Teleskopsattelstützen sind von einem heutigen Enduro- oder Trailbike nicht mehr wegzudenken. Auch im Cross Country Rennen sind die Teile inzwischen so langsam angekommen. Über den Vorteil muss nicht lange diskutiert werden, denn lässt man das Gewicht außer acht, liegen die Vorteile auf der Hand. Einen kleinen Nachteil möchten wir jedoch nicht unterschlagen – die teils fummelige Montage der Leitungen und Züge. Wäre da nicht die Magura Vyron eLECT.
Magura Vyron eLECT im Einzeltest
Die Magura Vyron eLECT ist die erste Remote Sattelstütze mit einer echten Fernbedienung. Kein Zug und keine Hydaulikleitung muss teils fummelig durch den Rahmen gefriemelt werden – die Vyron funktioniert rein elektrisch per Funk. Aber mal langsam…
Inhaltsverzeichnis
Funktionsweise
Das absolute Novum im Bereich der Teleskopsattelstützen ist die Funkübertragung des Triggersignals von der Fernbedienung zur eigentlichen Stütze. Magura macht sich hier den ANT+ Funkstandard zu Nutze und hatte so die Möglichkeit, das Bedienelement leicht und platzsparend zu konstruieren. Im Bedienelement ist eine CR2032 Knopfbatterie untergebracht, welche lange ohne Austausch auskommen sollte. Auf dem Bedienelement ist nicht nur der Knopf zur Betätigung der Stütze vorhanden, sondern auch zwei weitere für Magura eLECT Fahrwerke. Die Fernbedienung ist aus Kunststoff und wird mittels Gummi am Lenker gehalten. Jedes Bedienelement wird bei Inbetriebnahme auf die jeweilige Stütze abgeglichen, sodass man nicht aus Jux und Dollerei seinen Nebenfahrer „absenken“ kann.
In der eigentlichen Sattelstütze sitzen zwei Kammern, welche typischerweise mit Magura Royal Blood Mineralöl gefüllt sind. Diese beiden Kammern sind über ein Ventil miteinander verbunden, welches von einem kleinen Stellmotor angesteuert wird. Betätigt man die Fernbedienung wird dieses Ventil per Funksignal für eine kurze Zeit geöffnet und das Öl kann von einer in die andere Kammer strömen. Belastet man dabei die Sattelstütze von oben, senkt sich diese ab. Dabei wird intern eine Luftkammer komprimiert und nimmt damit Energie zum herausfahren auf. Wird der Taster im abgesenkten Zustand erneut betätigt, „entlädt sich“ diese Luftkammer und die Stütze fährt in die Ausgangslage zurück. Der Stellmotor ist im stromlosen Zustand geschlossen. Dies sorgt nicht nur für einen geringen Energieverbrauch, sondern auch für eine sicher arretierte Position. Energieverbrauch, das Stichwort! Knapp 400 Auslösungen soll die Sattelstütze mitmachen, bevor der Akku leer ist. Das nötige Nachladen per USB Kabel kündigt sich dadurch an, dass die Funkverbindung nicht mehr funktioniert. Gut ist, dass es am Stützenkopf noch einen Notfalltaster gibt, welcher noch bis zu 20 manuelle Bedienungen ermöglicht. Den Ladezustand der Stütze kann man übrigens anhand eines Blink-Codes am Stützenkopf auslesen… besser jedoch nicht während der Fahrt.
Specs
- Verstellbereiche: 150 mm, 125 mm, 100 mm
- Einbauhöhe: 57-207 mm
- Länge: 446 mm, 421 mm, 396 mm
- Durchmesser: 30,9 mm, 31,6 mm
- Bedienung: Per Funk, kabellos
- Gewicht: 595 g
- Preis: 449 €
Erster Eindruck
Direkt beim Auspacken fiel uns die Fernbedienung ins Auge, welche wir für eher fragil halten. Die Befestigung mit einem Gummi machte nicht den vertrauenerweckendsten Eindruck. Wie sich später im Test herausstellte, nicht zu unrecht. Bei 2-3 Stürzen mussten wir Fernbedienung und Gummi auf dem Trail zusammensuchen. Warum Magura nicht ein Betätigungselement NUR für die Vyron eLECT anbietet ist uns nicht klar, denn kompatible Magura Fahrwerke findet man auf dem Trail eher selten. Die beiden Knöpfchen sind somit für unseren Einsatz im Endurosektor eher unnötig. Der eigentliche Taster dürfte ruhig etwas größer ausfallen. Immerhin wird ein Plastiküberzieher mitgeliefert, welcher das Betätigungsfeld wirkungsvoll vergrößert. Ein mittels Klemme befestigter Taster mit großem haptischen Bedienfeld halten wir für empfehlenswert.
Die Stütze an sich schaut generell aus wie Konkurrenzprodukte. Der Unterschied ist allerdings der, dass es keinen Anschluss für einen Zug oder eine Hydraulikleitung gibt. Dafür befindet sich jedoch auf der Rückseite am Stützenkopf die nötige Einheit mit Akku und Elektronik. Auch die USB Ladebuchse und der Taster zum Ein- und Ausschalten befindet sich dort. Abgedeckt von einer einfachen Gummidichtung, welche auch als Nottaster fungiert. Unser erster Gedanke: wie soll ich damit in den Schlepplift? Immerhin gibt es davon auf Endurorennen und in Bikeparks einige. Die Rückfrage bei Magura ergab, dass die Vyron eLECT nicht für Schlepplifte freigegeben ist. Hmpf! Uns wurde erklärt, dass sich eine Umhausung aus Metall zum einen negativ auf das Gewicht der Stütze niederschlagen würde, zum anderen wäre auch die Funkverbindung beeinträchtigt. Die Montage der Stütze ist ungewohnt, aber erfreulich einfach: In den Rahmen stecken, Sattel drauf, fertig! Nach der Montage begeistert die Stütze durch nicht vorhandenes Seitenspiel.
Auf dem Trail
Auf dem Trail ist erst einmal Eingewöhnung erforderlich, denn die Funktionsweise der Magura Vyron eLECT ist grundlegend anders als bei Produkten mit mechanischer Fernbedienung.
Möchte man den Sattel absenken, muss man diesen wie gewohnt belasten, dann jedoch kommt die Krux: Der Taster muss einmal kurz betätigt werden. Nach einer kurzen Zeit öffnet das Ventil für einen definierten Moment und die Stütze kann mit dem Hintern abgesenkt werden. Eine gewohnte mechanische Rückmeldung bleibt dabei systembedingt aus. Dies ist auf jeden Fall ungewohnt und wirklich anders. Ebenso verhält es sich beim Hinausfahren der Vyron. Möchte man eine Zwischenstellung anfahren, wird dies zum Geduldsspiel. Man muss den richtigen Zeitpunkt nach Tasterdruck erwischen und mit dem Allerwertesten die gewünschte Position „einstellen“. Auf der Straße mag dies gehen, auf dem ruppigen Trail, wenn´s schnell gehen muss, eher nicht. Bei mechanisch gekoppelten Stützen kann man den Hebel so lange drücken, bis die gewünschte Position erreicht ist und dann loslassen. Das mögliche Zusammenspiel von Daumendruck und Gewichtsverlagerung haben wir im gesamten Testzeitraum bei der Magura Vyron eLECT vermisst. Auch wenn man den Taster betätigt, die Stütze absenkt und aufsteht bevor das Ventil geschlossen ist fährt sie in die obere Position zurück. Wir wünschen uns bei einer Funk- Sattelstütze die gleiche intuitive Usability wie von mechanisch betätigten Pendants.
Bereits nach der ersten Ausfahrt macht sich unser Testmuster durch lautes internes Klappern im abgesenkten Zustand bemerkbar. Ebenso senkte sich die Stütze unter Belastung selbstständig 10-15 mm ab. Nach einem kurzen Pit-Stop am Magura Stand auf dem Bikefestival in Riva 2018 wurden diese Probleme binnen kurzer Zeit erfolgreich behoben. Was gemacht wurde haben wir nicht erfahren. Bereits zwei Monate später musste die Magura Vyron eLECT erneut zum Service. Das Bedienelement ließ sich trotz getauschter Batterie nicht mehr einschalten. Nachdem die Nottaste am Stützenkopf betätigt wurde ließ sich ein manuelles Absenken der Vyron herbeiführen, jedoch war deutlich hörbar wie das Ventil kurz darauf alleinig erneut öffnete und die Stütze wieder heraus fuhr. Magura sandte die Stütze zeitnah ohne festgestellten Defekt zurück – und in der Tat funktionierte sie wieder.
Die Magura Vyron eLECT hat eine Energiesparfunktion, welche die Stütze auf längerer ruhiger Fahrt auf der Straße, oder Nichtbenutzung nach 10 Minuten in den Ruhezustand versetzt. Dies ist generell kein Problem, denn per Doppelklick auf den Betätiger lässt sich die Elektronik aufwecken und in den aktiven Modus versetzen. Theoretisch. Leider jedoch versetzte sich unser Testmuster sporadisch auch auf dem Trail in Dauerschlaf. Selbst wenn die Stütze ein paar Sekunden zuvor noch bedient wurde, passierte auf manchen Tastendruck….. nichts! So gab es ein paar brenzlige Situationen, in denen die nötige und erwünschte Absenkung nicht funktionierte. Mit Vollgas und erhobenen Sattel ging es einmal ins Steinfeld und ein anderes Mal ins Steilstück. Dies sorgt im Rennen harmlosesten Falls für eine versaute Zeit, im schlimmsten Falle jedoch resultiert das Verhalten in einem schlimmen Sturz. Auf Nachfrage bei Magura antwortete man uns, es müsse sich um einen erneuten Defekt handeln.
Möge der Saft mit uns sein – 400 Betätigungen pro Akkuladung gibt Magura an. In der Tat standen wir nie mit leerem Akku im Wald. Wie viele Bedienungen letztendlich möglich sind haben wir nicht gezählt, aber sporadisch alle paar Ausfahrten, oder vor einem langen Testwochenende haben wir die Vyron vorsorglich ans Netz gehangen.
Fazit
Die Grundidee eine Teleskop Sattelstütze zu entwickeln welche ohne aufwändige Zugmontage auskommt, ist super. Allerdings muss man sich die Frage stellen, wie oft der Endverbraucher diesen Schritt wirklich ausführt. Auch kann man die Magura Vyron eLECT durch die einfache Montage theoretisch in verschiedenen Bikes nutzen – nur macht man das?
Die Magura Vyron eLECT würden wir Fahrern empfehlen, die ihren Sattel gelegentlich einmal absenken und weniger auf Endurotrails unterwegs sind, bei denen eine häufige und schnelle Bedienung der Stütze von Nöten ist. Dazu passt dann auch die Magura TS8 eLECT Gabel mit dem Einsatzgebieten CC und Marathon, welche sich ebenfalls mit der Fernbedienung koppeln lässt. Auch der klassische All-Mountain Einsatz ist dadurch für uns denkbar.
Für unseren Einsatzzweck am Enduro Bike wünschen wir uns eine intuitivere Bedienung durch Synchronität von Tasterbetätigung und Ventilöffnung, wie bei herkömmlichen Produkten mit mechanischer Kopplung. Wir konfrontierten Magura mit unseren Kritikpunkten und bekamen zur Antwort, dass eben die verwendete Lösung nicht änderbar sei.
Die fehlende Schleppliftfreigabe für den gelegentlichen Bikeparkeinsatz oder für das ein oder andere Endurorennen (EnduroONE mit Schlepplift-Shuttel) schmälert unserer Meinung nach den Einsatzbereich zusätzlich.
Weitere Infos: Magura.com/de
Fotos und Text: Thorsten Illhardt
Hallo Jack,
leider können wir dir keine Antwort zu deiner Frage zu den Funksignalen geben. Wir stecken zu wenig in der Materie „Funk“ drinnen, als dass wir eine qualifizierte Aussage treffen könnten.
VG, Thorsten
Gratuliere zu ihrem Test. ich kann mir durchaus vorstellen , dass die Magura Sattelstütze noch in den Kinderschuhen steckt.
Ich habe vor 2 Monaten die Stütze an meinem E-Bike montiert. Nach 50m Fahren sackte die Stütze ein und dann ging nichts mehr.
Mit dem Notfallknopf konnte die Stütze nur noch ausgefahren werden. Könnte es sein, dass der Fahrradcopmuter Garmin Edge 305 auf die Sattelstütze einwirken kann?
Wie unterscheiden sich die Funksignale von Sattelstütze und Geschwindigkeit/Trittfrequenz?
Nun warte ich auf die Garantiereparatur. 31.8.2021 Jack Sigrist