Darf es ein bisschen weniger sein? Hört man eigentlich eher selten und vor allem beim Thema Fahrwerk grenzt es schon fast an Blasphemie. Anfang des Jahres standen wir vor der Frage, ob nun die neue Lyrik oder die „günstige“ Yari in unser Custom Projekt wandert. Am Ende entschieden wir uns gemeinsam mit Rock Shox für die Yari, um herauszufinden, ob eine auf das Wesentliche reduzierte Gabel den Fahrer ebenso glücklich machen kann wie ein High End Produkt.

Optisch bis auf den Schriftzug kaum von den teuren Geschwistern zu unterscheiden.
Optisch bis auf den Schriftzug kaum von den teuren Geschwistern zu unterscheiden.

Kurz und knapp – Lyrik und Yari wurden gemeinsam vorgestellt. Im gehobenen Preissegment teilen sich Pike und Lyrik die Kunden. Wer sich ein preisorientiertes Bike aufbauen möchte oder ein preiswertes Upgrade für seine alte Gabel sucht, der schnappt sich die Yari RC. Der Zusatz RC verrät auch schon, an welcher Stelle abgespeckt wurde. Im Gegensatz zu den großen Geschwistern verwendet Rock Shox nicht die bekannte Charger Dämpfung mit breiterem Einstellbereich, sondern setzt auf die ältere Motion Control Dämpfung mit offenem Ölbad. Ebenso muss auf die 3 Stufen (Open, Pedal und Lock) der RCT3 Einstellung verzichtet werden. Dass ältere Technik nicht zwingend schlechter sein muss, haben auch schon andere Produktkategorien gezeigt. Wir wollten mit dem Test vor allem die Frage klären, in welchem Verhältnis Preis und Leistung zueinanderstehen, denn die Yari RC lag bei der Vorstellung bei einer UVP von 730,00 €.

Rapid Recovery ist bekannt aus Pike und Lyrik
Rapid Recovery ist bekannt aus Pike und Lyrik

Die Fakten noch kurz im Überblick:

  • 120 – 180 mm Federweg
  • 27,5“-Version und 29“-Version, die auch 27,5+ schluckt
  • 15 x 100 mm oder 15 x 110 mm Boost
  • Motion Control Dämpfung mit offenem Ölbad
  • Bremsaufnahme: Disc PM6 (Direct Mount 160 mm)
  • Vorlauf: 42 mm / 51 mm
  • Schaftlänge: 265 mm

Moment mal, 120 – 180 mm Federweg mit nur einer Gabel? Genau, denn mit der Yari kann man ein sehr breites Einsatzgebiet abdecken. Sie deckt dabei die Spanne von All Mountain bis hin zum amtlichen Freeride Ausflug ab. Unser Testmodell verfügt über 170 mm Federweg und kommt mit None-Boost Standard daher. Rock Shox bietet ebenfalls eine Variante mit Boost an. Wie auch die High End Modelle im Sortiment verfügt die Yari über das Bottomless Token System, um die Gabel an seine eigenen Vorlieben anpassen zu können. Unter dem Strich sieht es danach aus, als ob man mit dieser Gabel eine breite Gruppe an Bikern ansprechen kann, die eben nicht immer auf der letzten Rille unterwegs sind. Die klare Antwort an dieser Stelle sei bereits verraten: ja, mit minimalen Abstrichen!

Der eigentliche Unterschied zwischen RC und RCT3 - die fehlenden 3 Stufen der Plattform.
Der eigentliche Unterschied zwischen RC und RCT3 – die fehlenden 3 Stufen der Plattform.

Am Anfang steht wie immer das Setup auf dem Plan. Bei einem Fahrergewicht von 85 kg (fahrfertig) und dem Einsatz von zwei Token starten wir laut Empfehlung von Rock Shox mit 70 psi und landen mit 170 mm Federweg bei ziemlich genau 30% SAG. Durch die zwei verwendeten Token dürfte eine angenehme Progression herrschen und wir können auch den mittleren Federweg etwas effektiver nutzen. Wir empfehlen an dieser Stelle unbedingt einmal mit den mitgelieferten Token zu experimentieren. Die Veränderungen der Gabel sind deutlich spürbar und ein Wechsel ist auch mit minimalem handwerklichem Geschick machbar. Folgendes Video von Rock Shox zeigt wie es geht.

Quelle: Youtube Rock Shox Suspension

Die Empfehlungen für den passenden Luftdruck sind auf jeder Luftgabel von Rock Shox zu finden.
Die Empfehlungen für den passenden Luftdruck sind auf jeder Luftgabel von Rock Shox zu finden.

Auf dem Trail geht es dann direkt in die Praxis über. Die Yari spricht bereits „out of the Box“ recht sensibel an und vermittelt dem Fahrer ein gutes Gefühl für den Untergrund. Bei den Einstellungen wird niemand überfordert und man kann sich langsam an das Nötigste herantasten. Es gibt die bekannte Rapid Recovery Zugstufe und eine Low Speed Druckstufe, welche in komplett geschlossenem Zustand auch ausgesprochen gut dafür genutzt werden kann, Ruhe in die Front zu bringen. Die Yari verhält sich dann ähnlich wie ihre RCT3 Geschwister im „Lock“ Modus. Vor allem bei längeren Etappen bergauf ist das ein Vorteil. Der Verstellbereich der Druckstufe umfasst 10 Klicks und erwies sich während der Testphase als ausreichend abgestuft. Wer noch weiter bzw. präziser in die Druckstufe eingreifen möchte, greift ohnehin zu den RCT3 Modellen oder einem speziell abgestimmten Tuning. Auf Touren oder leichten Trailausflügen vermissten wir praktisch nie „mehr“ Gabel an der Front. Die Yari spricht sensibel an, folgt den Befehlen des Fahrers präzise und bietet mehr als ausreichend Reserven für ruppigere Trails.

Optisch gelitten, aber immer noch tadellos in der Funktion.
Optisch gelitten, aber immer noch tadellos in der Funktion.

Wer Ausflüge in den Park schätzt und dort gerne mit einem Enduro oder Freeride Bike unterwegs ist, wird sich schnell in der Federwegsklasse von 160 – 180 mm wiederfinden. Auch hier konnte die Yari selbst bei größeren Sprüngen überzeugen. Wenn man es richtig fliegen lassen will, empfiehlt sich aber schon der Griff zu einem dritten Token um einem eventuellen Durchschlagen der Gabel vorzubeugen. Die Yari wird nochmals progressiver, büßt etwas an Sensibilität ein und belohnt auf der anderen Seite mit einem sehr satten und direkten Fahrgefühl auf sprunglastigen Strecken. Kein durchrauschen, kein wegsacken und immer das gute Gefühl von voller Kontrolle an der Front.

Eines der Highlights unseres Tests war die Bike Attack
Eines der Highlights unseres Tests war die Bike Attack

Es galt die Yari an ihre Grenzen bzw. an die der Motion Control Dämpfung zu bringen. Alpines Gelände musste her und am besten noch kombiniert mit einem Race Einsatz. Die Bike Attack in Lenzerheide bot hier einen herrlichen Spielplatz für unseren Custom Aufbau und die Yari musste beweisen, was wirklich in ihr steckt. Zug- und Druckstufe auf das Gelände angepasst und Attacke stand auf dem Programm. Das Gelände der Bike Attack bietet so ziemlich alles, um ein Fahrwerk richtig kennen zu lernen. Über teils flowige Passagen, losen sowie steinigen Untergrund bis hin zu wirklich schroffen, weitläufigen Steinfeldern wird hier alles geboten was das Herz des alpinen Freeriders begehrt.

Knappe 3000 hm feinstes Teastareal in Lenzerheide.
Knappe 3000 hm feinstes Testareal in Lenzerheide.

Die Yari überzeugt fast auf dem kompletten Bereich der Strecke. Einzig wenn es in eben jene Passagen geht, in denen die Gabel mit einer Vielzahl kleiner, schneller Schläge zu kämpfen hat, zeigt sich der Nachteil der Motion Control Dämpfung. Hier haben die Charger Kartuschen die Nase vorne, da sie schlichtweg feinfühliger ansprechen. Das bedeutet nicht, dass man in solchen Passagen mit der Yari nicht klar kommt, sondern dass eben einfach der kleine Tick an Sensibilität fehlt, den man von Pike und Lyrik kennt. Von diesem Punkt abgesehen hat uns die Performance der Yari über den ganzen Testzeitraum stets positiv überrascht und unser Custom Aufbau ging durch diverse Hände in der Redaktion. Positiv abgerundet wurde das Ganze dann zum Ende der Saison, als sich die Innereien der Yari bei einem Service recht unbeeindruckt von der groben Behandlung der letzten Monate zeigten.

Da gab es nichts zu meckern und vor allem die Buchsen sahen noch aus wie neu
Da gab es nichts zu meckern und vor allem die Buchsen sahen noch aus wie neu

Braucht man also mehr Gabel? Wir würden nach diesem Jahr mit der Yari behaupten, dass ein Großteil der Alltagsfahrer mit der Gabel bestens bedient sein sollte. Die Technik ist mehr als ausgreift und über die Jahre optimiert worden. Dazu der Preis, welcher mittlerweile teils schon deutlich unter die UVP gesunken ist. Das alles macht aus der Yari eine Gabel, die selten den Wunsch nach mehr aufkommen lässt. Wer sich regelmäßig am Limit bewegt bzw. an Rennen teilnimmt, hat meist auf den Fahrstil abgestimmte Gabeln, die von Serienprodukten teils erheblich abweichen.

Unser Tyee Custom Aufbau nach einem Jahr der Nutzung.
Unser Tyee Custom Aufbau nach einem Jahr der Nutzung.

Fazit:

Abgesehen von leichten Schwächen bei schnellen, kurzen Schlägen und dem daraus resultierenden Verlust an Sensibilität, ist die Yari eine ausgesprochen gute Gabel, die viele Fahrer glücklich machen dürfte. Selten wollten wir mehr Gabel haben, nie hatten wir das Gefühl in Situationen zu kommen, die mit der Yari nicht machbar gewesen wären. Dazu kommt die vergleichbar simple Technik, welche sich problemlos in der heimischen Werkstatt pflegen lässt. Ein Sorglos-Produkt welches durchaus mehr als nur einen Blick wert ist.

2 Kommentare

  1. Hallo,
    ich möchte meine Fox 34 (160mm) rausschmeissen und diese Gabel (mit 170mm Federweg) einbauen um einen etwas flacheren Lenkwinkel hinzubekommen.
    Die Fox hat ein Offset von 44mm, die Yari gibt es soviel ich weiss mit 42 und 46mm. Was soll ich da nehmen? Wie wirken sich die Unterschiedlichen Werte aus das Fahrverhalten aus?

    Besten dank für die Hilfe!

    Gene

    • Hi Gene, aktuell gibt es (nach unserem Wissen) eine version mit 42mm Offset (650b) und eine mit 51mm (29 Zoll). Die Wahl der Gabel ergibt sich durch die bevorzugte Laufradgröße.

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