Die diesjährige Saison war lang, so lang wie schon seit Jahren nicht mehr. Wir haben die Zeit genutzt und ausführlich unser „Ein Bike für alles“ auf Herz und Nieren getestet. Lest in unserem Abschlussfazit wie sich unser Nomad geschlagen hat und ob die gewählte Zusammenstellung gehalten hat, was wir uns von ihr versprochen haben.
„Ein Bike für alles“, zur Erinnerung: der Plan war es, ein Bike aufzubauen, dass sowohl für lockere Abendrunden, anspruchsvolle Enduro-Touren als auch handfeste Bikepark-Action gemacht ist. Unser Anspruch war der, dass wir selbst die steilsten Rampen ohne spürbare Einbußen im Vergleich zu anderen Enduro- oder All Mountain-Bikes erklimmen können. Mutig war da ohne Zweifel die Entscheidung zu einem Coil Dämpfer, doch dank der hervorragenden Anti-Squat Werte des Santa Cruz Nomad Rahmens, wippt das Bike von Haus aus schon sehr wenig. So wenig, dass wir den RCT Hebel im „täglichen Geschäft“ fast nie eingesetzt haben. Ging es aber in die angesprochenen Rampen, haben wir ihn umgelegt und konnten ohne spürbare Einbußen oben ankommen.
Um fair zu bleiben hat das geringe Gesamtgewicht von 13,63 kg seinen Teil für die Bergauf-Performance beigetragen. Einen entscheidenden Anteil am geringen Gewicht haben die Acros ED Race Carbon Laufräder. Wie sich die Laufräder geschlagen haben könnt ihr in unserem Einzeltest von vor ein paar Wochen lesen. >>Link Die geringe rotierende Masse ist in jeder Situation spürbar. Im Antritt, im Handling, bei Sprüngen und natürlich bergab. Apropos Handling: das ganze Bike lässt sich wie ein Skalpell führen. Dank Carbon an Rahmen, Lenker, Laufrädern und Kurbel ist ein Mehr an Steifigkeit kaum bis gar nicht möglich. Soviel Steifigkeit erfordert natürlich mehr Nachdruck vom Fahrer, um die gewählte Linie zu halten. Das heißt aber nicht, dass das Bike unkomfortabel ist. U.a. dank der Schwalbe Reifen steht genügend Dämpfung für den Komfort zur Verfügung.
Die Rock Shox Lyrik in der RCT3 Version harmoniert super mit dem Super Deluxe RCT Dämpfer. Wir sind die Gabel mit verhältnismäßig viel SAG von 30% gefahren, dafür mit mehr Lowspeed Dämpfung und maximalen Token. Hierdurch wird die Gabel sehr feinfühlig, ist aber beim Anbremsen oder in Anliegern nicht instabil und schlägt dank der erhöhten Endkompression nicht durch. Mit diesem Setup haben wir den gesamten Federweg genutzt und konnten so wertvolle Kräfte sparen.
Als Dämpfer sollte von Anfang an ein moderner Coil-Dämpfer “mit Hebel” im Nomad verbaut werden. Beweggrund war maximale Sensibilität bei gleichzeitig sportlichem Fahrverhalten. Der Santa Cruz Empfehlung für Coil Dämpfer im Nomad folgend, sind wir den Rock Shox Super Deluxe RCT mit wenig SAG (ca. 30 %) gefahren. Dadurch liegt eine höhere Grundspannung auf dem Dämpfer, was einen sehr guten Support im mittleren Federweg mit sich bringt und in einem wunderbar direkten Fahrverhalten resultiert.
Im Down- sowie Uphill ist die Gangschaltung ein zentrales Element. Natürlich gehört an ein modernes Bike für Touren jeglicher Art eine 1-fach Schaltung. Unser Mix aus Descendant Carbon Kurbel und Eagle X01 Schaltung war die goldene Mitte aus Stabilität, Funktion und Gewicht. Über die Spreizung der Kassette sind schon genug Loblieder gesungen worden (unseres könnt ihr im Einzeltest nachlesen >>Link). Eine viel interessantere Frage ist, ob unsere Wahl der Kettenblattgröße gut war. Mit 34 Zähnen sind wir ins Rennen gegangen.
Mit der „normalen“ Breitensportler-Fitness sind wir alle, wirklich alle Berge hochgefahren. Auch mit dem 50er Ritzel fährt das Nomad nicht allein den Berg hoch aber die Kombination 34 auf 50 ist sehr praktikabel. Warum ist das so wichtig? Uns hat bei 1×11 System immer entweder ein leichter Gang für eben diese steilen Rampen oder ein schwerer Gang für bergab gefehlt. Mit Spreizungen von über 500 % hat dieser leidige Kompromiss endlich ein Ende gefunden.
Eine weitere Komponente, die für sowohl Up- als auch Downhill passen muss sind die Reifen. Grip bergab gibt es nicht umsonst. Dieser will auf Kosten des Rollwiderstands erkauft werden. Der Vorteil im Downhill wird zum Nachteil im Uphill. Hier haben wir das Rad nicht neu erfunden, sondern auf eine gängige Kombination von Schwalbe Hans Dampf am Hinterrad und Magic Mary am Vorderrad gesetzt. Natürlich tubeless. Vor allem der Hans Dampf hat uns sehr begeistert. Der humane Rollwiderstand hat seinen Teil zur Pedalierfreude beigetragen. Dank der groben Seitenstollen verfügt der Reifen über gute Seitenführungseigenschaften, was uns im Downhill entgegengekommen ist. Für den Bikepark passt der Reifen auch, allerdings mussten wir hier leichte Abstriche in der Bremsperformance machen. Sie sind zwar nicht stark störend aber wenn es für ein verlängertes Wochenende nach Frankreich geht, würden wir vorne und hinten die magische Marie bevorzugen.
Über die Bremsperformance können wir uns bei unserem Nomad auf keinen Fall beschweren. SRAMs Code RSC mit 200/180 mm Bremsscheiben ist und bleibt ein Anker. Wirklich schön sind die neuen Hebel geworden. Dank der Swing Link Technologie lässt sich die Bremskraft sehr gut modulieren und die Bremse wird nicht bock steif, je weiter sie zum Lenker gezogen wird. Früher hatten wir recht schnell müde Finger aufgrund dieses Verhaltens, das gehört der Vergangenheit an.
Zwei Komponenten, die dem Downhill-Spaß im wahrsten Sinne des Wortes im Weg stehen können, sind der Sattel und die Sattelstütze. Obwohl es „nur“ die 150 mm Variante der Reverb ist, stand der Sattel selbst an den steilsten Kanten nie im Weg. Ungeachtet des Verstellbereichs funktioniert die Reverb wie von Rock Shox gewohnt perfekt und der 1x-Remote Hebel ist gut erreichbar. Ein besonderes Lob geht an dieser Stelle an den Sattel. Der SDG Duster MTN ist unglaublich bequem. Egal wie lange die Tour dauerte, weder im Schambeinbereich, noch auf den Sitzhöckern ist es zu Schmerzen gekommen. Lediglich harte Stürze mag das Carbon Gestell nicht so gerne. Bei einem Sturz sind wir so ungünstig gefallen, dass eine der Sattelstreben gebrochen ist. Das war aber ein Einzelfall. Bei den übrigen Stürzen ist alles heil geblieben.
Der Vollständigkeit halber noch ein paar Worte zum Cockpit und den Pedalen. Beides ist unserer Meinung nach stark abhängig von der Vorliebe des Fahrers. Der Acros Lenker entspricht unserem Lieblingsmaß und ist optisch einfach ein heißes Stück Plastik. Leider konnten wir nichts mit den Acros Schaumstoff-Griffen anfangen, diese waren zu dick. Mit den deutlich schmaleren ODI SDG Lock-On Grips kamen wir in der Vergangenheit immer am besten klar, weshalb sie den Weg an den Lenker des „Ein Bike für alles“ fanden. Die Crankbrothers Pedale haben uns hingegen restlos überzeugt. Das Ein- und Ausklicken funktioniert problemlos und sollte der Fuß mal während der Action bergab ausversehen ausgeklickt sein, so bietet der Metallkäfig mit seinen verstellbaren Pins sehr guten Grip. Was positiv zu bemerken ist: der Schuh hat auch eingeklickt Kontakt mit dem Metallkäfig. Hierdurch wird der Schuh großflächiger auf dem Pedal abgestützt.
Und der Verschleiß? Nun, wo gehobelt wird, da fallen bekanntlich auch Späne. Bei den von uns ausgewählten Komponenten allerdings nur sehr wenige. Die Gangschaltung funktioniert präzise wie am ersten Tag. Hier kommt laut Hersteller zum Tragen, dass alle Komponenten von einem System kommen. Die X-Sync Kettenblätter harmonieren perfekt mit der SRAM Kette und der Eagle Kassette. Hierdurch ist bei entsprechender Pflege ein Minimum an Verschleiß gegeben (regelmäßig säubern und schmieren). Gerade die Magic Mary saugt förmlich alles von mittleren bis großen Korn vom Boden auf und schmeißt es regelrecht gegen das Unterrohr. Der serienmäßige Gummischutz leistet hier ganze Arbeit, sodass wir keine (!!) Macke am Unterrohr verzeichnen müssen. Gleiches gilt für die Kettenstrebe, nichts ist ärgerlicher, als wenn solche Standardstellen mangelhaft geschützt sind.
Abschließend ein paar Worte zur Wartung der Rahmenlager. Hier hat Santa Cruz seit jeher auf Abschmiernippel gesetzt. So auch beim Nomad. Im Rocker Link sind zwei Abschmiernippel, die je die oberen oder unteren Lager schmieren. Der Clou am Ganzen ist der, dass kein Lager im Carbon-Rahmen integriert ist. Alle Lager sind im Rocker Link aus Aluminium integriert. Das heißt beim Austausch kann der Link entspannt ausgebaut werden und es besteht somit keine Gefahr den Rahmen beim Aus- bzw. Einpressen zu beschädigen. Großartig!
Fazit
Mission erfüllt? Ganz klares Ja. Wir haben eine agile und fahrfreudige Abfahrtsmaschine gebaut, die sich mühelos bergauf pedalieren lässt.
Der Mix aus leichten und haltbaren Komponenten wie der Descendant Carbon Kurbel oder dem Coil-Dämpfer, hat das Gewicht nicht zu schwer werden lassen ohne dabei auf ausreichende Stabilität für Bikepark-Einsätze zu verzichten.
Der durchdachte Nomad CC Rahmen mit seinen Eigenschaften wie dem sensiblen Hinterbau und guten Anti-Squat Werten hat sich als Gute Wahl für die Basis des „Ein Bike für alles“ erwiesen. Bergab geht das Rad „wie die Hölle“ und kann mehr als wir uns aktuell zutrauen. Große Freude entsteht auch beim Klettern, da der verhältnismäßig große Federweg dem Spaß bergauf nicht im Weg steht.
Text und Bilder: Michael Klasen
Redaktion: Robin Krings
Schöne Aufbaustory!
Ein paar Fragen dazu:
Habt ihr beide Einstellungen High/Low ausprobiert, oder seit ihr nur in einer Einstellung gefahren? Ist der Unterschied spürbar?
Welche Kurbellänge habt ihr verbaut? 175 oder 170mm? Gab es, falls ihr Low gefahren seit, vermehrt Kurbelaufsetzer?
Rahmengröße L bei 181cm. Welche Schrittlänge hat der Fahrer, bzw. welches Maß habt ihr von Mitte Innenlager zu Oberkante Sattel?
Wieviel Sattelüberhöhung hattet ihr gegenüber dem Lenker? Sieht auf den Bildern nach „viel“ aus.
Ist es bei dem 40mm Vorbau geblieben? Ihr hattet „leichte“ Zweifel, ob das so passt.
Hallo Thomas,
vielen Dank, freue mich sehr, wenn die Story gefällt. Zu Deinen Fragen:
– Nein, ich wir sind das Bike nur in der LOW Position gefahren. Wir waren mit der Performance derart zufrieden, dass wir da keine Änderung vorgenommen haben.
– Kurbellänge ist 175 mm. Bis jetzt haben wir auch in der LOW Einstellung selten Kurbelaufsetzer gehabt.
– Meine Schrittlänge ist knapp 90 cm.
– Genau gemessen haben wir den Sattelüberstand nicht aber es ist nicht so viel, dass es unbequem wird.
– Ja, ist dabei geblieben, die Zweifel haben sich in Luft aufgelöst.
Viele Grüße, Michael
Hallo Thomas, wir sind ein anderes Nomad welches ich als Redakteur privat fahre in der HIGH einstellung gefahren. Ich muss sagen, dass ich persönlich die LOW Einstellung nicht benötige. Egal ob Bikepark oder in Finale – HIGH hat mir super gepasst.
Sehr gut geschrieben und ein toller Test. Ich selber fahre auch ein Nomad CC und bin genau so begeistert wie ihr.
Toller Bericht…habe auch ein Nomad CC und kann nur bestätigen, was im Bericht steht.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie ruhig der Hinterbau für ein 170mm Bike beim Bergauffahren ist. Und den Berg runter….Reserven ohne Ende!
Cool gebaut….
Aber nur sls Tipp… Es heisst anti-squat
.. Oder habt ihr gegen Soldaten was ;-)
Hallo Peter,
vielen Dank, auch für den Hinweis. Ist korrigiert. :)
Viele Grüße,
Michael