Als mir das Specialized Stumpjumper Expert zum Test angeboten wurde, war ich zunächst skeptisch. Ich bin seit geraumer Zeit nur auf langhubigeren Endurobikes unterwegs und war mir nicht sicher, ob das Stumpjumper mit seinen 140 mm an der Front und 131 mm am Heck meinen Anforderungen gerecht wird. Nochmals darüber nachgedacht, habe ich mich kindisch gefreut für den „goldenen Herbst“ einen leichteren Begleiter für ausgedehnte Trailrunden zu haben. Inwieweit das Specialized Stumpjumper vielleicht doch meine Anforderungen an ein abfahrtorientiertes Bike erfüllt und ob man mit einem 29“ Trailbike überhaupt einen Kompromiss eingehen muss, wird der Test zeigen.

Der erste Eindruck noch im Versandkarton: „Das ist aber leicht!“. Laut Herstellerangaben wiegt der Rahmen in Größe S3 gerade einmal 2250 g inkl. Dämpfer. Der erste Eindruck außerhalb des Versandkartons: „Das ist aber schick!“. Denn bei dem Testrad handelt es sich um das Stumpjumper Expert von 2021. Das Stumpjumper Expert kommt in einem schicken schwarzen Kleid daher. Die einzigen farblichen Akzente des Bikes sind die Einsteller und Verschlusskappen an den Federelementen. Alles andere ist schwarz und das Carbon schimmert edel durch den Klarlack … Mir gefällts.

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Was soll ich sagen? Schick ist es!

Specialized Stumpjumper – Rahmen & Ausstattung:

Zwei Besonderheiten sind mir beim 2021 Stumpjumper Rahmen direkt ins Auge gesprungen:

Als erstes natürlich: „Die Swat-Box“. Specialized führte die SWAT-Box schon 2016 ein und ermöglicht so alles Nötige für eine Tour (z.B. Riegel, Tools, Schlauch und/oder eine leichte Regenjacke) im Unterrohr verschwinden zu lassen und ohne Rucksack loszuziehen. Die 2021er Version wird noch geräumiger. Darüber hinaus legt Specialized dieses Jahr sowohl eine Tasche für Werkzeug sowie eine SWAT Blase für zusätzliche 600 ml Wasser bei. Beides vollbepackt im Unterrohr unterzubringen ist aber schon ein bisschen Fummelei. Ich kann mir vorstellen, dass dies bei kleineren Rahmengrößen nicht einfacher wird. Nichtsdestotrotz bin ich von der SWAT Box begeistert. Ich habe während des Testzeitraums meist eine leichte Jacke und die Tasche für Kleinzeug in der SWAT Box verstaut. So hatte ich alles nötige direkt am Rad und konnte beispielsweise die Tasche mit Werkzeug schnell in einem Rucksack verstauen, wenn ich auf einem anderen Rad unterwegs war. Praktisch ist auch das kleine Multi-Tool, welches direkt am Flaschenhalter montiert ist.

Zweitens wird am neuen Stumpjumper mit einer alten Tradition gebrochen und auf den Horst-Link verzichtet. So weicht das Lager auf der Kettenstrebe der sogenannten Flexstay. Hier wird ein wenig Flex durch eine geschickte Auslegung des Carbons an der Sattelstrebe ermöglicht. Das spart wieder ein paar Gramm, sorgt für mehr Steifigkeit und reduziert die Wartungsintensität des Rahmens. Die Flexstay wird jedoch nur bei den Carbon Stumpjumper Modellen eingesetzt. Sowohl beim Stumpjumper EVO als auch beim Aluminium Stumpjumper kommt nach wie vor ein Horst-Link zum Einsatz.

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Kein Horst-Link mehr, sonder eine Flexstay

Was mir beim Auspacken des Bikes direkt ins Auge sprang, ist das ungewohnt dicke Sattelrohr. Beim Stumpjumper wird auf die dicke 34,9 mm Variante zurückgegriffen. Dieses Einbaumaß ist zwar noch selten, aber aus Konstruktionssicht der Sattelstützenhersteller durchaus sinnvoll. Ich hoffe auf eine robuste, spielfreie Sattelstütze mit einem geringen Einbaumaß.

Weiterhin setzt Specialized auf das S-Sizing Konzept. Also kein Small, Medium, Large, sondern Größen von S1-S6, hier achtet Specialized insbesondere darauf, das Sattelrohr möglichst kurz und die Überstandshöhe möglichst gering zu halten. Ein kurzes Sattelrohr ermöglicht beispielsweise Flexibilität bei der Wahl der Rahmengröße. Falls ein Fahrer mit kürzeren Beinen lieber einen längeren Rahmen fährt, kann so auf die nächste Rahmengröße ausgewichen werden. So können Fahrer, ob groß oder klein, unabhängig von der Rahmengröße Sattelstützen mit langem Hub fahren. Schade finde ich, dass Specialized erst bei der größten Rahmengrößen S6 eine Sattelstütze mit 190 mm Hub anbietet. Ich persönlich möchte die Bewegungsfreiheit einer Sattelstütze mit ~200 mm Hub nicht mehr missen und hätte mir diese auch an meinem Testbike in Rahmengröße S5 gewünscht. Davon abgesehen, funktioniert die X-Fusion Manic Sattelstütze hervorragend, hat kaum seitliches Spiel und besticht durch einen sehr leichtgängigen Hebel.

Natürlich gibt es auch beim Stumpjumper die Möglichkeit den Dämpfer über eine Flip-Chip in einer hohen und einer tiefen Einstellung zu montieren. Hierzu muss der Dämpfer demontiert und der Flip-Chip an der unteren Dämpferaufnahme gedreht werden. Super einfach…sogar auf dem Trail eine Sache von 5 Minuten. Ich bin das Bike in beiden Einstellungen gefahren, fand es aber in der flachen Einstellung am ausgewogensten.

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Die Fox 34 Performance Elite – ohne Kaschima aber dafür passend zum Rahmen.

Das Fahrwerk des Stumpjumper Expert kommt aus dem Hause Fox. Vorne wird eine Fox 34 Performance Elite mit 140 mm Federweg, der GRIP2 Dämpfungseinheit, in diesem Fall mit besonders passenden schwarzen Standrohren verbaut. Die Gabel hat einen Offset von 44 mm. Ich bin mit einem Volumen Spacer und etwas mehr Luftdruck als für meine 82 kg empfohlen (90 psi) gefahren und war damit recht zufrieden. Getestet hatte ich noch mit zwei verbauten Tokens, fand die Gabel dann aber ein wenig bockig.

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Der Fox DPS Performance Elite mit Rx Trail Tune

Am Heck arbeitet der passende Dämpfer, ein Fox Float DPS Performance, aus gleichem Hause. Der Dämpfer wurde stark auf die Bedürfnisse von Specialized nach einem feinfühligen, aber immer noch verspielten und reaktionsfähigen Trailbike angepasst. Durch den sogenannten Rx Trail Tune verspricht Specialized ausreichend Durchschlagschutz, ohne das sensible Ansprechverhalten negativ zu beeinflussen oder dem lebhaften Character des Stumpjumper entgegenzuwirken. Gefahren bin ich den Dämpfer mit 220 psi und mit 4 Klicks (von geschlossen) Zugstufe und den Einsteller für die Low Speed Compression auf der mittleren Position. Der Dämpfer bietet auch die Möglichkeit zwischen drei Fahrmodi zu wählen. Ich habe mich lediglich bei der Auffahrt über Forststraßen für den Modus „Firm“, also geschlossen, entschieden, um noch etwas mehr Tritteffizienz herauszukitzeln. Ansonsten bin ich den Dämpfer stets offen gefahren.

Schaltung und Bremsen kommen aus dem Hause SRAM. Die X01 sorgt unauffällig für Gangwechsel und G2 RSC Bremse für Verzögerung. Sowohl bei Lenker und Vorbau, den Laufrädern und den Reifen greift Specialized auf Produkte aus hauseigener Produktion zurück.

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Die Deity „Knuckleduster“ sorgen für ordentlich Grip.

Wirklich gefallen haben mir die Griffe von Deity. Die Griffe namens „Knuckleduster“ sind mit einer sehr weichen Gummimischung, Lamellenstruktur an der Griff-Innenseite und einer Waben-Struktur an der Griff-Unterseite ausgestattet. Dies in Kombination mit einem Außendurchmesser von 32mm sorgt für ordentlich Grip. Hier sollte aber erwähnt werden, dass ich recht lange Finger habe. Fahrer mit kleineren Händen könnten den Außendurchmesser des Griffes als zu groß empfinden.

Specialized Stumpjumper – Fahreigenschaften:

Ich habe mich über die letzten Jahre dem Trend nach längeren und flacheren Bikes gebeugt. Mit meinen 1,85 cm und einer Schrittweite von ca. 88 cm habe ich um ein Testrad in der Rahmengröße S5 gebeten.

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Das S-Sizing: ein relativ kurzes Sattelrohr ermöglicht nach Wunsch auch eine Rahmengröße größer zu fahren.

Der erste Eindruck des Specialized Stumpjumper ist erfreulich gefällig. Selbst beim ersten Parkplatz-Test hatte ich das Gefühl, angenehm im Rad zu sitzen und freute mich auf ausgedehnte Touren mit meinem neuen Begleiter. Natürlich ist die Sitzposition etwas gestreckt. Dies liegt zum Teil am stattlichen Reach von 505 mm. Vielleicht auch am Sitzwinkel von 76°, den ich mittlerweile ein wenig steiler gewöhnt bin und ein wenig am 50 mm langen Vorbau. Im Grunde war ich mit der Sitzposition auf dem Rad zufrieden, habe dann aber doch nach der ersten Auffahrt den Sattel ein gutes Stück weiter nach vorne montiert, um mehr Druck auf die Pedale zu bekommen.

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Das Trailbike macht nicht nur auf Trails bergab eine gute Figur

Eine sportliche Sitzposition sorgt auf dem Specialized Stumpjumper für ordentlich Vortrieb. Unterm Strich geht das Stumpjumper super effizient und kraftsparend bergauf. Ich hatte immer das Gefühl, am Ende der Tour noch einen Berg in den Beinen zu haben und immer genug Körner für einen kraftvollen Antritt in die nächste Trail Sektion. Denn da fühlt das Stumpjumper sich ja zu Hause.

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(fast) immer fitte Beine, dank geringen Gesamtgewicht

Besonders viel Spaß hat mir das Stumpjumper auf seichten und verspielten Trails gemacht – Trail Bike eben. Hier lädt das Stumpjumper durch sein geringes Gesamtgewicht und der spritzigen Hinterbau Abstimmung (Rx-Tune) ein, es aktiv von der einen in die andere Richtung zu werfen. Insbesondere auf Strecken mit Kurven, die ausreichend Gegenhalt bieten, entfaltet das Bike sein volles Potential. Links rechts, links rechts … lässt es sich verspielt durch die Kurven drücken. Auch gesprungene Richtungswechsel sind mit dem Stumpjumper eine Freude. Der Hinterbau schluckt leichte Schläge ohne bei stärkerer Kompression, wie bei Anliegerkurven oder Sprüngen, durch den Federweg zu rauschen. Die Laufruhe des langen Radstandes in der Rahmengröße S5 ist einfach klasse und lädt zum Gas geben ein. Ich würde jedoch einen kürzeren Vorbau bevorzugen. Dies würde der leicht gestreckten Sitzposition ebenfalls entgegenwirken.

Durch die Agilität des Specialized Stumpjumper habe ich schnell vergessen, dass ich „nur“ auf einem Bike mit 131 mm Federweg sitze. Bis ich schmerzlich daran erinnert wurde, dass in dieser Bike-Kategorie die Sicherheitsreserven nicht ganz so üppig bemessen sind.

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Steil und rutschig: nicht der ideale Einsatzort für das Stumpjumper

Wird es jedoch steiler, steiniger und ein wenig nasser, kam das Stumpjumper auch mal an seine Grenzen. Als erstes haben sich die SRAM G2 RSC Bremsen bemerkbar gemacht. Diese sind zwar sehr gut zu dosieren, sorgen aber aufgrund fehlender Bisskraft für ermüdende Hände bei längeren Abfahrten.

Auch die verbauten Reifen haben ihre Vor- und Nachteile. Insbesondere der am Hinterrad montierte Specialized Purgatory mit der GRIPTON® Gummimischung besticht durch seinen geringen Rollwiderstand und trägt damit wohl einen großen Teil zu der hervorragenden Uphill Performance des Stumpjumper bei. Bei nassen Verhältnissen musste ich aber stets ein wenig vorsichtiger in Kurven gehen und die Bremspunkte einige Meter eher als gewohnt anpeilen.

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Black Beauty in freier Wildbahn

Fazit:

Das Specialized Stumpjumper hat mir den goldenen Herbst versüßt. Insbesondere für den Einsatz auf gemäßigten Strecken mit hohem Ausdaueranteil macht das Bike einfach Spaß. Ein Trail Bike wie es im Buche steht! Leicht, schick und verspielt – hier steht Fahrspaß und Effizienz im Vordergrund. Für 5499 € bietet Specialized ein durch und durch solide ausgestattetes Bike, dass dank geräumiger SWAT-Box zu Trail Abenteuern ohne Rucksack einlädt.


Text und Redaktion: Moritz Wester, Robin Krings
Fotos: Patrick Frech
Weitere Infos: Specialized.de

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