Halbzeit für unser Dauertestrad von Ghost. Das FR AMR 8 LC hat uns nun für knapp ein halbes Jahr begleitet und hat sich bisher gut geschlagen. Wie angekündigt haben wir vor keiner Schandtat halt gemacht und haben das Ghost auf Herz und Nieren, auf Enduro-Touren, im Bikepark oder auf der hiesigen Jumpline, getestet.

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Trotz 170 mm an der Front und 160 mm am Heck schnell bergauf

Beim ersten Aufsitzen fällt einem zunächst die aufrechte Sitzposition auf, die wohl in erster Linie durch die 170 mm der FOX 36 an der Front und dem nicht übermäßig flachen Lenkwinkel von 66,5° zustande kommt. Als nächstes fällt einem die Sattelstütze (Kind Shock Lev Integra) auf, die nicht beim ersten Druck auf den Remote Hebel ausfährt, sondern erst einmal mit der Hand am Sattel leicht nach oben gezogen werden will. Nach dem Zug am Sattel funktioniert die Höhenverstellung über den Remote Hebel einwandfrei. Eine Erfahrung, die wir bisher mit jeder Kind Shock Sattelstütze gemacht haben. Also soweit nicht außergewöhnlich, nur ein wenig gewöhnungsbedürftig. Ist die Sattelstütze einmal oben, kommt man bequem zum Wald und auch erstaunlich gut zum Gipfel. Obwohl  der Climb Switch des Cane Creek Double Barrel durch Einflussnahme auf die Low Speed Druckstufe ein übermäßiges Einsacken in den Federweg verhindert, kann er die Bewegung im Hinterbau nicht ganz abstellen.

Was wir beim ersten Aufsitzen nicht erwartet haben, ist, dass sich das FR AR 8 LC auch vor fiesen Anstiegen nicht verstecken muss. Mit der nötigen Vorlage und der nötigen Kraft erklimmt das Ghost FR AMR 8 LC selbst die steilsten Rampen. Dass das Bike mit seinen 14,2 kg ohne Pedale nicht zu den Leichtgewichten in der Branche zählt und sich nicht mit Race-Enduros des oberen Preissegments messen will ist eh klar, aber beispielsweise dank dem moderat steilen Sitzwinkel (63°) lässt es sich erstaunlich gut bergauf pedalieren. Eine Bergziege würden wir das Ghost, aufgrund des leicht wippenden Hinterbaus, der abfahrtsorientierten Geometrie und des Gewichts, aber dennoch nicht nennen.

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Gute Führung durch den Vorderreifen, der Hinterreifen verliert in schnellen Kurven ab und zu Traktion

Die gewählte Reifenkombination trägt zu den guten Bergauf-Eigenschaften bei. Ghost kombiniert einen Schwalbe Magic Marry an der Front mit einem Rock Razor am Heck. Der semi-slick Reifen hat einen niedrigen Rollwiderstand, bietet jedoch genügend Grip für den Vortrieb. Leider hat der Reifen seine Schwächen bei der Abfahrt. Insbesondere wenn man dem Bike richtig die Sporen gibt, neigt der Reifen, bei ca. 2 Bar Luft, zum Traktionsverlust. Bei niedrigerem Luftdruck (trotz Tubeless) hat der Reifen zwar deutlich mehr Grip, dafür ist dann der Kontakt zwischen Felge und Boden vorprogrammiert.

Die magische Mary an der Front macht jedoch in jeder Lebenslage eine gute Figur. Bei den Anstiegen fällt der „Reifen fürs Grobe“ nicht weiter negativ auf. Bei den Abfahrten bietet er genügend Grip um gezielt Kurven anzusteuern. Auch wenn das Hinterrad manchmal in eine andere Richtung will, haben wir meistens die Kontrolle behalten. Und wenn nicht, haben wir es wahrscheinlich übertrieben.

Und damit wären wir auch schon bei der Paradedisziplin des Ghost FR AMR 8 LC – dem Downhill.

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Bei hohen Geschwindigkeiten ist das Ghost in seinem Element

Oben angekommen, einen Schluck aus der großen Trinkflasche, die nebenbei bemerkt im Rahmendreieck Platz findet, den Climb Switch öffnen und Gas geben. Das Bike liegt satt (fast) wie ein Downhill-Bike auf dem Trail. Der Cane Creek Double Barrel Inline Coil Dämpfer kann hier seine gesamte Kompetenz ausspielen. Die Stahlfeder (500er Feder bei 83 kg Fahrergewicht) nimmt auch die kleinsten Stöße auf und die Druckstufen verhindern ein durchsacken des Dämpfers. Wir sind den Dämpfer mit recht weit geschlossener Zug- und Druckstufe (jeweils ca. ein Drittel geschlossen) gefahren und haben je nach Strecke die Einstellungen um ein paar Klicks verfeinert. So hat uns der Dämpfer in allen Lebenslagen genügend Rückhalt geboten und kaum unangenehmen Rebound-Kicks an uns weitergegeben. Schwierig war lediglich die Dokumentation für die High Speed Compression und den High Speed Rebound, da wir hier keine deutlichen Klicks ausmachen konnten und daher nur über Anzahl Gewindegänge unser Fahrwerk einstellen konnten. Das ist aber auch das einzig negative, dass wir bisher an dem Dämpfer ausmachen konnten. Denn beispielweise ein Überhitzen des Dämpfers und die damit verbundenen Performanceeinbußen konnten wir nicht feststellen. Den ein oder anderen Luftdämpfer haben wir auf den gleichen Teststrecken dann schon mal heiß gefahren, was den Hinterbau verhärten lässt.

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Die hervorragenden Fahreigenschaften des Coil Dämpfers überzeugen und es ist sogar noch platz für eine Flasche im Rahmen

Auch die Anfangs gewöhnungsbedürftig hohe Front hat ja bei der Abfahrt ihre Daseinsberechtigung. Beispielsweise verlieren steile Abfahrten ihren Schrecken, da die hohe Front das Gefühl des „vorne Überkippens“ verhindert. Die recht progressive Federkennlinie der FOX 36 RC2 verhindert das Einsacken der Gabel bei Belastungen und verstärkt somit den zuvor erwähnten Effekt. Die Gabel sind wir stets im mittleren Einstellungsbereich der Zug und Druckstufen gefahren. Wie beim Dämpfer haben wir mit dieser Einstellung eine sehr gute Balance zwischen sanften Ansprechverhalten und direktem Feedback vom Untergrund erreichen können.

Weiterhin mussten wir darauf achten, nicht nur bei steilen Abfahrten, sondern auch sonst aktiv Druck aufs Vorderrad zu bringen, sonst ist uns auch mal das Vorderrad weggegangen. Daher haben wir uns entschieden einen der zwei verbauten Spacer unter dem Vorbau zu verbannen. Mit genügend Druck auf dem Vorderrad machen jetzt enge Kurven genauso viel Spaß wie schnelle, ruppige Sektionen. Der recht lange Hauptrahmen bietet genügend Laufruhe und die 430 mm lange Kettenstrebe gepaart mit dem 35 mm langen Race Face Atlas Vorbau macht das Bike schön agil. Das ist wirklich eine gelungene Kombination.

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Auf Kurvenjagt mit dem Ghost

Was uns bei der Abfahrt negativ aufgefallen ist, war die Sattelstütze, die uns immer wieder einen Schubs von hinten verpasst hat. Mit 125 mm Einstellungsbereich kann die verbaute Lev Integra nicht mehr punkten und wir würden zu einer Sattelstütze mit 150 mm tendieren, um uns ein wenig mehr Beinfreiheit zu verschaffen.

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Da kommt der Sattel dem Hinterteil gefährlich nah

Ghost hat gut daran getan bei dieser Art von Bike eine Kettenführung mit Bashguard zu verbauen. Denn wenn es mal heftiger zu Sache geht, sollte besser der Bashguard zerbröseln, als das Kettenblatt. Ghost hat sich bei der Kettenführung für die e*thirteen TRS+ mit Werkzeuglos zu öffnende oberen Führung entschieden. Die Führung öffnet sich jedoch bei härteren Kettenschlägen auch mal ohne menschliches Mitwirken und gibt die Kette frei. Das kennen wir sonst nicht von der TRS+ Kettenführung. Wir sind die e*thirteen TRS+, inklusive unterer Kettenführung, bereits an Downhillbikes gefahren und da ist uns nichts vergleichbares aufgefallen. Wir haben dem mit ein wenig Sekundenkleber entgegengewirkt.

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Auch in der Luft macht das FR AMR 8 LC Spaß

Die Kombination aus soliden und robusten Parts (z.B. Race Face Atlas und Shimano XT), einer gelungenen Geometrie und genügend Reserven an Federweg machen nicht nur auf Touren Spaß. Auch bei unseren Freunden von Luftzeit haben wir viel Airtime unter die Reifen gebracht. Das Rad liegt gut in der Luft, es ist verspielt und auch etwas schiefe Landungen steckt es hervorragend weg. Selbst wenn der Sprung mal ein wenig über die Landung hinaus ging, hatten wir nie das Gefühl als wären beispielsweise die Federelemente überfordert.

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Auch beim harten Downhill eine gute Wahl

Die Laufräder, eine Kombination aus Ghost Naben und Race Face ACR Felgen, haben uns in der ersten Phase unseres Test nicht überzeugt. Insbesondere das Hinterrad hat dem Druck der Bikepark-Anlieger nicht standgehalten und deutlich an Spannung verloren. Das damit weiche Hinterrad hat sich leider deutlich auf die sonst sehr positiven Fahreigenschaften ausgewirkt. Trotz mehrfachem nachspeichen haben wir es nicht mehr geschafft das Hinterrad nachhaltig in den Urzustand zurück zu versetzten. Das Hinterrad ist somit ein Kandidat für den Austausch, aber wir gehen davon aus, dass es sich bei unserem Test-Hinterrad lediglich um ein Montagsmodell gehandelt hat. Wir werde im dritten Teil unseres Test Bezug darauf nehmen.

Bis auf kleinere Probleme mit „Verschleißteilen“ und nicht ganz ideal gewählten Komponenten hatten wir bisher viel Spaß mit dem Ghost FR AMR 8 LC. Es ist erstaunlich wieviel Fahrrad man für die abgerufenen 3.499 € bekommt. Von langen Touren bis hin zu Jumplines ist alles möglich.

4 Kommentare

  1. blöde Frage, aber wann ist denn mit dem 3. Teil zu rechnen?
    Mich würde besonders interessieren:
    – sind 73 Grad beim Sitzwinkel nicht etwas arg flach für Touren bzw. ist der Sattel ggü. dem Tretlager nicht zu weit hinten?
    – gibt es Probleme mit der Tretlagerhöhe, wenn man im Trail treten muss oder bei Stufen bergauf?

    Danke!

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