Es gibt immer wieder Momente, in denen kommt man auf die merkwürdigsten Ideen. Manchmal kombiniert mit Alkohol, manchmal motiviert durch andere auf einer Tour oder sogar durch Videos auf YouTube. Wenn alles zusammenkommt, kann es ja eigentlich nur witzig werden, oder?!

Schön aufgeteilt in 9 Sektoren geniessen die Bikes etwas Sonne vor dem Start
Schön aufgeteilt in 9 Sektoren geniessen die Bikes etwas Sonne vor dem Start

Entgegen der weitläufigen Meinung, dass Redakteure grundsätzlich immer nur auf Bikes unterwegs sind und sowieso den einfachsten und coolsten Job der Welt haben, sieht die Realität dann doch etwas anders aus. Irgendwie sitze ich viel zu oft am Rechner oder hinter der Kamera, bereite Artikel vor, plane und mache. Ein zünftiger Saisonabschluss muss also her, dachte ich. Das war im März auf einer Party unter Freunden mit Bier und dem ominösen YouTube… Irgendwann packte jemand die Videos der Trek Bike Attack aus und es stand schnell fest: „Das sieht entspannt aus – das machen wir!“

Panorama satt ! Alleine dafür lohnt sich die Anreise
Panorama satt ! Alleine dafür lohnt sich die Anreise

Einfache Sache denkst du dir, so halb privat halb für das Magazin, aber auf jeden Fall mit einer Menge Spaß. Ist ja ganz entspannt so ein alpines Freeride Rennen über knappe 16 km mit 1800 hm. Zack, ein Team mit 12 Mann auf die Beine gestellt und angemeldet. Mammutaufgabe ? Naja, ich musste eigentlich nur noch Benzin ins Feuer kippen.

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Dann kommt das übliche, wenn es um Rennen geht: Die Wahl des Materials, Training, Analyse der alten Strecke per Video und die allgemeinen Vorbereitungen. Das Schöne an der Trek Bike Attack ist übrigens, dass jeder dort antreten kann – nicht, dass es für jeden eine gute Idee wäre, aber man kann.

Dann ist das Jahr auch auf einmal schon deutlich fortgeschritten und wir machen uns am 25. August auf den Weg nach Lenzerheide. So wie es sich gehört auch nicht ins Hotel, sondern ganz originär auf den Campingplatz nähe Lenzerheide, welcher nebenbei bemerkt, auf jeden Fall einen Besuch wert ist: Sauber, günstig, mit traumhaftem Panorama und einem rauschenden Wildbach gesegnet. Netter Nebeneffekt ist, dass man zur Bike Attack fast ausschließlich Gleichgesinnte auf dem Campingplatz findet und die Stimmung einfach super angenehm und entspannt ist.

Natürlich sind auch Professionelle Fahrer auf der Bike Attack vertreten.
Natürlich sind auch Professionelle Fahrer auf der Bike Attack vertreten.

Die Startgebühr für die Bike Attack liegt, mit Teilnahme an der Qualifikation, bei ca. 130 Euro. Da alleine die Tageskarte der Rothornbahn 45 Franken kostet und einem mit der Teilnahme eine Liftkarte für drei Tage übergeben wird, ist das schon fast ein Schnäppchen.

Die Qualifikation startet am Samstag und das Rennen am Sonntag. Wir hatten also den ganzen Freitag Zeit, um uns in Ruhe die Strecke anzuschauen. Im Gegensatz zu den letzten Jahren sollte dieses Jahr ab der Mittelstation nicht mehr der Bikepark für den unteren Teil der Strecke genutzt werden. So stand der Park auch während des Rennens allen anderen Sportbegeisterten zur Verfügung. Der untere, neue Teil der Strecke kann durchaus als technisch anspruchsvoll beschrieben werden, doch dazu später mehr.

Tracy Mosley im Gespräch mit dem Kommentator des Rennens
Tracy Moseley im Gespräch mit dem Kommentator des Rennens

Freitagmorgens ging es zur Talstation und die Startunterlagen wurden eingesammelt, danach direkt in die Gondel und rauf auf knapp 2.900 hm. Die Prognosen für die nächsten Tage deuteten auf bestes Wetter hin und enttäuschten nicht. Auf dem Gipfel angekommen packt dich wieder ein vorherrschendes Gefühl: Ehrfurcht !

Egal wie oft ich in den Alpen unterwegs war und egal wie weit oben ich auch schon war – das Panorama dieser Giganten ist immer wieder einzigartig. Es lässt dich ankommen, entschleunigen, durchatmen. Und dann ab auf die Strecke!

Massenstart bei bestem Wetter !
Massenstart bei bestem Wetter !

Zugegeben, während der ersten Abfahrt ist der vorherrschende Gedanke eine Mischung aus „Kacke ist das geil!“ und „Warum genau mach ich das hier eigentlich?“. Der obere Teil der Trek Bike Attack ist eine Mischung aus losem Geröll, faustgroßen Steinen auf der Strecke, gefühlt tausend wählbaren Lines und der ein oder anderen Highspeed Passage. Wenn man nicht regelmäßig in diesem Gelände unterwegs ist, dann dauert es ein paar Meter, um sich an den Untergrund zu gewöhnen. Hier heißt es, die gesunde Mischung aus zu viel und zu wenig Druck auf den Reifen zu finden. Denn wenn hier eines wirklich wichtig ist, dann ist es Grip. Nach etwas hin und her bin ich auf knappe 1,9 bar vorne und hinten gekommen, was sich als passend erwies. Den Rest erledigten ein gut eingestelltes Fahrwerk und fähige Bremsen.

In der ersten Kurve wird direkt ausgesiebt.
In der ersten Kurve wird direkt ausgesiebt.

Angekommen auf Höhe der Mittelstation wurde mir dann schnell klar, dass unser Mittelgebirge in Deutschland eben doch nicht wirklich ausreicht, um sich auf solche Abfahrten vorzubereiten. Aber „Mimimi“ war gestern, also Arme und Beine ignorieren und weiter Attacke.

Bei den Frauen geht es etwas entspannter zur Sache, da es weniger sind.
Bei den Frauen geht es etwas entspannter zur Sache, da es weniger sind.

Der untere Teil der Strecke unterscheidet sich komplett vom oberen. Kuhwiesen kombiniert mit Schotterstraßen und Waldstücken ergeben eine fordernde, teils steile sowie durchaus technisch anspruchsvolle Strecke mit einigen Schlüsselstellen. Das Streckenprofil der Bike Attack Webseite spricht von Technik 6 von 6 als Anforderung, was durchaus der Realität entspricht. Das Profil spricht aber auch von 120hm bergauf. Was sich grundsätzlich erstmal nicht schlimm anhört, kann am Ende der Strecke schon ganz ordentlich beißen. Vor allem die letzte Rampe kurz vor dem Ziel kann ziemlich lang sein, wenn  einem bereits 14km und 1600hm in den Beinen stecken. Nach zwei kompletten Abfahrten war der Freitag dann auch gelaufen. Wir wollten ja körperlich und mental noch Reserven für die Quali am Samstag haben. Und überhaupt ist das ganze ja total entspannend ;)

Bei den hinteren Sektoren ist erst einmal schieben angesagt.
Bei den hinteren Sektoren ist erst einmal schieben angesagt.

Dieser verlief dann auch etwas gemischt. Eine eher lockere Warm-Up Runde vor der Qualifikation sorgte für eine unschöne Begegnung zwischen einem unserer Teamfahrer und einem recht massiven Zaunpfahl. Ausgang der Begegnung – Zaunpfahl 1 Romans Schlüsselbein 0. Echt, so eine klassische Verletzung in dem Sport, die kein Mensch braucht. Glück im Unglück, glatter Bruch, dauert nicht so lange. Hier sei kurz angemerkt, dass die medizinische Versorgung recht zügig verlief. Nur Bargeld sollte man genug in der Schweiz dabei haben, denn bezahlt wird direkt.

Nach der Kurve wurde das Feld dann so langsam flüssiger...etwas.
Nach der Kurve wurde das Feld dann so langsam flüssiger…etwas.

Mit etwas gedrückter Stimmung durch den Crash ging es anschließend zum Start der Qualifikation auf der Mittelstation. Im 15-Sekunden-Takt werden die Fahrer auf die Strecke gelassen. Ich rolle auf die Uhr zu, halte kurz inne, während die Uhr runterzählt: 15…10…5…go! Was dann kommt, ist eine unheimlich interessante Erfahrung, vor allem wenn man nicht regelmäßig an Rennen teilnimmt oder es sogar das erste überhaupt ist. Du blendest alles Unnötige aus, fokussierst dich auf das Wesentliche und funktionierst auf einem anderen Level. Mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit im Gegensatz zum freien Training nehme ich die Strecke in Angriff, wähle Linien fast intuitiv, schwitze wie eine Sau und habe einfach ein fettes Grinsen im Gesicht. Und spätestens jetzt wird mir klar, warum ich das mache – weil es verdammt nochmal eine geniale Erfahrung ist.

Und dann Vollgas !
Und dann Vollgas !

In Churwalden angekommen nehme ich nebenbei noch meine Zeit mit einem Ohr wahr. Irgendwas über 20 Minuten – passt! Bestzeiten waren eh nie drin, so ehrlich muss man schon zu sich selbst sein. Am Ende kommen alle von uns heil durch die Quali. Von knapp über 15 bis 26 Minuten ist alles dabei, wir sind zufrieden, das Material weint.

Dann ist er da, der Tag des Rennens. Egal wie locker ich bis jetzt drauf war, ich muss gestehen, dass sich eine gewisse Anspannung breit macht. Massenstart, aufgeteilt in neun Sektoren. Alle legen gleichzeitig um 13 Uhr los, die Quali hat entschieden, wo man steht. Die Frauen starten in einer separaten Gruppe eine halbe Stunde früher. Eher unnötig, wenn man sich deren teilweise beeindruckenden Zeiten anschaut.

Kurz vor der Mittelstation konnte man es gut laufen lassen und hatte diverse Lines zur Auswahl.
Kurz vor der Mittelstation konnte man es gut laufen lassen und hatte diverse Lines zur Auswahl.

Und auf einmal geht es los. Ein Strom aus Menschen auf Bikes setzt sich in Bewegung und versucht Boden gut zu machen. Hat was von der Rush Hour am Frankfurter Hauptbahnhof. Problematisch ist eigentlich nur der Start aus den hinteren Sektoren. Viele Fahrer vor dir, wenig Möglichkeit zum Überholen und viel zu oft der notwendige Griff zur Bremse. Dann lockert sich das Feld langsam auf, ich mache Boden gut, kann das Bike laufen lassen. Hier zeigt sich wieder das schroffe Terrain der oberen Strecke, da gefühlt alle 100 Meter Fahrer neben der Strecke ihre Bikes richten. Vollgas, keine Pausen, Kette rechts und so weiter.

Als ob nur Gwin ohne Reifen fahren könnte...
Als ob nur Gwin ohne Reifen fahren könnte…

Dann ist er da, der Armpump. Wie ein Kind, welches du nie wolltest und dem du nach amerikanischem Vorbild einen hippen Städtenamen gibst.

Castrop-Rauxel und ich müssen nun also die Arschbacken zusammenkneifen und die Nummer durchziehen. Denn aufgeben ist ja eher keine Option, also Bremsen auf, wo es nur geht, denn die 180er Scheiben haben ohnehin schon gut gelitten. Aber irgendwie will es nicht so wirklich rund laufen, denn eine gerissene Kette im unteren Teil und ein beachtlicher Wadenkrampf (die Schwester von Castrop-Rauxel) fressen wichtige Zeit. Aber der Blick nach rechts und links zeigt mir, ich bin nicht alleine. Mensch und Material am Limit bei gefühlten 35 Grad in der prallen Sonne. Und warum machen wir das? Genau, weil´s geil ist! Und einfach kann ja irgendwie auch jeder.

Fährste quer, siehste mehr !
Fährste quer, siehste mehr !

Deutlich fertiger, aber glücklicher als noch in der Qualifikation schaffe ich es in ziemlich genau einer Stunde ins Ziel und damit ins gehobene Mittelfeld, wie sich später zeigt. Finde ich das jetzt dramatisch? Nein, ganz im Gegenteil, denn ich hatte eine Menge Spaß, Training und vor allem einen Grund mir das 2017 direkt wieder zu geben. Natürlich zusammen mit dem Rest des Teams, denn es war der Hammer mit euch, Jungs. Das wird jetzt wohl so eine jährliche Nummer in Lenzerheide?!

Gelungene Orga, anspruchsvolle aber machbare Strecke, traumhaftes Panorama, Materialschlacht und jede Menge Fahrer mit guter Laune: Das wäre die kurze Zusammenfassung der Trek Bike Attack 2016.

Danke, wir sehen uns auf der Bike Attack 2017 !

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