Auf den ersten Blick fällt auf, dass der Emser Bikepark aus nur einer Strecke besteht. Die sogenannte Canyon Flowline ist dafür aber ordentlich lang! Über die rund 380 Höhenmeter Differenz wurden ca. 3,8 Kilometer Abfahrtsspaß realisiert. Da die Strecke auf dem Weg ins Tal sechs Forstwege quert, wurde die gesamte Abfahrt in sieben Streckenabschnitte aufgeteilt. Der Spaß beginnt nahe des ehemaligen Ausflugrestaurants „Zur schönen Aussicht“ etwas oberhalb des Ortes Kemmenau mit dem Abschnitt „Northshore 1„.

Direkt nach dem Starthügel geht es über die Northshore
Direkt nach dem Starthügel geht es über die Northshore

Vom Starthügel aus beschleunigt man ohne Mühen auf maximale Flowgeschwindigkeit und rollt auf eine Holzkonstruktion, die beim Befahren Erinnerungen an eine Holzachterbahn weckt. Nach einem leichten Absprung wird man auf einen Trail gefeuert, der nach einigen Metern die ersten Anlieger bereithält. Wählt man jetzt nicht die Chickenline, stürzt man sich direkt vom ersten Drop in den Abschnitt „Nadelwald„, der neben kleineren Sprüngen und Drops einen groß dimensionierten Wallride und jede Menge Anlieger verbirgt.

Der erste Große Wallride
Der erste Große Wallride

Nach der ersten Querung eines Forstwegs beginnt der Abschnitt „Northshore 2„. Hier wurde über die Offseason 2015/2016 jede Menge Erde und Holz bewegt um die Streckenführung für die neue Saison radikal zu ändern. Das Ergebnis dieser Aktion ist eine Box mit integrierter 180° Kurve und zwei neue große Tables. Wem die Box und die darauf folgenden Tables nicht zusagen, muss keine Abstriche machen. Die bestens ausgebaute Chickenline bringt mindestens den gleichen Spaß, jedoch ohne Airtime.

Flowig wird es immer wieder zwischendurch
Flowig wird es immer wieder zwischendurch

Der rasanteste Abschnitt hört auf den Codenamen „Gapstrecke“ und hält, wie sich schon vermuten lässt, einige Gaps bereit. Wer sich bei hohen Geschwindigkeiten und Gaps nicht wohlfühlt, hält sich ab hier besser rechts. Der Start in die Gapstrecke kann per Drop erfolgen. Kurz nach dem Landen wird man bereits von einem Anlieger in den nächsten geschleudert. Das folgende Mini-Roadgap verträgt viel Geschwindigkeit und lässt sich gut wegdrücken. Nach einem weiteren Linksanlieger fliegt man über den großen Step-down in einen riesigen Rechtsanlieger, der in einem weiteren Sprung endet.

Auf der Strecke gibt es viele Optionen, bei denen man zwischen leicht und weniger leicht wählen kann
Auf der Strecke gibt es viele Optionen, bei denen man zwischen leicht und weniger leicht wählen kann

Nach diesem Geschwindigkeitsrausch kann man auf der folgenden Kreuzung durchatmen, sich die Knieschoner zurechtrücken und überlegen welche von zwei Alternativen man als Einstieg in die „Emser Schleuder“ wählt. Dabei sollte man sich auch hier nicht vom Chickenway- Schild täuschen lassen. Als Alternative zu einem Drop findet man hier eine geniale und saumäßig spaßige Anliegerkombo für alle Könnerstufen. Die Emser Schleuder wird ihrem Namen gerecht und schleudert uns mit vielen Anliegern, Wallrides und kleinen Sprüngen weiter ins Tal Richtung Bad Ems.

Von der anderen Seite wird dann manch vermeintlich kleiner Drop auf einmal größer
Von der anderen Seite wird dann manch vermeintlich kleiner Drop auf einmal größer

Das „Dirtvalley“ wurde in eine natürliche Geländehalfpipe gebaut und lässt sich auch gerne mit hoher Geschwindigkeit fahren. Es warten einige leichte Step-ups und riesige Anlieger darauf gesurft zu werden. Könner dürfen sich nochmal über zwei große Tables auf einer Lichtung freuen, um durch die Luft zu stylen. Aber auch nicht so versierte Fahrer können hier das Fliegen vorsichtig lernen.

Wer sich als Kind gerne auf Spielplätzen ausgetobt hat, darf vor der Einfahrt zum „Canyonland“ auf einem kleinen Bikespielplatz, der einen niedrigen und somit risikofreien Northshore aus schmalen Baumstämmen und eine Wippe bereithält, seine Geschicklichkeit unter Beweis stellen.

Die Holzelemente sind alle hervorragend gebaut worden
Die Holzelemente sind alle hervorragend gebaut worden

Der letzte Abschnitt wirkt völlig anders als die vorhergegangenen Kilometer. Er ist kurz und knapp, schmal, schnell und wurzelig, gewürzt mit schönen Anliegern und Flugeinlagen.

Hintergründe

Einen Trail zu bauen ist eine Sache, das ganze Projekt zu finanzieren und auch noch legal zu betreiben, ist eine andere Sache. Wir haben mit Initiator und Chef der Crew, Dr. Horst Hohn gesprochen und uns die Entstehungsgeschichte genauer erläutern lassen.

Cycleholix: Horst, was war der Grundstein für die Idee eine Strecke in Bad Ems zu errichten?

Horst: Der Grundstein war der, dass wir in der näheren Umgebung keine vernünftige legale Strecke hatten, die im Prinzip den Anforderungen gerecht wird, die ich an solch eine Strecke stellen würde. Und nachdem wir dann genervt feststellen mussten, dass „Querfeldein“ fahren nichts als Ärger bringt haben wir uns auf die Suche nach einer Gegend bzw. Gemeinde gemacht, die für die Idee offen war.

Cycleholix: War Bad Ems von Anfang an dabei, oder musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden?

Horst: Nein, in der Tat war die Stadt Bad Ems sehr offen gegenüber unserem Vorhaben. Ein sehr innovativer Bürgermeister hatte die Chance erkannt und uns direkt „mitgenommen“. Dennoch galt es einige weitere Instanzen zu überzeugen. Stadtrat und Verein, in dem wir Unterkommen wollten, hatten wir mit etlichen aufwändigen Powerpoint Präsentationen für das Projekt gewinnen können.

Cycleholix: Du hattest in der Anfangszeit Hilfe beim „legen des Grundsteins“. Wer stand noch alles hinter dir?

Horst: Ganz am Anfang waren wir zu dritt: Gregor, ein guter Kumpel von mir aus der Eifel und Apotheker in Montabaur, Dirk, Rechtsanwalt aus Koblenz, den ich von meinen beruflichen Tätigkeiten her kenne. Und zuletzt meine Wenigkeit. Gemeinsam hatten wir uns vor allen möglichen Instanzen gerechtfertigt und vertreten. Wahrscheinlich kommt es nicht allzu häufig vor, dass drei Akademiker mit solch einer crazy Idee um die Ecke kommen. Das hat es wahrscheinlich gebracht.

Cycleholix: Sicher hattet ihr es leichter und konntet mit eurem Lebenslauf punkten. Es sieht bestimmt anders aus, wenn ein paar Jungs und Mädels die gleiche Idee umsetzen wollen, aber außer Spaß am biken nicht viel vorzulegen haben.

Horst: Das größte Problem an einem solchen Projekt ist, dass es meist wie ein Strohfeuer abbrennt. Die Idee und die Einsatzbereitschaft sind da, aber wenn es an die Umsetzung geht und somit auch daran, finanzielle und juristische Hürden zu nehmen, fallen viele ab und haben schnell keinen Bock mehr. Genau das war auch die Befürchtung der Stadt und des Hauptsponsors Canyon gewesen. Nehmen die jetzt einfach das Geld, buddeln ein halbes Jahr und haben dann keinen Bock mehr, oder wird das ganze nachhaltig sein? Nach vielen Rückschlägen und monatelangem suchen nach einer geeigneten Location, konnten wir endlich ein Konzept vorzeigen, dass alle Parteien überzeugen konnte.

Cycleholix: Nach welchen Kriterien hattet ihr den Standort für die Bauarbeiten ausgewählt?

Horst: Ich nutze gerne die vorhandenen Ressourcen, wenn ich oben auf einem Berg stehe, möchte ich am liebsten bis zum tiefsten Punkt im Tal, komplett auf einem möglichst langen Trail fahren. Ich hasse es eigentlich auf einer Straße bzw. Forstweg die Höhenmeter zu verschwenden. Klares Ziel war auch die Trennung von Mountainbikern und anderen Waldnutzern.

Fazit:

Die Canyon Flowline ist eine sehr schöne und abwechslungsreiche Strecke, die mit viel Schweiß und Herzblut erschaffen wurde. Es ist für jeden etwas dabei, da der Schwierigkeitsgrad nicht durch „do-or-die Stunts„, sondern durch die Geschwindigkeit bestimmt wird, die man selber selbst bestimmen kann. Besuchermassen sucht man vergebens, die Menge an Bikern verteilt sich schön gleichmäßig auf der Strecke.

Kurzinfo Emser Bike Park – Canyon Flowline

Streckenbeschilderung vor Ort. Quelle: Bikepark Bad Ems
Streckenbeschilderung vor Ort. Quelle: Bikepark Bad Ems

Mehr Infos unter: www.emserbikepark.de

  • Shuttleservice vorhanden, pro fahrt 5€, Alternative: Ausgeschilderte Auffahrt per Bike über Forstwege
  • Topeak Werkzeugstation mit dem nötigsten Material am Start der Strecke
  • Getränkemarkt am Ende der Strecke
  • Kein Verleih von Bikes oder Ausrüstung
  • Nutzung während der Öffnungszeiten Gratis

 

Text: Dylan Weiland/Patrick Frech
Bilder: Patrick Frech

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