Neben den ganzen Bikes, die wir bisher testen durften, haben wir natürlich auch privat das ein oder andere Fahrrad im Keller stehen. So kam uns die Idee euch noch mehr an unserer Leidenschaft teilhaben zu lassen und präsentieren unsere Favoriten mit denen wir unterwegs sind, wenn wir nicht gerade ein Testvehikel unter dem Hintern haben.
Inhaltsverzeichnis
- Steckbrief:
- Der Rahmen:
- Die Laufräder:
- Das Fahrwerk:
- Der Antrieb:
- Die Bremsen:
- Der Rest:
- Aber nun zum wichtigsten Teil: Wie macht sich das Raaw Madonna V1 auf dem Trail?
- Aber wen interessiert es, wie das Raaw Madonna V1 bergauf geht…viel wichtiger ist doch, wie das Ding bergab geht. Ich muss sagen – sehr gut.
Steckbrief:
Editor: Moritz Wester
Größe: 1,85 m
Schritthöhe: 88 cm
Gewicht fahrfertig: 84 kg
Vorlieben Bike: entspricht voll dem Trend (lang & flach)
Vorlieben Trail: High-Speed mit ordentlich Gerumpel, gespickt mit dem ein oder anderen Sprung
Bike: Raaw Madonna V1, Größe XL, Custom Aufbau, ca. 16,4 kg
Ich bin seit geraumer Zeit ein Fan von One-Bike-Fits-All. Als dann im Oktober 2019 mein Carbon Trail Bike dem umfangreichen Einsatz nicht mehr standgehalten hat, musste es schnell gehen und Ersatz her. Zumal bot sich die Möglichkeit mit dem Wechsel auch gleich auf 29“ umzusteigen. Zunächst habe ich auch wieder mit diversen Enduro Rahmen aus Carbon geliebäugelt, aber erstens war keines der Carbon Bikes direkt verfügbar und zweitens hatte mich der in 2019 aufkeimende Alurahmen Trend fasziniert. Die in diesem Jahr erschienenen Rahmen hatten allesamt ein paar interessante Aspekte gemein: Sie haben alle eine durchaus stimmige Geometrie, langlebige Designs und einen im Vergleich zum Carbon Rahmen einen günstigeren Preis.
Der Rahmen:
Einer dieser Rahmen war das Raaw Madonna V1. Geiles auf Haltbarkeit ausgelegtes Konzept, moderne Geometrie und wie gesagt ein gutes Angebot.
Natürlich war ich auf einen Rahmen in „Raw“ scharf, die nur leider vergriffen waren. Direkt verfügbar war dann aber ein Rahmen in XL und in Rot. Eine Woche später hing der Rahmen dann im Wohnzimmer und war für den Aufbau bereit.
Vielleicht nochmal einen Schritt zurück. Was hat mich denn nun wirklich überzeugt auf das Raaw Madonna V1 zu setzen?
Ich wusste, der Aufbau wird kein Leichtgewicht. Alleine der Rahmen wiegt 3,8 kg ohne Dämpfer in Größe M. Ich bin 1,85 m groß, mag lange Bikes und habe wie gesagt einen Rahmen in XL … Ich habe den Rahmen einzeln nicht gewogen. Nach einem Leichtgewicht habe ich ja auch nicht gesucht, sondern nach einem One-Bike-Fits-All (Von der Feierabendrunde, über Enduro Rennen bis hin zum gelegentlichen Bikepark Besuch – Rekorde in der Bergwertung müssen es dann doch nicht sein). Weiterhin sollte das Bike auch länger halten, ohne dass ich andauernd in der Werkstatt stehen muss.
Zunächst mal waren die Geometriewerte überzeugend. Der Reach von 500 mm und der effektive Sitzwinkel von 78,2° ließ ein sportliches, abfahrtorientiertes Bike mit effizienter Trittperformance erwarten. Die mit der Rahmengröße wachsende Kettenstrebe von 450 mm vermittelt viel Uphillpotenzial und vor allen Dingen eine ausgewogene Gewichtsverteilung auf beide Räder, die sowohl beim Uphill als auch beim Downhill helfen sollte.
Aber das Hauptkaufargument war die angekündigte Langlebigkeit des Madonna V1: große Lager, ein steifer Hinterbau, genügend Reifenfreiheit und schrauberfreundliche, außen verlegte Züge. Dazu kamen noch die interessanten Gimmicks zum Verstauen eines kleinen Multi Tools, einer CO2-Kartusche und eines Tubolito Schlauches, bei denen ich mir gedacht habe: „Hey, da hat sich einer Gedanken gemacht, Sachen einfach zu lösen. Da muss der Rest vom Rahmen auch gut funktionieren.“ Bis darauf, dass ich bisher weder einen Schlauch, eine CO2-Kartusche oder ein Multi-Tool am Rahmen befestigt hatte, hat mich mein erster Gedanke zur Funktion des Rahmens nicht getrübt. Aber dazu mehr bei den Fahreindrücken.
Eins vorab zum Aufbau: ich bin nicht dafür bekannt besonders materialschonend zu fahren, daher habe ich beim Aufbau eher Wert auf Wirtschaftlichkeit und Stabilität gelegt.
Die Laufräder:
Da es zudem ja auch schnell gehen musste, habe ich bei der Ausstattung zunächst auf alles das zurückgegriffen, was irgendwo noch in der Redaktion verfügbar war. So verbaute ich die Crankbrothers Iodine 3 Laufräder, welche zwar sehr schick aussahen, dann aber doch dem recht harten Enduroeinsatz nicht gerecht geworden sind und schnell ausgetauscht werden mussten.
Mittlerweile fahre ich eine Kombination aus Hope Pro4 Naben und den neuen Stans ZTR Flow EX3 Felgen mit 32 Speichen. Die sind nicht besonders leicht (ca. 1900g für den Laufradsatz), sind aber auch nicht besonders teuer. Darüber hinaus sind die Laufräder steif, was mir insbesondere am Hinterrad sehr wichtig ist. Hier lässt sich kaum Flex feststellen. Die Laufräder halten insbesondere in schnellen offenen Kurven die Spur und setzen jede Richtungsänderung direkt um.
Um Durchschlägen vorzubeugen, habe ich Cushcore Einlagen in beiden Laufrädern eingezogen. Im Vergleich zur günstigeren Konkurrenz drücken die Cushcore Einlagen die Reifen ordentlich in die Felge und beugen somit Burping vor. Mein normales Szenario zu platten Reifen läuft normalerweise wie folgt ab: erste Kurve – Druckverlust durch Burping, nächster Stein – Reifen kaputt. Das Szenario hat mich letzte Saison 3 Reifen und eine neue Felge gekostet, daher war Cushcore meine erste Wahl beim Raaw Madonna V1. Jedoch ist auch Cushcore nicht über jeden Zweifel erhaben. Die erste Ausfahrt mit dem neuen Rad hat direkt eine ordentliche Delle in der Felge hinterlassen.
Bei der Bereifung wollte ich mal neue Wege gehen und hab die neuen Michelin Wild Enduro aufgezogen. Der erste Satz Reifen hat einen Laufradsatz überlebt, Grip und Haltbarkeit haben mich nach 7-8 Monaten überzeugt und der nächste Satz ist schon bestellt. Ich fahre die Reifen trotz Cushcore mit einem Luftdruck von 1,5 bar vorne und 1,8 bar hinten.
Das Fahrwerk:
Bei der Gabel hat mir Patrick mit seiner „alten“ Fox 36 Factory Grip 2 mit 160 mm ausgeholfen. Leider hat sich herausgestellt, dass der Gabelschaft für das lange Steuerrohr (130mm) des Raaw Madonna V1 zu kurz war…Was nun tun? Obwohl ich skeptisch war, habe ich mir von MRC Tuning einen neuen Gabelschaft von ND-Tuned verpressen lassen. Ich hatte die Gabel nach 3 Tagen wieder zurück und seitdem verrichtet die sie ohne Probleme ihren Dienst. Trotz des hohen Stacks (648mm) fahre ich einen 1cm Spacer unter dem Vorbau.
Aktuell fahre ich im Rahmen den standardmäßig verbauten Fox DPX2 Factory, der vom Design wunderbar zur Fox 36 Factory passt, jedoch von der Performance nicht ganz hinterherkommt. Die Gabel arbeitet, wenn gut geschmiert, butterweich. Der Dämpfer hingegen scheint recht straff abgestimmt zu sein und benötigt viel Momentum, um ordentlich auf Schläge zu reagieren. Leider hält der Dämpfer dann aber stärkeren Kompressionen nicht Stand und sackt etwas durch den Federweg. Über Kurz oder Lang wird der Dämpfer dann wohl gegen einen Fox DHX2 oder Fox Float X2 ausgetauscht.
Der Antrieb:
Hier verrichtet ein SRAM GX Eagle Schaltwerk in Kombination mit einer E*Thirteen LG1 Carbon Kurbel ihren Dienst. Die Kurbel ist aktuell das einzige Bauteil aus Carbon und ist wahrscheinlich der einzige Grund warum der Aufbau unterhalb von 17 kg bleibt. Beim Schaltwerk lege ich, genau wie mein Kollege Philipp, Wert auf Funktion und Wirtschaftlichkeit, da ich dank meines elfengleichen Fahrstils doch gerne mal ein Schaltwerk himmle.
Eines ist das Raaw Madonna V1 leider nicht, nämlich leise… Daher versuche ich mich grade am STFUBike von Chris Kovarik. Erste Tests zeigen Besserung. Scheppern tut es trotzdem.
Die Bremsen:
Bei den Bremsen setze ich auf die SRAM Code RSC mit 200er Scheiben vorne und hinten. Da das Fahrrad ja sehr abfahrtsorientiert ausgelegt ist, brauche ich eine sehr potente Bremsanlage und die SRAM Code hat mich bisher nicht enttäuscht. Wirklich positiv überrascht hat mich das Bleeding Edge System zum Entlüften der Bremsen. Für einfaches Entlüften war das alte System ja nicht bekannt. Das war auch ein Grund für mich, längere Zeit einen großen Bogen um Bremsen von SRAM zu machen. Aber mit Bleeding Edge war es super einfach und sauber die Bremsen zu entlüften.
Der Rest:
Zunächst hatte ich eine Sattelstütze mit 150 mm Verstellbereich verbaut. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich mit meinen recht langen Beinen, dem steilen Sitzwinkel und dem großen Rahmen, der einem doch einen sehr aktiven Fahrstil abverlangt, mehr Platz benötige. Darum habe ich nun eine OneUp Components Dropperpost V2 mit 210 mm Verstellbereich verbaut. Ich bin absolut begeistert und hätte nie gedacht, dass die zusätzlichen 60 mm so einen großen Unterschied im Handling des Bikes machen. Beispielsweise ist der Sattel beim Tabeltop nicht mehr im Weg und auch unliebsame Begegnungen zwischen Sattel und Gemächt bei steilen Abfahrten gehören der Vergangenheit an.
Beim Cockpit setzte ich auf einen 35 mm langen Vorbau von Acros, gepaart mit einem Race Face Turbine Lenker mit 780 mm Breite. Der Lenker lag noch im Keller, wie man das so kennt – „Provisorien halten am längsten“. Auf die Griffe habe ich dann wieder mehr Wert gelegt und fahre die DMR Deathgrip in der dicken Variante. Die passen zu meinen langen Fingern, haben ordentlich Dämpfung und haben durch die Waffelstruktur, sowie durch die Lamellen an der Griffinnenseite ordentlich Grip. Das entspannt die Hände und sorgt für mehr und längeren Spaß auf dem Trail.
Bei den sonstigen Anbauteilen setze ich zum Beispiel auf die neuen Shimano XT Enduro Klickpedale. Diese haben eine gute Auflagefläche, langlebige Cleats und sind im Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar. Darüber hinaus fahr ich eine mittlerweile zweieinhalb Jahre alte Fidlock Flasche und eine Kettenführung inkl. Bashguard von OneUp Components. Der schöne schwarze Chainguide war leider schon verschließen, daher ist nun der wunderschöne grüne verbaut. Beim Sattel setze ich auf den 611 active von SQlab. Der passt einfach.
Aber nun zum wichtigsten Teil: Wie macht sich das Raaw Madonna V1 auf dem Trail?
Dank der nun doch knapp 16,5 kg (ca. 3,5 kg mehr als mein altes Bike) waren die Uphills in den ersten drei Wochen echt anstrengend. Insbesondere die schweren Laufräder (inkl. 500 g Cushcore) haben mir ordentlich Schweiß auf die Stirn getrieben. Aber seit sich meine Beine ein wenig an das neue Bike gewöhnt hatten, ging es mit ordentlich Vortrieb wieder auf Höhenmeterjagt. Auch in technischeren Uphill Passagen macht das Bike eine gute Figur, lässt sich trotz seines Radstandes von 1291mm kontrolliert durch enge Kurven zirkeln, profitiert von den Überrolleigenschaften der 29“ Laufräder und behält auch in steilsten Anstiegen dank der 450mm Kettenstrebe die Traktion auf beiden Rädern.
Aber wen interessiert es, wie das Raaw Madonna V1 bergauf geht…viel wichtiger ist doch, wie das Ding bergab geht. Ich muss sagen – sehr gut.
Natürlich gibt es im Moment viele Räder auf dem Enduromarkt, die bergab eine sehr gute Performance abliefern und auch das Raaw Madonna V1 kann sich in diese Riege einreihen. Der erste Eindruck, der bereits erwähnten Geometriedaten trügt nicht. Bei hohen Geschwindigkeiten macht das Bike am meisten Spaß. Obwohl der Dämpfer ein wenig der Gabel hinterherhinkt, bügelt das Bike über alles drüber. Wird es richtig schnell und ruppig, müssen die Arme und Beine trotz 160 mm ordentlich mitarbeiten. Dafür lässt sich das Bike präzise auf Linie halten und man hat das Gefühl Pilot und nicht Passagier zu sein.
Das Rad liegt satt in der Luft, hat aber keine Ambitionen zu großen Tricks, dafür ist es dann doch ein wenig zu groß. Besonders wohl fühlt es sich in Kurven. Kleine Radien, große Radien, ruppige Kurven oder planierte Highspeed Anlieger – egal, einfach draufhalten und Spaß haben. Leider ist es, wie erwähnt nicht das leiseste Bike und der Kettenschlag lässt sich trotz meterweise Slappertape und STFUBike nicht ganz unterdrücken.
Ich fahre das Bike jetzt seit knapp 8 Monaten und bin sehr zufrieden. Egal ob bergauf, bergrunter, Jumplines oder technisches Geballer, das Raaw Madonna V1 hält was es verspricht.
Text: Moritz Wester
Redaktion: Robin Krings
Fotos: Philipp Kargel