Ende Februar diesen Jahres haben wir Euch mit dem Giant Glory 2 einen Kandidaten aus unserer Dauertestflotte vorgestellt. Nach etwa sechs Monaten Einsatz in verschiedenen Bikeparks und auf den lokalen Trails, ist es nun an der Zeit für ein Zwischenfazit.
Nachdem sich unser Testfahrer Robin im letzten Jahr bereits auf einem Giant Reign in Größe M sehr wohl gefühlt hatte, fiel die Entscheidung bei der Größenwahl für das Giant Glory ebenfalls auf M.
Bei einem Gewicht unseres Testfahrers von fahrfertig 88 kg bedeutete diese Wahl allerdings, dass wir vor der ersten Ausfahrt sowohl die Feder in der Gabel als auch die Feder des Dämpfers austauschen mussten, um einen angemessenen Negativfederweg an beiden Federelementen zu erreichen.
Giant liefert die RockShox Domain DC am Glory in Größe M mit einer mittleren (roten) Feder für ein Fahrergewicht von ca. 72 bis 81 kg aus. Passend zur Gabel kommt am RockShox Kage R Dämpfer eine Feder mit einer Härte von 350 lbs/in zum Einsatz.
Mit dem Einbau einer harten (blauen) Feder für ein Fahrergewicht von ca. 81 bis 90 kg für die Gabel und einer 400 lbs/in Feder für den Dämpfer konnten wir rund 23 % Negativfederweg an der Gabel und 30 % am Dämpfer erreichen.
Bereits auf den ersten Metern zeigt sich, dass Giant mit dem Glory ein – nach unserem Ermessen – guter Kompromiss aus Laufruhe und Agilität gelungen ist. Während der Radstand von 121,9 cm und der 63 Grad flache Lenkwinkel zu einem sehr stabilen und kontrollierten Geradeauslauf beitragen, helfen die mit 340 mm nachgemessene niedrige Tretlagerhöhe und der tiefe Schwerpunkt das Glory verhältnismäßig leicht auch durch enge Kurven zu manövrieren.
Während unser Testfahrer vor einigen Monaten das Giant Reign in Größe M mit einem Reach von 44,4 cm noch als recht geräumig empfand, lässt sich das Giant Glory mit einem Reach von 42,6 cm als eher kompakt beschreiben. Fahrern ab einer Körpergröße von 1,80 m, die ein Bike für den Renneinsatz suchen, empfehlen wir einen Blick in Richtung Größe L zu riskieren. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der Größensprung beim Glory von M auf L überdurchschnittlich groß ausfällt. So wächst beispielsweise der Radstand von 121,9 cm auf 125,7 cm und der Reach 42,6 cm auf 46,1 cm.
In Sachen Fahrwerk hat Giant zweifelsohne das Hauptaugenmerk auf einfache Handhabung und ein unkompliziertes Setup gelegt. So bietet der RockShox Kage R ausschließlich die Möglichkeit die Zugstufendämpfung individuell anzupassen. Bei der Domain kann zusätzlich zur Zugstufe auch die Druckstufe angepasst werden.
Bei einem Vergleich von Dämpfer und Gabel sticht jedoch unserer Meinung nach der Dämpfer klar hervor. Die voreingestellte Druckstufe des Kage R vermittelt ausreichend Feedback vom Untergrund und verhindert effektiv ein Durchsacken des Hinterbaus in Kompressionen, bei Absprüngen oder in Anliegern.
Wurzelpassagen und Steinfelder verlieren dank der Kombination von Kage und dem Maestro Hinterbau ihren Schrecken. Große Schläge und harte Landungen absorbiert das Glory regelrächt gelassen und äußerst souverän.
Auch der Verstellbereich der Zugstufe ist ausreichend groß gewählt, sodass genug Spielraum vorhanden ist, um den Hinterbau von sehr lebendig bis äußerst kontrolliert abzustimmen. Eine zusätzliche Verstellung der Druckstufe fänden wir zwar „nice to have“, wirklich vermisst haben wir sie aber auf Grund der guten Grundabstimmung des RockShox Kage R in Verbindung mit dem Maestro Hinterbau nicht.
In Sachen Performance kann unserer Meinung nach die RockShox Domain einem Vergleich mit dem Kage R nicht standhalten. Im Gegensatz zum Kage wirkt Sie bei hohen Geschwindigkeiten etwas überfordert. Nimmt die Domain bei langsamen Geschwindigkeiten kleine Unebenheiten noch sehr feinfühlig auf, wirkt sie bei schneller und härter werdenden Schlägen ein wenig „hölzern“. Im Vergleich zu den teureren RockShox Boxxer Modellen mit Charger Dämpfer werden die Belastungen deutlich weniger gefiltert an den Fahrer weitergegeben.
In steilen Passagen und bei Bremsmanövern hätten wir uns mehr Support von der Gabel erhofft, um auch bei sensiblem Ansprechverhalten etwas höher im Federweg zu stehen. Mit ein paar zusätzlichen Klicks am blauen Knopf der Druckstufendämpfung konnten wir zwar effektiv das ansonsten starke Eintauchen der Gabel in steilen Passagen oder bei Bremsmanövern reduzieren, jedoch ging dies ganz klar zu Lasten des Komforts und erforderte einen höheren Kraftaufwand des Fahrers, um harten und schnellen Schlägen entgegenzuwirken.
Die restlichen Komponenten des Giant Glory 2 haben bis heute einen guten Eindruck bezüglich ihres Preis-Leistungs-Verhältnisses hinterlassen.
Unsere zu Beginn des Tests auftretenden Zweifel an den recht unterdimensioniert wirkenden SRAM DB5 Bremsen, konnten sich bis heute nicht bestätigen. Auch wenn diverse alternative Bremsenmodelle kräftiger zupacken, ist die Bremsleistung für viele Situationen als ausreichend einzustufen. Für schwerere Fahrer oder längere Abfahrten im alpinen Gelände empfehlen wir jedoch ein Upgrade auf ein Vierkolben-Modell.
Auch die SRAM X5 Schaltung verrichtete ihren Dienst zuverlässig, obwohl sie uns in einem Punkt recht negativ aufgefallen ist: Dem X5 Schaltwerk fehlt eine Dämpfung, wie sie heutzutage bei sehr vielen SRAM und Shimano Schaltwerken zum Einsatz kommt, um das Schlagen der Kette zu reduzieren. Das Resultat ist, dass das Glory alleine aufgrund der ständig schlagenden Kette eines der lautesten Bikes ist, was wir seit langem gefahren sind. Auch wenn die Lautstärke nicht in direktem Zusammenhang mit der eigentlichen Performance eines Bikes steht, würden wir uns bei den heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten ein Upgrade selbst für das Einstiegsmodell der Glory-Baureihe wünschen.
Die hauseigenen Laufräder von Giant mit den P-AM2 Felgen haben sich ebenfalls als zuverlässiger und stabiler Partner im Gelände erwiesen. In Sachen Haltbarkeit haben wir bis heute keine bösen Überraschungen erlebt. Dies ist zu einem großen Teil auch den Schwalbe Magic Mary Reifen zuzuschreiben. Als Performance Edition weisen sie zwar nicht die aktuellste und griffigste Gummimischung auf, bieten aber dank einer sehr stabilen Seitenwand auch bei niedrigerem Luftdruck noch ausreichend Schutz vor Durchschlägen. Insbesondere im Nassen und auf Wurzeln hätten wir uns durchaus eine griffigere Gummimischung gewünscht, wenngleich davon auszugehen ist, dass die Performance Reifen in Sachen Laufleistung die Nase vorne haben sollten.
Fazit:
Bis jetzt können wir festhalten, dass uns das Glory in Anbetracht einer UVP von 2.699,90 Euro durchaus überzeugen konnte. Der Rahmen ist gut verarbeitet und bietet mit einer gelungenen Geometrie sowie dem sehr gut abgestimmten Maestro Hinterbau Fahrleistungen auf hohem Niveau. Zugunsten der Stabilität und Haltbarkeit muss der Fahrer bei dem angesetzten Preis jedoch einen Kompromiss in Sachen Gewicht eingehen. Die rund 17,9 kg des Glory inklusive Pedalen sind insbesondere beim Beschleunigen und bei schnellen Richtungswechseln zu spüren. Ein Kompromiss, der angesichts des insgesamt soliden und zuverlässigen Gesamtpakets durchaus zu verschmerzen sein sollte.
Das Giant Glory 2 wird uns auch weiterhin in den kommenden Monaten als Dauertest-Bike begleiten. Zum Ende der Saison erwartet Euch dann unser Abschlussbericht mit einem ausführlichen Fazit.