Nach nunmehr fast einem Jahr und vielen Trailkilometern endet unsere Aufbaustory des Specialized Stumpjumper EVO. Im Fokus stand ein Trailbikeaufbau, der optisch etwas hermacht, aber preislich nicht höher liegt als das Auto, in dem es transportiert wird. Durch alle Jahreszeiten und jedes mögliche oder auch unmögliche Wetter haben wir uns gewühlt und fällen nun unser Fazit.
Falls Ihr den Start unserer Aufbaustory verpasst habt, könnt Ihr diesem Link folgen.
Auf dem Trail
Mit dem Stumpjumper EVO ist Specialized einen mutigen Schritt gegangen. Bauen sie doch eher Bikes für die breite Masse, auf denen man sich auf Anhieb wohlfühlt, fällt das Stumpjumper EVO mit seiner radikalen Geometrie etwas aus dem Rahmen. Das typische „tiefer, flacher, schneller“ war Specialized zu wenig, weshalb sie mit dem EVO Experiment direkt in die Vollen gegangen sind. Allem voran fällt der sehr flache Lenkwinkel mit 63,5° ins Auge, aber auch die Reachwerte sind stark gewachsen.
Mit Geometriewerten, die für ein Downhillbike vor wenigen noch Jahren radikal gewesen wären, bleibt natürlich direkt die Frage, wie es sich den Berg hinauf treten lässt. Immerhin haben wir es hier mit einem Trailbike zu tun.
Auf Touren verhält sich das Stumpjumper wie sein kleiner Bruder ohne EVO Zusatz, also solide aber nicht unbedingt als Bergsprinter. Ausschlaggebend dafür ist das allgegenwärtige, leichte Wippen bei der Krafteinleitung in die Pedale. Eine Tatsache, die ich beim nächsten Aufbau etwas früher beleuchten sollte. Specialized hat in den angebotenen Stumpjumper EVO Modellen, ob mit Luft- oder mit Stahlfederdämpfer, immer einen Climbswitch am Start. Ein kleiner Hebel mit großer Wirkung, den der Marzocchi Bomber CR unseres Aufbaus leider nicht hatte. So blieb mir bei langen Anstiegen nichts weiteres übrig als die Druckstufe über das Einstellrad am Dämpfer zu schließen.
Bergauf eine kleine Unbequemlichkeit, sollte der Marzocchi Bomber CR bergab wieder glänzen. Durch die konstante Federkennlinie des Stahlfederdämpfers und der geringen Endprogression des Stumpjumper EVO Rahmens konnte das Hinterrad leicht den Steinen und Wurzeln den Weg frei machen. So hat das Stumpjumper EVO trotz seiner gerade einmal 140 mm Federweg stets ein sicheres Gefühl vermittelt.
Stahlfeder gedämpft fährt es sich mit dem Stumpjumper EVO wie auf der gemütlichen Couch im Wohnzimmer. Eine Eigenschaft, die ich bergab zu schätzen gelernt habe. Mit Luftfederdämpfer und passendem Trailtune von Specialized fühlt sich das Stumpjumper ein wenig direkter an, was beim Pushen durch Wellen durchaus spürbar ist. Dennoch würde ich immer wieder bei der Stahlfeder landen. An Pop hat es nicht gefehlt und so habe ich die meiste Zeit auf den Trails in der Luft verbracht.
Der flache Lenkwinkel hat mich tatsächlich immer wieder dazu animiert noch ein wenig aggressiver in eine technische Passage einzufahren und genau hier muss man etwas aufpassen. Die Geometrie ist so potent, dass man gerne vergessen möchte auf einem Trailbike zu sitzen. So werden die Schläge ab einer gewissen Geschwindigkeit zwangsweise etwas weniger gefiltert an den Fahrer weitergeleitet.
Dank des flachen Lenkwinkels und des tiefen Tretlagers fährt sich das Stumpjumper EVO auf geshapeten Bikeparkstrecken wie auf Schienen. Hier will man es tatsächlich einfach nur fliegen lassen. Ist man etwas langsamer unterwegs, dreht sich das Spiel allerdings um. Speziell bei langsamen Aufstiegen und in Spitzkehren fühlt es sich durch den flachen Lenkwinkel etwas kippelig an. Das tiefe Tretlager hat mehrfach zu Steinkontakt geführt, sodass ich nach ein paar Ausfahrten nur noch in der hohen Einstellung gefahren bin.
Fazit
Specialized hat mit dem Stumpjumper EVO ein interessantes und mutiges Bike auf den Weg gebracht. Die radikale Geometrie lässt das Herz von Bergabfahrern höher schlagen und macht sich besonders gut auf geshapeten Bikeparkstrecken und steilsten Abfahrten. Damit ist es auf jeden Fall kein Bike für die breite Masse. Wer sich gerne steile Strecken hinab wirft, wird beim Stumpjumper EVO auf seine Kosten kommen.
Text & Bilder: Thomas Kappel
Redaktion: Robin Krings
weitere Infos: Specialized
Das ist einer der besten und informativsten Testberichte, die ich die letzten Jahre gelesen habe. Denn das wichtigste bei einem Radkauf ist erst einmal der Einsatzzweck und das eigene Können. Dann wähle ich ein Rad aus, das dem Einsatzzweck und meinen Hauptkriterien Lenkwinkel, Sitzwinkel und Tretlagerabsenkung entspricht. Außerdem finde ich sehr gut den Unterschied zwischen einem Luftdämpfer und einem Coildämpfer erklärt. Und alles kurz und knapp auf den Punkt gebracht. Super.
Hallo Ulli,
vielen Dank für dein super Feedback. Solche Kommentare zu lesen macht immer wieder Freude und bestärkt uns in unserem tun.
Beste Grüße
Thomas