Man kombiniere eine gute Portion Entwicklungszeit, einen angepassten Motor von Brose und jede Menge Knowhow, was das bauen von Fahrrädern angeht. Am Ende kommt unter dem Strich ein E-Bike heraus, welches nicht nur optisch eine Ansage ist. Wir haben uns das Specialized Turbo Levo 6Fattie in der Expert Version einige Wochen zur Brust genommen, um die Sache mal etwas genauer zu betrachten.

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Specialized Turbo Levo (Größe M) mit knappen 21kg Gewicht

Es gibt zwei hauptsächliche Gründe um den MTB Sport zu betreiben. Der eine ist der sportliche Antrieb und das Bemühen seine eigene Leistung zu verbessern bzw. zu optimieren. Der andere, nicht weniger wichtige Grund, ist schlichtweg Spaß. Und Spaß ist absolut nicht davon abhängig ob mein gewählter Untersatz nun über einen Motor verfügt, oder eben nicht. Spaß bedeutet, den eigenen Hometrail in der gleichen Zeit wie ohne Unterstützung nicht zweimal, sondern vielleicht vier- oder fünfmal zu fahren. Und mal ganz unter uns, der sportliche Aspekt bleibt auch hier nicht auf der Strecke, denn völlig ohne Anstrengung kommt man auch mit einem E-Bike keinen Berg hoch.

Der Brose Antrieb fügt sich gut in das Gesamtbild
Der Brose Antrieb fügt sich gut in das Gesamtbild

Specialized versteht es gut, das Levo nicht wie ein klobiges E-Bike aussehen zu lassen. Aus gewisser Distanz könnte man sogar fast vermuten, dass es ein ganz „normales650b Plus Bike ist, was man auf die Beine gestellt hat. Bei genauem Betrachten fällt einem dann natürlich das dickere Unterrohr und vor allem der massive Tretlagerbereich auf, in dem sich auch der Brose Motor befindet. Der Akku ist perfekt in das Unterrohr integriert und fügt sich harmonisch in das Design des Levo ein. Farblich ist man eher dezent und kombiniert ein Anthrazit mit Blau. Optisch hat uns das Bike sehr gefallen. Doch wie immer kommt es darauf an, wie der Untersatz auf den Trails punktet.

Die mächtige Bereifung sorgt für viel Traktion in allen Situationen
Die mächtige Bereifung sorgt für viel Traktion in allen Situationen

Nimmt man das erste Mal auf dem Levo Platz, so fällt einem direkt das sehr cleane Cockpit auf, an dem das sonst schon übliche Display für E-Bikes fehlt. Hier gibt man dem Fahrer zwei Möglichkeiten. Die erste ist ein minimales Display welches aus 10 LED´s und 3 Schaltern in der Mitte besteht. Von der Funktion her bietet dieses Display aber alles was man benötigt um das Levo auf dem Trail zu bewegen. „Power on“ um die Unterstützung zu starten, „+“ für mehr Unterstützung und „–“ für weniger. Mehr braucht es nicht um zwischen den 3 Modi Turbo, Trail und Eco zu wählen. Die 10 LED´s zeigen kurz die gewählte Stufe und danach die Restladung des Akkus an.

Über dieses kleine Display lässt sich das Levo komfortabel steuern
Über dieses kleine Display lässt sich das Levo komfortabel steuern

Deutlich umfangreicher wird es mir der Mission Control App, die es für iOS sowie Android Geräte gibt. Mission Control macht aus eurem Smartphone eine Steuerungszentrale für das Levo und bringt obendrein noch zusätzliche, nützliche Features mit. So verfügt die App nicht nur über einen Kartenmodus mit dem sich Touren speichern und laden lassen, sondern bietet auch POI´s in der Umgebung an. Ein feine Sache, entdeckt man doch so vielleicht noch den ein oder anderen Punkt in seinem Umfeld, den man bis jetzt noch nicht kannte.

Der Kern der App ist allerdings die genaue Einstellung aller Parameter des Levo. So ist der Grad an Unterstützung für die 3 Modi nicht in Stein gemeißelt. Wer also im Trail Modus lieber etwas weniger als 60% haben möchte, kann dies problemlos einstellen. Ebenso lässt sich die Beschleunigungssensibilität einstellen, damit man die Kraft noch besser dosiert auf den Trail bringen kann. Vor allem berghoch in kniffeligen Passagen kann das Sinn machen.

Wer nicht wirklich weiß wo und wie die Reise aussehen soll, sondern sich nur Gedanken über die Dauer der Strecke gemacht hat, kann ebenfalls auf die App vertrauen. Man stellt die gewünschte Streckendauer ein und der Rest wird von der Software übernommen. Abschließen bietet Mission Control noch eine Übersicht der Ladezyklen, Reststrom und anderer System Health Parameter. Das Schöne an dieser Lösung? Wenn alles eingestellt ist wandert das Smartphone in die Tasche und das Cockpit bleibt weiter clean und aufgeräumt. Eine Lösung die wir absolut praktikabel und klasse finden.

Geht auch richtig gut in der Luft
Geht auch richtig gut in der Luft

Aber kommen wir zum Wesentlichen, den Fahreigenschaften. Schwingt man sich auf das Rad, fällt einem direkt die zentrale, in das Rad integrierte Sitzposition auf. Von den ersten Metern an suggeriert das Levo Vertrauen, was auch nicht zuletzt an den 3 Zoll Plus Reifen liegt, die aufgezogen wurden. Mit knapp 1,2 Bar machen wir uns auf die Trails und müssen gestehen, von den ersten Metern an ein dickes Grinsen im Gesicht zu haben. Da ist er wieder, der Faktor Spaß, der uns persönlich auf einem Bike sehr wichtig ist. Völlig mühelos und schön geradlinig zieht das Levo im von uns gewählten Trail Modus den Feldberg hoch. Für unseren Geschmack schon fast zu mühelos, weshalb wir in den Eco Modus mit 30% Unterstützung wechselten. Selbst steilste Rampen verloren so ihren Schrecken, denn das Levo neigt weder zum Steigen an der Front, noch geht die zusätzliche Leistung im losen Untergrund verloren. Der FSR Hinterbau bietet in Kombination mit den verbauten Reifen (Purgatory vorne und Ground Control hinten) Traktion satt. Gewappnet mit dieser Kombination machen auch technische Trails bergauf nochmals deutlich mehr Spaß. Das alles mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass man deutlich weniger Körner verbraucht als ohne Unterstützung.

Passagen der Strecke prüfen und wieder hoch. Gerne auch mehrfach, kein Problem
Passagen der Strecke prüfen und wieder hoch. Gerne auch mehrfach, kein Problem

Auf flachen bzw. ebenen Trails kommt ein Vorteil des Brose Motors deutlich zum Tragen. Das entkoppelte System hinterlässt ab den magischen 25 km/h absolut keine spürbaren Antriebseinflüsse. Der Übergang von Unterstützung zu „normalem“ Pedalieren geschieht praktisch nahtlos, was bei E-Bikes nicht selbstverständlich ist.

Und dann wieder ab über die Doubles
Und dann wieder ab über die Doubles

Bergab überzeugt dann der niedrige Schwerpunkt des Levo. Nachdem wir die ersten Kicker und Sprünge mit etwas bedacht angegangen sind, waren wir nach kurzer Zeit erstaunt, was man hier alles aus dem Fahrwerk holen kann. Das Levo liegt extrem stabil und ausgewogen in der Luft und lässt den Fahrer auch im Gravity Bereich schnell mehr Vertrauen fassen. Dabei fühlen sich die 140mm Fahrwerk oft nach mehr an und nimmt man sich etwas Zeit für das optimale, persönliche Setup, bedankt sich das Levo mit souveräner Fahrleistung.

Dank Fahrwerk und Bereifung mit viel Druck durch die Anlieger
Dank Fahrwerk und Bereifung mit viel Druck durch die Anlieger

Bestärkt von dieser Erfahrung wollten wir natürlich wissen was da noch geht und führten das Levo auf den neuen Gravity Trail nach Wiesbaden aus. Flowige Komponenten kombiniert mit amtlichen Tables und sauber geshapten Anliegern sollten uns erwarten. Das Levo schiebt seinen Fahrer förmlich an, wenn es bergab geht. Kleine Doubles werden mühelos geschluckt, große Tables laden zu Airtime ein und dank der Plus Bereifung und dem potenten Fahrwerk geht es mit hohem Speed wie auf Schienen durch die Anlieger. Man gewöhnt sich sehr schnell an das gebotene. Genau hier liegt ein kleines Problem, denn die Unterstützung sollte bergab einfach ausgeschaltet werden. Stürzt man sich voller Vorfreude in den Trail und vergisst, das man z.B. noch im Trail Modus ist, dann kann das bei einem Table böse enden. Tritt man nämlich wie gewohnt vor dem Sprung nochmal kurz in die Pedale, schießt man, dank Unterstützung, buchstäblich über das Ziel hinaus.

Und mit reichlich Dampf aus dem Anlieger raus
Und mit reichlich Dampf aus dem Anlieger raus

Davon abgesehen hat man den zusätzlichen Vorteil auf solchen Strecken einfach mehr Abfahrten machen zu können, da man seine Kraft nicht nach der 3. Auffahrt verbraucht hat.

Ein kleines Manko für uns ist allerdings der Fakt, dass man sich an die gebotene Unterstützung sehr schnell gewöhnt. Ist man ein komplettes Wochenende mit dem Levo auf den Hometrails unterwegs und steigt dann wieder auf das „normale“ Enduro um, hat man fast das Gefühl ein DH Bike den Berg hoch zu bewegen.

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Die Ausstattung des Expert – Quelle: Specialized

Fazit:

Da stehen wir also erneut vor der Frage, ob ein E-Bike noch ein Mountainbike ist. Die klare Antwort kann von unserer Seite nur lauten: Ja, absolut! Der rein sportliche Gedanke gerät allerdings etwas in den Hintergrund und man gewöhnt sich schnell an die Leistung.

Auf der anderen Seite hat Specialized mit dem Turbo Levo ein Bike gebaut, mit dem man einfach mehr Spaß auf den Trails haben kann. Öfter rauf bedeutet schlichtweg auch öfter runter – eine ganz simple Formel. Die Ausstattung wirkt harmonisch und macht Sinn, wer mehr braucht, der kann sich wie üblich die S-Works Variante schnappen. Der Spaß hat seinen Preis, der liegt bei 6.500 Euro und ist alles andere als ein Schnäppchen.

Davon abgesehen hat es Specialized geschafft mit dem Levo ein, wenn nicht sogar DAS E-Bike auf die Räder zu stellen. Wir würden jederzeit wieder gerne Platz auf dem Sattel nehmen.

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