Hörten Mountainbiker etwas über ein Specialized Epic, dachten die meisten automatisch an das seit Jahren bewährte Fully des amerikanischen Radherstellers – Bis jetzt! Ab 2017 gibt es das Specialized Epic HT. Der bis dato leichteste Hardtailrahmen, der sich momentan in der Produktpalette der Kalifornier befindet und je von ihnen entwickelt wurde!
Produktvorstellung
Ingenieur und Entwickler Peter Denk hat mit dem Nachfolger des Stumpjumper Hardtails eine wirkliche XC und Marathon-Waffe konstruiert, die mit den bisherigen Specialized Hardtails nicht mehr viel gemeinsam hat. Um gewichtstechnisch richtig auf den Putz hauen zu können, wurden Rohrformen verändert, Kabelführung ohne durchgängige Außenhüllen oder Führung im Rahmen entwickelt und extrem leichte Steckachsen verwendet. Außerdem wird für jede erhältliche Rahmengröße ein eigenes Carbon- Layup entworfen, welches es ermöglicht, dass die normal- bis großgewachsene Fahrer dieselben Fahreigenschaften samt Rahmensteifigkeit genießen dürfen, wie ambitionierte kleinere Piloten. Neu entwickelt wurde nicht nur die Materialverarbeitung, sondern auch die Geometrie wurde an die deutlich anspruchsvolleren Kurse dieser Welt angepasst. Die Achsbreite wurde auf Boost Standard (12×148 mm) erweitert. Neben der Verlängerung vom Reach um 9 mm und dem 1,4 Grad flacherem Lenkwinkel, haben die Ingenieure die Kettenstreben auf knackige 430 mm schrumpfen lassen – durch diese Veränderungen wurde der Radstand verlängert, um die Laufruhe hoch zu setzen, und gleichzeitig die Klettereigenschaften zu verbessern (bezogen auf Rahmengröße L).
Erstkontakt
Bei so vielen Neuerungen waren wir extrem gespannt, was uns in der Redaktion bei der heiß ersehnten Lieferung erwarten würde. Nachdem der Karton um das Rad entfernt war, staunten wir nicht schlecht, als wir das Rad erstmals anhoben und „per Hand“ gewogen haben. Schnell wurde intern abgefragt, wie das Gewicht eingeschätzt wurde – um es kurz zu machen – wir lagen alle daneben. Bei 8,66 kg (ohne Pedale) stoppte die digitale Waage und erntete ein erstauntes „Boah, Alter!“.
Mit so einem niedrigen Gewicht hatte keiner gerechnet, zumal das gleichzeitig auch eine extrem gute Basis für Gewichtsfetischisten und Leichtbauer hergibt.
Ab auf den Trail
Auch die Teameigene Farbkombi mit der dezenten Anthrazit metallic Lackierung auf dem Rahmen und den roten Highlights der Anbauteile gefiel uns außerordentlich gut und ließ das Rad so schon ziemlich rennmäßig auftreten, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Nachdem alles auf unseren Testfahrer eingestellt wurde, sah das Epic HT auf den ersten Blick unglaublich lang aus und man erwartete eine extrem gestreckte Sitzposition, doch Fehlanzeige! Das Epic HT bietet eine angenehm zentrale Sitzhaltung, die dazu einlud im Race – Modus durch die Trails zu pflügen und auch bei der ein oder anderen lockeren Grundlagentour jenseits der 100 km zu keinerlei körperliche Beschwerden führte.
Bereits auf den ersten Metern fiel uns auf, wie effizient – oder besser noch – kompromisslos das Epic die Kraft des Fahrers in Vortrieb umsetzt. Hier zeigte sich deutlich das Verhältnis von sehr geringem Rahmengewicht und dem dafür extrem hohen Steifigkeit des neu konstruierten Carbon Rahmens. Für ein Race-Bike sollte dies schließlich auch eine der wichtigsten Eigenschaften sein. Diese Effizienz zeigte sich ebenso beim Handling. Jede noch so kleine Richtungsänderung wurde direkt und sehr präzise umgesetzt. Ist das Epic jetzt zu steif und entsprechend schlecht zu kontrollieren? Die Antwort lautet ganz klar: Nein!
Mit der modernisierten Geometrie, in Form des flacheren Lenkwinkels und der angewachsenen Länge, ist es Specialized gelungen, dass sich das Epic auch bei hohen Geschwindigkeiten und ruppigen Kursen sehr souverän und gut beherrschbar fahren lässt. Hinzu kommt, dass selbst bei der sehr auf Vortrieb ausgelegten Konstruktion ein gewisses Maß an Restkomfort geblieben ist, der dank der gut gewählten Komponenten noch weiter unterstrichen wird.
Der überaus kurze, aber sehr bequeme Specialized Power Pro Sattel in Kombination mit der S-Works Fact Carbon Sattelstütze, trug sein bestes dazu bei, um auch bei fünfstündigen Touren ein derart bequemes Sitzgefühl zu vermitteln, dass es schon fast unheimlich war, sich so wohl zu fühlen, also absolut empfehlenswert und sollte definitiv ausprobiert werden. Überhaupt wird Im Netz Specialized Sätteln die Eigenschaft der Langstreckentauglichkeit nachgesagt. Für Athleten mit Sitzproblemen, zwar kein Geheimtipp mehr, aber wie sagt man so schön: Probieren geht über Studieren.
An der Front arbeitete, ebenso brandneu und ausschließlich auf XC ausgelegt, die Rock Shox SID WorldCup mit 100 mm Federweg und 110 x 15 mm Steckachse. Bestückt mit der allseits bewährten Charger-Dämpfung und unzähligen Einstellungsmöglichkeiten zählt die SID auch noch zu den Leichtgewichten und kommt mit federleichten 1366 g daher. Der Lockout ist leichtgängig zu bedienen und mit dem Daumen gut erreichbar, was in kritischen oder hektischen Fahrsituationen durchaus von Vorteil sein kann, oder über Sieg oder Niederlage beim Sprintduell mit dem Trainingskollegen entscheidet ?
Anfangs wussten wir nicht, was wir vom Gabel-Anschlagschutz am Unterrohr halten sollten, zumal die Optik schon recht ungewöhnlich ist. Während des späteren Tests wurde dieser Eindruck jedoch als völlig überbewertet eingestuft, da durch einen etwas heftigeren Bodenkontakt, die Gabelbrücke oder der Bremshebel, ohne diesen Bumper, mit Leichtigkeit in den Rahmen eingedrungen wäre und ihn so sicherlich irreperabel zerstört hätten. So hat das Nylon-Gummi-Gemisch also die Kraft gleichmäßig über die zwei Schrauben verteilt, dass außer Kratzern an den Anbauteilen, alles unbeschädigt blieb.
Zum sorgenfreien Fahren haben auch die übrigen Komponenten Ihren Teil beigetragen. Die SRAM X01 Eagle Red Schaltgruppe, verrichtete unauffällig aber gewohnt hochqualifiziert ihren Dienst auf jeglicher Art von Terrain und bedarf keiner besonderen Erwähnung diesbezüglich. Das mit 34 Zähnen bestückte Kettenblatt erbrachte sowohl bei steilen Kletterpassagen als auch im Downhillbetrieb eine saubere Performance und sorgte stets für genügend Vortrieb. Die roten Logos auf Schaltwerk und Kurbel tragen ihr übriges zur Farbgestaltung des Epic bei und runden das Bild perfekt ab.
Ebenfalls aus dem Hause SRAM und ganz neu sind die Level Ultimate Bremsen, welche zukünftig die Stopper der Modellreihe XX und XO ersetzen sollen. Die Carbonhebel liegen gut in der Hand und machen dezentes anbremsen, sowie den brachialen Wurf mit dem Anker zu einer wahren Freude. Ausgestattet mit einer 180 mm Scheibe an der Front und 160 mm am Heck, zeigten sie sich in allen typischen XC- und Marathon-Situationen reichlich unbeeindruckt und verrichteten beste Dienste.
Jeder Rennfahrer weiß, das rotierende Masse möglichst gering gewählt werden sollte, um ordentlich Vortrieb zu erhalten, womit wir beim handeingespeichtem Roval Control SL 142+ Carbon Laufradsatz angelangt wären. Mit einer Maulweite von 30 mm und dem hookless Design der Felgenflanken ist dieser nicht nur für 60 kg Rennflöhe geeignet, sondern steckt locker Ausfahrten der härteren Gangart weg oder aber auch Nicht-Rennflöhe mit einem Körpergewicht jenseits der 100 kg, denn das Maximale Fahrergewicht, wird laut den Entwicklern, mit Benutzerfreundlichen 108 kg angegeben.
Reifentechnisch wird auf die schnelle Fast Trak / Renegade Kombination gesetzt. Der Einsatzzweck wird Hauptsächlich für feste Untergründe empfohlen, konnte uns aber auch auf lockerem Waldboden oder Matschpassagen begeistern, vor allem durch seine gute Selbstreinigung und den niedrigen Rollwiderstand.
Einen Punkt zum Meckern haben wir aber dennoch entdecken können – der mitgelieferte Flaschenhalter der Zee Cage II Modellreihe. In leicht holprigen Passagen haben wir mehrmals unsere Trinkflasche verloren. Sehr ärgerlich, denn solche Missgeschicke kosten im Wettkampf eine Menge Zeit und können Unfälle für Mitstreiter oder Kollegen verursachen. Alternativ würden wir den hauseigenen RibCage II Flaschenhalter empfehlen, der optisch wie auch technisch die bessere Wahl wäre.
Fazit
Das 6799,- teure Specialized Epic HT ist eine geniale Waffe im XC und Marathon Sektor, die ihresgleichen sucht und keine natürlichen Feinde hat. Die serienmäßige Ausstattung braucht kaum bis gar kein Upgrade und kann „Out oft he Box“ direkt im Rennen eingesetzt werden. Wenn es dann doch mit dem Sieg nicht geklappt hat, lag es definitiv nicht am Material.
Hallo,
ich bin seit vielen Jahren überzeugter Specializedjünger u. bewundere immer wieder auf’s neue die Fähigkeit des Herstellers, mit Ihren Produkten zu überzeugen, welche nicht nur das Bike angehen u. im Test angedeutet. Ob Helme, Schuhe, Komponenten alles ist zumeist professionell durchdacht u. bietet einem die erwartet hohe Qualität zu einem meist fairen Preis.
Was das Thema des Flaschenhalters angeht, fahre ich diesen an meinem S-Works Camber seit Jahren ohne eines von dem geschilderten Vorkommniss. Da auch ich nicht nur „auf Asphalt u. Schotterpisten“ unterwegs bin, kann ich mir dies nur mit der fehlenden Federung am Heck erklären, welche zu erheblich mehr Erschütterung führt als an einem Fully. Vorteilhaft ist diese Form nämlich v.a. bei beengten Platzverhältnissen innerhalb des Rahmendreiecks, wo man sonst überhaupt keine Flasche wegen der Dämpfer am Oberrohr unterkriegen würde. In diesem speziellen Fall ist damit die Auswahl nicht zwingend u. alternativ bei entsprechender Erfahrung tatsächlich eine andere Halterung ggf. verlässlicher.
Manchmal sind es aber auch schlichtweg die verwendeten Trinkflaschen, welche nicht optimal passen.
sportliche Grüße
Michel
Hallo!
Toller und interessanter Bericht über das Epic.
Kennst Du einen vernünftigen Händler, der das Modell führt?
Grüße
Dirk
Hallo Dirk,
vielen Dank für die positive Resonanz.
Laut unseren bisherigen Infos zu dem Bike, gibt es das Epic HT so nicht zu kaufen, sondern nur als Rahmenset oder eben in anderen Austattungsvarianten, sowie verschiedenen Preissegmenten.
Der Aufbau, wie wir es getestet haben, sollte aber kein Problem darstellen, da alle Komponenten frei käuflich sind und es dadurch 1:1 nachgebaut werden kann.
Viele Grüße,
Matthias