucksack war zwar stets dabei, jedoch kam sie unterwegs seltener als gedacht zum Einsatz. Hier hat es sich für mich bewährt, drei Luftdruck-Setups zu erarbeiten, die ich dann für das entsprechende Terrain bzw. für den Einsatzzweck Zuhause eingestellt habe. Ich habe mich somit an ein „Dolce Vita“ mit der Era herangetastet und auch sicherlich gefunden. Und auch sonst hat die Gabel in dem knappen halben Jahr keinerlei Anzeichen zum Meckern gemacht oder gar mich im Stich zu lassen. Mit ein wenig Pflege der Standrohre mit dem beigelegten Öl funktioniert die Federgabel heute noch so hervorragend wie am ersten Tag. Eine komplette Wartung sollten von EXT oder einem zertifizierten Servicepartner bei normalem Gebrauch spätestens nach einem Jahr durchgeführt werden.

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Liefer-Standard bei allen Fahrwerkelementen von EXT: Dämpferpumpe und EXT’s Performance Lube

Es ist umso erfreulicher, dass kürzlich EXT Racing Shox ihre Era mit ein paar Updates optimiert und diese in einer V2-Version erhältlich ist. Dabei wurde unter anderem das Magnesium-Casting Tauchrohr überarbeitet, der Endanschlag der HS3-Federeinheit verbessert, die Achsenverschraubung durch eine Klemmung ergänzt sowie die Geräusche der sekundären Luftkammer reduziert. Bei letzterem Update kann ich nur noch hinzufügen, dass ich von der Gabel ein leises Schmatzen und minimal wahrnehmbares Klicken beim Einfedern wahrgenommen habe, es mich aber bei der V1 nicht wirklich gestört hat . Wir werden für euch im kommenden Jahr nochmals einen Test mit der Era V2 durchführen und dabei die Verbesserungen der überarbeiteten Generation betrachten.

Fazit

EXT Racing Shox bietet mit der Era nicht nur eine Gabel mit sehr hohem Spaßfaktor bei allen abfahrtsorientierten Touren, Bikepark-Ausflügen und Rennen, sondern stellt jedem Fahrwerksliebhaber eine High-Performance-Federgabel zur Verfügung , die auf die eigenen Vorlieben stufenlos und in meinen Augen auch grenzenlos angepasst werden kann. Ähnlich zum bereits ausführlich vorgestellten Storia Lok V3 benötigt auch die Era ein wenig Geduld und Neugierde für die Technik. Wenn man hier aber dahinter gestiegen ist, erlaubt sie es ein Maximum an Grip und Kontrolle an der Front zu generieren und auch die den eigenen Vorlieben entsprechende perfekte Balance zwischen Front und Heck herzustellen. Mit einem Preis von 1.743 € für die überarbeite Version V2 muss man zwar sein Konto deutlich abspecken, jedoch bekommt man hier neben der EXT typischen werkseitigen Shim-Tuning-Möglichkeit mit dem HS3-System ein Werkzeug an die Hand, das sehr umfangreich die Charakteristik der Federgabel anpassen kann, sodass das der Preis hoch ist, die Performance dieser Federgabel aber auch. Umso mehr gefällt es uns auch, dass trotz der hohen Qualität EXT Racing Shox mit der Version V2 kontinuierlich eine Federgabel wie die Era weiterentwickelt. Jeder unter uns, der der Front seines Bikes das Optimum herauskitzeln möchte, um schneller im Rennen zu sein oder flexibler beim Einsatzzweck und die nötige Experimentierfreude nicht scheut, dem sei die Era von EXT Racing Shox wärmstens empfohlen.

 


Text: Martin Riedle
Bilder: Flo Jäger, Martin Riedle
Redaktion: Robin Krings
weitere Informationen: www.schnurr-tech.de, www.extremeshox.com

2 Kommentare

    • Hallo Dominik,
      Schön, dass dir der Artikel gefällt und du dich für meine persönlichen Setups interessierst.
      Folgende Setups bin ich in entsprechenden Terrains mit dem Standard-Shimstack gefahren:
      Park / Race:
      o +-Kammer: 55 psi
      o ++-Kammer: 85 psi
      o LSC 8 von geschlossen
      o HSC 10 von geschlossen
      o Rebound 11 von geschlossen
      Alpin / Bikebergsteigen:
      o +-Kammer: 40 psi
      o ++-Kammer: 75 psi
      o LSC 13 von geschlossen
      o HSC 9 von geschlossen
      o Rebound 13 von geschlossen
      Trail / Tour:
      o +-Kammer: 45 psi
      o ++-Kammer: 70 psi
      o LSC 9 von geschlossen
      o HSC 10 von geschlossen
      o Rebound 12 von geschlossen
      Wie im Artikel beschrieben variieren die Klicks von LSC und HSC bei mir hin und wieder, aber das jeweilige Grundsetup ist hier prinzipiell so wie gelistet.

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