Die kleine Marke Antidote Bikes aus Polen ist bislang etwas unter dem Radar geflogen. Nur Interessierte und Kenner sind auf die polnische Bikeschmiede aufmerksam geworden. Dass sich die Polen nicht zu verstecken brauchen, zeigen die Reaktionen, die zum Vorschein kommen, wenn Bilder durch die sozialen Medien verbreitet werden. Und auch im wahren Leben zieht das Carbonjack 29 mit Leichtigkeit die Blicke auf sich. Ob es auch auf dem Trail ein Leuchten in die Augen zaubert, haben wir für euch in einem Test herausgefunden.
Antidote Bikes ist eine kleine Firma aus Krakau im Süden Polens. Gegründet wurde Antidote Bikes von mehreren Freunden, die leidenschaftliche Downhill Racer und Enduro Biker sind und zudem ein großes Know-how in Sachen Entwicklung und Design sowie Produktion mitbringen. Gemeinsam entwickeln und produzieren sie Mountainbikerahmen, die sowohl hohen ästhetischen Ansprüchen gerecht werden, als auch mit kompromissloser Performance auf dem Trail überzeugen sollen. Antidote selbst titulieren sich als Boutique Company, was die Exklusivität der Marke unterstreichen soll.
Angefangen hat es 2010 mit einem Downhill Rahmen, dem Lifeline. Dieser wurde anfangs noch aus Aluminium gefertigt. Später entwickelte Antidote Bikes ihre eigene Carbontechnologie und setzte ab 2011 ausschließlich auf Carbon als Material für ihre Rahmen. Das Herz war aber damals schon das Floating Damping System (FDS), welches noch heute die Grundlage aller Rahmen bildet. Alle Rahmen werden übrigens, früher wie heute, in-house in Krakau produziert.
Inhaltsverzeichnis
Produktvorstellung
Das Enduro Bike Carbonjack haben die Polen seit 2014 in ihrem Portfolio, ursprünglich noch mit 650b Laufrädern. Seit letztem Jahr rollt das Carbonjack auf 29“ Rädern und kann entweder als Frameset oder als Komplettbike erworben werden. Der Rahmen ohne Dämpfer kostet 3.799,00 €. Möchte man einen Dämpfer dazu haben, gibt es drei verschiedene Modelle, aus denen man gegen einen Aufpreis auswählen kann: Fox Float X2 (+ 700,00 €), EXT Storia V3 (+ 900,00 €) und Öhlins TTX (+ 1.000,00 €). Außerdem gibt es die Möglichkeit, den Rahmen mit einem Gewinde- oder Pressfit Innenlager zu konfigurieren.
Bei der Farbgebung bieten Antidote Bikes insgesamt sechs vordefinierte Varianten an. Es gibt auch die Möglichkeit die Farben völlig frei auszuwählen und sich so sein Traumbike zu gestalten. Zu guter Letzt bieten die Polen die Option, einen zukünftigen Service zu erwerben, der eine Nachlackierung sowie ein Lagerservice beinhaltet.
Erfreulich ist die lebenslange Garantie, die Antidote Bikes auf den Rahmen für den Erstkäufer gibt.
Bestellen kann man das Bike über die Homepage oder neuerdings auch bei RTB Bikes aus dem schönen Odenwald ganz in der Nähe des Bikeparks Beerfelden.
Wir haben von Antidote Bikes das Komplettbike „Limited Edition“ für den Test erhalten, welches mit der folgenden Spezifikation auch so gekauft werden kann:
Rahmen | Carbonjack 29“, FDS Federung, 150 mm Federweg, Boost |
Federgabel | Fox 36 Factory Grip2 160 mm (Alternativ: Öhlins RFX 36 160 mm) |
Dämpfer | Fox Float X2 Factory 210 x 55 mm (Alternativ: Öhlins TTX 22M |
Laufräder | DT Swiss E1700 |
Reifen | Maxxis Minion DHF und DHR II Exo+ |
Antrieb | Shimano XT M8100 |
Schaltung | Shimano XT RD-M8100 SGS mit Shimano XT SL-M8100 Shifter |
Bremsen | Shimano XT BL-M8100/BR-M8120 4-pistons |
Sattelstütze | OneUp V2 150 mm Hub |
Lenker | Candy Ray 810 mm |
Vorbau | OneUp 35 mm |
Gewicht | 14,2 kg (ohne Pedale, inkl. Cushcore Tire Insert hinten) |
Preis | 7199,00 € (mit Öhlins Fahrwerk: + 600,00 €) |
Optisch ist das Carbonjack unserer Meinung nach eines der schönsten Bikes, welches es momentan auf dem Mountainbike Markt zu erwerben gibt. Der Rahmen bietet viele optische Highlights. Sowohl der Wechsel aus filigranen und wuchtigen Formen, sowie die Aussparungen an Unter- und Sitzrohr als auch das Sichtcarbon setzen eindrucksvolle Akzente. Damit heben sich die Rahmen deutlich von der Konkurrenz ab. Die Verarbeitung wirkt ebenfalls sehr hochwertig. Und nicht zuletzt aufgrund des eigens entwickelten FDS-Hinterbausystems sticht das Carbonjack 29 aus der breiten Einheitsmasse heraus.
Beim FDS-Hinterbau wird der Dämpfer hinter dem Sitzrohr zwischen zwei Links schwimmend positioniert. Der besondere Clou bei Antidote Bikes ist, dass der Dämpfer um 90° verdreht ist, um an die entsprechenden Einsteller zu kommen. Dies ist notwendig, da der Hinterbau doch etwas zugebaut ist. Damit wird eine mögliche Demontage des Dämpfers erschwert.
Für die Freunde von Kurven haben wir hier noch etwas:
Da der Dämpfer mit der Konstruktion des Hinterbausystems zwischen Sitzrohr und Hinterrad positioniert ist, ist er normalerweise dem Dreckbeschuss ausgeliefert. Das haben die Jungs von Antidote Bikes aber recht clever mit einem Fender gelöst. Dieser ist mit einem Industrievelcro am Rahmen angebracht, kann immer wieder gelöst und angebracht werden und schützt den Dämpfer sehr zuverlässig. Konstruktionsbedingt sind die Kettenstreben mit 450 mm recht lang. Einzig die Verlegung der Leitungen unterhalb des Tretlagers fanden wir unschön gelöst. Da gibt es sicherlich hübschere Varianten.
Geometrie
Antidote Bikes bezeichnet die Geometrie für das Carbonjack 29 als Golden Ratio Geometry. Sie soll die beste Allround Geometrie sein, welche sie jemals designed haben. Begründet wird das damit, dass das vordere und hintere Rahmendreieck ideal harmonieren und somit optimal zum Einsatzzweck passen. Letzten Endes soll der Fahrer aufgrund des Front Centers und der langen Kettenstreben perfekt auf dem Bike positioniert sein, egal ob es bergauf oder bergab geht. Bei diesem Ansatz hätten wir konsequenterweise mitwachsende Kettenstreben über alle Rahmengrößen erwartet.
Wie die Kettenstreben fällt auch das Sitzrohr länger (440 mm in Rahmengröße M & 470 mm in Rahmengröße L) aus als bei den meisten Mitbewerbern. Das macht es nur begrenzt möglich, das Carbonjack nach persönlichen Vorlieben auszuwählen, zumindest was den Reach anbelangt.
Auf dem Trail
Antidote Bikes gibt für das Carbonjack 29 eine Range von 20 -30 % für den optimalen SAG an. Begonnen haben wir mit 30 % SAG und drei von vier Volume Spacer im Dämpfer. Die Fox 36 haben wir mit 20 % SAG abgestimmt.
Bei unseren ersten Ausfahrten mussten wir leider feststellen, dass es verdammt anstrengend war, das 14 Kilogramm leichte Bike bergauf zu pedalieren. Das naheliegendste war, den offenen Dämpfer auf „firm“ zu stellen. So wurde man etwas aus dem SAG gehoben. Außerdem wippte der Hinterbau bei 30 % SAG und offenem Dämpfer schon spürbar.
So schön es ist, dass der Dämpfer tief im Rahmen positioniert ist und den Schwerpunkt so niedrig hält und auch wenn das Carbonjack mit diesem Design aus dem Einheitsbrei heraussticht, hat es doch auch einen Nachteil. Um den 2-Position Hebel zu betätigen, mussten wir immer wieder absteigen, da dieser während der Fahrt nicht einfach zu erreichen ist.
Dennoch, mit dem verhärteten Dämpfer ging es bergauf schon deutlich besser.
Mit offenem Dämpfer blieben wir außerdem das ein oder andere Mal mit den Pedalen an diversen Hindernissen hängen. Kurz vom Sattel gesprungen, den Dämpfer zielsicher verhärtet und wieder auf dem Sattel konnte es weitergehen. Die Kombination aus 175 mm langen Kurbeln, tiefem Tretlager und 30 % SAG war in diesem Fall nicht ideal.
Eine weitere Anpassung haben wir im Laufe des Tests vorgenommen. Aufgrund des flachen Sitzwinkels in Verbindung mit dem Sattelauszug haben wir immer etwas von hinten getreten. Um dem entgegenzuwirken hat es geholfen, den Sattel ganz nach vorne zu schieben. So konnten wir besser Druck auf das Pedal geben.
Aufgrund dessen, dass wir fast ausschließlich im Mittelgebirge unterwegs sind, wo jeder Abfahrtsmeter aus eigener Kraft verdient werden muss, war uns die Uphill-Performance durchaus wichtig und so haben wir weiter überlegt, wie wir diese noch besser machen können.
Bei der Überprüfung der Anzahl der Volume Spacer im Float X2 Dämpfer hatten wir uns notiert, dass hier drei von vier enthalten sind. Das erklärt, warum das Carbonjack trotz des SAGs von 30 % beim Downhill zu keiner Zeit durchgeschlagen ist und somit für ein sattes Fahrgefühl gesorgt hat. Die Idee war, sich mit einem anderen Extrem auseinanderzusetzen. So haben wir alle Volume Spacer entfernt und den SAG auf 25 % abgestimmt.
Wir haben uns dadurch versprochen, dass das Bike aufgrund der linearen Abstimmung des Dämpfers mehr Gegenhalt im mittleren Federweg bekommt und wir somit beim Pedalieren nicht im Federweg versacken. Und siehe da, das war die Lösung des Rätsels.
Ab sofort konnten wir mit geöffnetem Dämpfer bergauf pedalieren und auch die Tranfers auf den Trails deutlich angenehmer gestalten.
Zu einer Bergziege ist das Carbonjack zwar nicht mutiert, aber wir konnten unsere Touren nun deutlich entspannter gestalten. Die Traktion am Hinterrad war sehr gut, womit das Bike vor allem auf Trail-Uphills punkten konnte. Die Front hatte zu keiner Zeit die Tendenz leicht zu werden oder gar zu steigen, was sicherlich auch den langen Kettenstreben zuzuschreiben ist.
Wie schlägt sich das Carbonjack jetzt eigentlich bergab??
Die Euphorie vor der ersten Abfahrt war riesig. Dämpfer auf, Kette rechts und ab auf den Trail. Dieser war ein recht schneller, geradeaus führender Pfad mit vielen Wurzeln und Steinen. Noch mit 30 % SAG kümmerte dies das Carbonjack 29 wenig. Es saugte alles auf eine sehr beeindruckende Art und Weise auf. Durchschläge waren trotz harter Schläge nicht zu spüren. Legt man beim Carbonjack 29 sein Hauptaugenmerk rein auf die Abfahrt, dann kann man mit der Einstellung von 30% SAG und vielen Spacern durchaus glücklich werden.
Interessanterweise hat das Carbonjack durch unsere Anpassungen des Luftdrucks am Dämpfer nichts von seinem potenten Verhalten verloren. Der Hinterbau hat nach wie vor sehr sanft angesprochen und auch die Schluckfreude bei harten Schlägen war unverändert groß. Im Gegenteil, wir hatten das Gefühl, dass wir es nun mit mehr Nachdruck fahren konnten und besser mit dem Untergrund spielen und über Wellen pushen konnten.
Dank des angenehmen Pops ließ sich das Antidote spielend über Sprünge bewegen oder aus Kurven herausdrücken.
Kurven sind ein gutes Stichwort. Während man bei vielen Bikes aufgrund der kurzen Kettenstreben und dem langen Front Centers sein Gewicht aktiv nach vorne verlagern muss, um Grip zu generieren, verhält es sich beim Carbonjack etwas anders.
Durch die langen Kettenstreben wandert der Schwerpunkt des Fahrers etwas nach vorne. Somit war es sehr leicht, Druck auf dem Vorderrad zu erzeugen. Gefühlt haben wir teilweise vor dem Lenker gehangen, was zunächst zu einem unausgewogenen Gefühl geführt hat. Lehnt man sich aber entspannt zurück und fährt mit etwas mehr Druck auf den Pedalen, legt das Carbonjack seine Zurückhaltung ab und man kann das volle Potenzial ausschöpfen. Wie bereits erwähnt, legt es in schnellen Passagen, auch wenn es rumpelig wird, eine sehr hohe Spurtreue an den Tag. Und auch Off-camber Passagen verlieren so ihren Schrecken.
Entgegen unserer Erwartungen hatten wir in Kurven nicht das Gefühl, dass sich das Carbonjack aufgrund der langen Kettenstreben träge anfühlt. Findet man den Sweetspot zwischen den beiden Achsen, ist die Traktion in Kurven sehr gut und man kann das Bike mutig reinlegen.
Fazit
Mit voller Euphorie haben wir auf dem Carbonjack 29 Platz genommen. Während das Bike bergab von Anfang an mit einem sehr guten Hinterbau überzeugt hat, mussten wir für geeignete Klettereigenschaften einige Anpassungen vornehmen. Diese haben zwar kein Cross-Country Bike aus dem Antidote Carbonjack gemacht, aber durchaus ein Enduro, welches zufriedenstellend bergauf fährt. Hat man seine Position auf dem Bike gefunden, wird man mit einer sehr guten Downhillperformance belohnt. An Exklusivität ist das Carbonjack nicht zu übertreffen und dafür sind nicht allein die 3.799,00 € für den Rahmen ohne Dämpfer verantwortlich, den die polnische Boutique Brand aufruft. Die neidischen Blicke mit diesem Bike sind einem jedenfalls gewiss. Und das nicht nur auf den ersten Blick. Auch bei genauerem Hinsehen kann die Verarbeitung vollends überzeugen. Glücklicherweise kann jeder für sich entscheiden, ob ihm diese Exklusivität das Geld wert ist.
Text: Philipp Kargel
Redaktion: Robin Krings
Fotos: Thorsten Illhardt