Neben den ganzen Bikes, die wir bisher testen durften, haben wir natürlich auch privat das ein oder andere Fahrrad im Keller stehen. So kam uns die Idee, euch noch mehr an unserer Leidenschaft teilhaben zu lassen. Wir präsentieren euch unsere Favoriten, mit denen wir unterwegs sind, wenn wir nicht gerade ein Testvehikel unter dem Hintern haben. In diesem Artikel stellt Philipp sein Knolly Fugitive LT vor…
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
Editor: Philipp Kargel
Größe: 1,73 m
Schritthöhe: 79 cm
Gewicht fahrfertig: 80 kg
Vorlieben Bike: laufruhig, tendenziell plüschigeres Fahrwerk
Vorlieben Trail: Trails mit natürlichem Charakter
Bike: Knolly Fugitive LT, Größe L, Custom Aufbau, 15,38 kg
Das Herzstück – der Rahmen
Meine Vorliebe zu Knolly fing mit dem Film „Where the trail ends“ an, als ich das Knolly Podium zum ersten Mal sah. Mir gefielen zwei Sachen: 1. Das Linkage Design des Four by 4 Hinterbaus, da es sich allein von der Optik von anderen Bikes aus der Masse abhebt. 2. Der Name Knolly. Da war als gebürtiger Rheinhesse direkt die Assoziation zur Kartoffel, umgangssprachlich auch Knolle genannt, vorhanden. Fand ich irgendwie lustig, warum auch immer. Als ich dann nach kurzer Recherche auch noch herausfand, dass der damalige deutsche Importeur und Vertrieb für Knolly Bikes – Tri-Cycles in Wiesbaden – quasi fast vor meiner Haustür war, führte schnell eins zum anderen. Ein erster Blick, eine erste Probefahrt und ich kaufte mir mein erstes Knolly – das Warden in Alu.
Ende 2018 erspähte ich dann, ebenfalls bei Tri-Cycles, einen der ersten in Deutschland verfügbaren Rahmen des neuen, bereits lang angekündigten 29ers von Knolly. Es war erneut Liebe auf den ersten Blick. Der robuste engineering Look in Aluminium Raw mit den schicken Schweißnähten überzeugte mich sofort. Als jemand, der sich viel mit Geometriedaten beschäftigt, wusste ich auch sofort, dass mir der Rahmen in Größe L passen wird und ich kaufte den Fugitive LT Rahmen ohne zu zögern und ohne Probefahrt – bis heute habe ich es nicht bereut.
Eine Idee für den Aufbau war ebenfalls schnell vorhanden. Das Knolly Fugitive LT sollte ein treuer Gefährte werden, der für jede Schandtat bereit ist. Hauptsächlich bin ich im Mittelgebirge ohne Lift oder Shuttle unterwegs. Und so war ein Kriterium, dass es gut bergauf klettern, aber bergab nicht die Spaßbremse sein sollte. Da ich aber auch das ein oder andere Mal im Jahr in alpinem Gelände unterwegs bin, musste es auch für diese Abenteuer gewappnet sein. Das heißt, das Bike sollte in erster Linie mit Performance auf dem Trail, aber auch Haltbarkeit und Wartungsarmut überzeugen. Der recht massive Aluminiumrahmen war für mich eine sehr gute Basis.
Das Fahrwerk
Die orangenen Farbakzente am sonst in Alu Raw gehaltenen Rahmen haben förmlich danach geschrien eine orangene Fox zu verbauen und so fiel die Wahl auf eine Fox 36 Grip2 mit zunächst 150 mm Federweg. Da habe ich mich an der Ausstattung der Komplettbikes von Knolly orientiert, die ebenfalls mit 150 mm an der Front daherkommen.
Beim Dämpfer geisterte kurz der Gedanke in meinem Kopf herum, ob ich nicht auf einen Coil-Dämpfer setzen soll. Mit Blick auf das Gewicht des Rahmens und den geplanten Einsatzzweck fiel meine Wahl letzten Endes auf den DPX2 Dämpfer von Fox. Der Dämpfer ist deutlich leichter als ein vergleichbares Federbein mit Stahlfeder. Aufgrund dessen, dass man mal mit, mal ohne Rucksack, mal mit schwerem und mal mit leichtem Gepäck unterwegs ist, war auch die einfachere Anpassungsmöglichkeit der Federrate auf das Systemgewicht ein entscheidendes Kriterium. Und auch das sollte sich definitiv nicht als falsche Wahl herausstellen.
Was mir an dem Hinterbau des Fugitive LT gefällt ist, dass er sehr feinfühlig ist, aber dennoch genügend Gegenhalt und Feedback bietet ohne dabei eine super aggressive Fahrweise an den Tag legen zu müssen. Wenn man es dann doch mal ausreizen will, liefert das Fugitive LT mit seinen gerade mal 135 mm Federweg immer noch ausreichend Reserven. Was die Uphill-Performance anbelangt, so eilt jedem Knolly ein sehr guter Ruf voraus. Der Hinterbau stellt bergauf massig Traktion zur Verfügung ohne zu schwammig zu sein. Wer also gerne auch über Trails bergauf fährt, der sollte sich das Fugitive LT mal genauer ansehen. Alles in allem kann man sagen, dass das Fugitive LT ziemlich genau zu meinen Anforderungen an ein Mountainbike passt.
Bei meinem Trip nach Serfaus musste sich das Knolly Fugitive LT unter anderem auch im Bikepark beweisen. Kurz darauf dann auch beim 3 Länder Enduro Race in Nauders. Bei beiden Ausflügen habe ich festgestellt, dass die lediglich 135 mm Federweg am Heck doch ordentlich was wegstecken, die Front sich aber auf schnellen Trails etwas nervös anfühlte. Hier kamen die ersten Gedankenspiele auf, den Lenkwinkel an der Front etwas flacher zu gestalten. Nachdem ich dann Anfang des Jahres mit dem Bike auf La Palma war und die Wahrnehmungen erneut aufkamen, stand meine Entscheidung fest. Ich entschied mich dafür die Federgabel auf 160 mm Federweg umzurüsten. Die Idee dahinter war, dass sich der Lenkwinkel um ein halbes Grad auf 64,5° abflacht und ich gleichzeitig einen Zentimeter mehr Federweg an Reserve habe. Zumindest die theoretischen Überlegungen haben sich bewahrheitet und auch die ersten Post-Covid-19 Ausflüge haben sich bislang gut angefühlt.
Die Bremsen
Bei den Bremsen setze ich schon einiger Zeit auf Shimano XT Bremsen. So auch beim Fugitive LT. Die XT Bremsen sind für mich bislang das Sinnbild für sorglose Bremsen und in der Variante mit vier Kolben stellt die Bremse für mich genug Bremskraft zur Verfügung. Ein weiterer Vorteil ist der, dass ich meine Ersatz- bzw. Verschleißteilesammlung in der Werkstatt gering halten kann. Nur bei einer Sache an der Bremse setze ich nicht auf Shimano. Bei den Bremsbelägen verbaue ich die Beläge von Galfer, da ich das Gefühl habe, dass sie nochmal bissiger sind als die Standardbremsbeläge von Shimano. Seit kurzem fahre ich vorne und hinten Bremsscheiben mit 203 mm Durchmesser. Das hat für mich den Vorteil, dass ich nur eine Ersatzbremsscheibe im Gepäck haben muss, wenn es auf Reisen geht. Und der Performance tut dies keinen Abbruch.
Die Laufräder
Was den Laufradsatz anbelangt bin ich ehrlich gesagt von Anfang an einen starken Kompromiss zu Gunsten des Preises eingegangen. Knolly verwendet beim Fugitive LT den Super Boost Nabenstandard für das Hinterrad. Der Nachteil an diesem Standard ist, dass es kaum Auswahl an leichten Systemlaufrädern gibt, die preislich attraktiv sind. So musste ich auf einen individuellen Aufbau setzen. Damit der Preis für meinen Gesamtaufbau nicht explodiert, habe ich mich für Hope Pro4 Naben, DT Swiss Comp Speichen und Ibis 938 Aluminiumfelgen entschieden. Der Laufradsatz hat sich zwar als sehr robust erwiesen und hat auch härtere Abfahrten bis auf eine kleine Delle schadlos überstanden. Und so habe ich an diesem Laufradsatz eigentlich nichts auszusetzen, aber das Gewicht von zwei Kilogramm für den kompletten Laufradsatz sind für den Einsatzzweck des Bikes eigentlich nicht zeitgemäß und selbst robuste Endurolaufräder sind schon leichter. Hier werde ich wohl kurzfristig nochmal tätig werden, auch um das Gesamtgewicht des Bikes zu drücken. Denn das liegt aktuell bei 15,38 kg.
Den Kontakt zum Boden stelle ich mit dem Maxxis Assegai 2,5 WT mit Double Down Karkasse und MaxxGrip Gummimischung an der Front und dem Highroller II 2,5 WT DD MaxxTerra her. Eine schwere Reifenkombination die theoretisch auch noch viel Spielraum besitzt, um das Gewicht zu drücken. Gerade der Assegai ist in der Variante mit über 1300 Gramm ein absolutes Schwergewicht. Aber vom Grip und der Dämpfung bin ich absolut überzeugt und möchte beides eigentlich nicht mehr missen. Vielleicht erbarmt sich ja aber Maxxis mal und produziert einen Assegai mit MaxxGrip Gummimischung und der Exo oder Exo+ Karkasse für das Vorderrad so wie sie es beim Minion DHF bereits anbieten. Am Hinterreifen bevorzuge ich definitiv die stabile Karkasse, denn ich hasse es auf dem Trail einen Platten beheben zu müssen. Sollte ich dennoch mal nicht drum herumkommen einen Schlauch einsetzen zu müssen, habe ich immer einen sauberen dabei. Den Schlauch habe ich zusammen mit einer CO2-Kartusche in der Drybag von 76 Projects am Rahmen befestigt.
Beim Reifendruck bin ich recht penibel und überprüfe diesen vor jeder Ausfahrt. Am Vorderreifen fahre ich mit einem Luftdruck von 1,5 bar und am Hinterrad 1,7 bar. In der Kombination mit der breiten Ibis Felge (34 mm Innenweite) und den WT Reifen habe ich so einen guten Mix aus Kurvenhalt, Traktion und Durchschlagschutz.
Der Antrieb
Da ich, wie gesagt die meisten Höhenmeter selbst erklimme, habe ich mich für eine 12-fach Eagle Schaltung von SRAM entschieden. Allerdings habe ich auch hier wieder versucht einen für mich akzeptablen Mix aus Gewicht, Preis und Leistung hinzubekommen. So habe ich als Schaltwerk die GX-Variante gewählt, da ein Gewichtsunterschied (14 g) zum X01-Schaltwerk fast nicht vorhanden ist und entgegen seines Rufs ist das Schaltwerk bislang auch wenig zickig. Für mich aber der wichtigste Grund, ist der Preis. Das Schaltwerk ist ein exponiertes Bauteil und die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Kontakt zu einem Stein oder ähnlichem aufnimmt ist nicht gering. Da tut ein GX-Schaltwerk im Geldbeutel weniger weh als ein X01-Schaltwerk. Kassette und Kette habe ich im Bundle gekauft und mich da für die Version X01 entschieden. Da SRAM Kassetten in der Regel eine sehr lange Lebensdauer haben, war es mir den Aufpreis wert zumal ich dadurch fast 100 Gramm gegenüber der GX-Version einsparen konnte.
Bei der Kurbel setze ich auf eine Race Face Next R Kurbel in 170 mm Länge und einem Kettenblatt mit 32 Zähnen. Das normale Boost Kettenblatt fahre ich verkehrt herum, um die ideale Kettenlinie für Super Boost zu erhalten. Das funktioniert tadellos.
Die restlichen Anbauteile
Bleiben noch das Cockpit und der Sitzbereich. Anfangs hatte ich den Syntace Megaforce2 und Syntace Vector Carbon Lenker verbaut. Da ich aber irgendwie ein Faible für die Systemintegration von Tools und Ersatzteilen am Bike entwickelt habe, entschied ich mich den Vorbau von Oneup mit dem EDC Tool zu verbauen. Da es diesen Vorbau nur mit einer Lenkerklemmung von 35 mm gibt, musste auch ein neuer Lenker her. Die Wahl fiel auf den Acros Gothic mit 25 mm Rise. Bei den Griffen setze ich seit geraumer Zeit auf die Sensus Lite. Mit denen habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, da sie nicht zu dick sind und daher gut zu meinen Händen passen. Sie bieten einen sehr guten Grip und die minimale Dämpfung ist für mich vollkommen ausreichend.
Auf und nieder immer wieder fahre ich mir der Drop-a-gogo von Contec. Die Sattelstütze erledigt ihre Aufgaben bislang mit Bravour und das obwohl sie schon einiges wegstecken musste. Sie fährt zügig aus und auch der Hebel lässt sich gut bedienen. Alles in allem passt sie zu meinen Ansprüchen an eine sorglose Dropper Post.
Platz nehme ich schon seit je her auf einem SQ Lab 611 ERGOWAVE Sattel. Da passt einfach das Dippche aufs Deckelche oder wie Arsch auf Eimer.
Fazit
Auch wenn ich weiß, dass es mutig war, ein Bike zu kaufen, was ich zuvor nicht Probe gefahren bin, so wurde ich bis heute nicht enttäuscht. Das Fugitive LT hat sich bislang als genau das Bike herausgestellt, was ich mir erhofft habe. Auf meinen Hometrails im Mittelgebirge habe ich nie das Gefühl, dass das Bike überdimensioniert ist. Erfreulicherweise habe ich aber auch auf alpinen oder langen, schnellen und ausgesetzten Trails nicht das Gefühl unterdimensioniert zu sein. Der Hinterbau des Fugitive LT erfüllt ziemlich genau meine Vorlieben: plüschig aber nicht zu schwammig. Und bergauf lässt sich es sich ebenfalls nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Ein wenig spielt im Kopf tatsächlich noch das Gewicht eine Rolle, daher werde ich dahingehend versuchen noch etwas abzuspecken. Aber wie gesagt, bislang hat sich mein Fugitive LT als der treue Gefährte herausgestellt, der mit Performance, aber auch Haltbarkeit und Wartungsarmut auf und neben dem Trail glänzt.
Text: Philipp Kargel
Redaktion: Robin Krings
Fotos: Janis Stroda, Thorsten Illhardt, Jakub Reichhart
Hallo Philipp, ein tolles Fugitive Kompliment.
Ich würde gerne deinen langzeit Eindruck zur 160mm Front nochmal erfahren?
Ebenso würden mich die von Dir verwendeten Galfer Beläge Interessieren, welche sind es denn genau?
Viel Spaß weiterhin mit dem Bike
Gruß Markus
Hallo Markus,
das Upgrade auf 160 mm an der Front hat sich als absolut richtig für mich herausgestellt.
Ich konnte die Federgabel auch nochmal etwas anders abstimmen.
Gerade in schnellen, rumpeligen oder steilen Passagen hat man definitiv mehr Ruhe an der Front.
Ich persönlich finde es auch nicht zu kippelig. Der Sitzwinkel ist nominell auch etwas flacher geworden.
Das konnte ich aber bislang nicht als Nachteil ausmachen. Man bekommt nach wie vor ordentlich Druck aufs Pedal und man versinkt auch nicht im Federweg.
Also meiner Meinung nach hat es sich gelohnt.
Die Bremsbeläge sind die Standard Bremsbeläge (for universal using).
War jetzt aber neugierig und habe mir die „Pro“ bestellt. Werden dann als nächstes eingebaut.
VG
Philipp
Ein wirklich schönes Bike, auch wenn mir das ST in blau/orange besser gefällt. Was ich seltsam finde, dass mehrheitlich leider wirklich die Knöllchen ziemlich schwer sind. Wenn ich mal runter rechne, würde auch meine Wiunsch-Konfig locker bei 14 bis 14,5kg liegen und das bei gerade mal 12cm Federweg hinten. Schon viel. Ich würde wirklich gerne mal eins fahren. Geb ich zu.
Hallo Philipp,
das mit dem Gewicht habe ich ja thematisiert. Ich kann dir aber auch sagen, dass das Bike trotz des hohen Gewichts tierisch Spaß macht. :-)
VG
Philipp
Wahnsinnig schöne Bilder und bei Knolly musste ich auch an „Knolle“ denken und Rheinhessen und Wiesbaden bekomm ich auch direkt Bock auf Biken da in der Gegend oder im Hunsrück ;-)
@RobG301rides
Danke, Robert.